Keine Verlängerung der Überstellungsfrist durch Kirchenasyl:
Asylsuchende sind nicht "flüchtig" im Sinne der Dublin-Verordnung mit der Folge der Verlängerung der Überstellungsfrist auf 18 Monate, wenn sie sich im Kirchenasyl aufhalten und die Adresse den Behörden mitgeteilt wurde.
(Leitsätze der Redaktion; im Anschluss an OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.08.2019 - 11 A 2874/19.A - asyl.net: M27574 und OVG Niedersachsen, Beschluss vom 25.07.2019 - 10 LA 155/19 - asyl.net: M27450)
Anmerkung:
[...]
Der Senat geht in Übereinstimmung mit dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg (Beschluss vom 25. Juli 2019 - 10 LA 155/19 -, juris) und dem Oberverwaltungsgericht Münster (Beschluss vom 29. August 2019 - 11 A 2874/19.A) davon aus, dass sich diese Frage unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) und des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO), ohne weiteres beantworten lässt, so dass es der Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht bedarf.
Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO gibt vor, dass der zuständige Mitgliedstaat nicht mehr zur Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person verpflichtet ist und die Zuständigkeit auf den ersuchenden Mitgliedstaat übergeht, wenn die Überstellung nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten durchgeführt wird. Nach Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO kann die Frist auf achtzehn Monate verlängert werden, wenn die betreffende Person flüchtig ist. [...]
Durch die Rechtsprechung des EuGH ist geklärt, dass Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO dahin auszulegen ist, dass ein Antragsteller "flüchtig ist", wenn er sich den für die Durchführung seiner Überstellung zuständigen nationalen Behörden gezielt entzieht, um die Überstellung zu vereiteln. Dies - so der EuGH weiter - kann angenommen werden, wenn die Überstellung nicht durchgeführt werden kann, weil der Antragsteller die ihm zugewiesene Wohnung verlassen hat, ohne die zuständigen nationalen Behörden über seine Abwesenheit zu informieren, sofern er über die ihm insoweit obliegenden Pflichten unterrichtet wurde (EuGH, Urteil vom 19. März 2019 - C-163/17 -, juris Rn. 70). Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts haben die Kläger die ihnen zugewiesene Unterkunft in Lorch verlassen und sich am ... 2019 in die Räumlichkeiten der Evangelischen Kirchengemeinde A-Stadt begeben. Darüber informierten sie unverzüglich die Beklagte. Es spricht einiges dafür, dass der Ortswechsel der Kläger in der Erwartung geschah, hierdurch die Überstellung nach Italien tatsächlich zu verzögern bzw. zu vereiteln. Von einer Flucht i.S. des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Dublin III-VO kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn die betroffene Person untertaucht oder sich an einen Ort begibt, der einen behördlichen Zugriff zur Durchsetzung der Überstellung nicht zulässt (in diesem Sinne auch OVG Münster, a.a.O.; OVG Lüneburg, a.a.O., Rn. 14 f.). Die Beklagte geht - ebenso wie das Verwaltungsgericht - davon aus, dass es keine rechtlichen Hinderungsgründe gibt, eine Person, die sich im "Kirchenasyl" befindet, entsprechend der Dublin III-VO zu überstellen. Ob tatsächliche Gründe ggf. einer solchen Überstellung entgegenstehen, ist eine Frage des Einzelfalls, die sich nicht grundsätzlich beantworten lässt. [...]