Dublin-Haft vor Inkrafttreten des 2.AusreisepflichtDurchsetzungsG rechtswidrig:
Vor dem Inkrafttreten des 2.AusreisepflichtDurchsetzungsG existierte keine rechtliche Grundlage für eine behördliche Festnahme zur Sicherung einer Dublin-Überstellung. Zwar ist in § 62 Abs. 5 S. 1 AufenthG die Ermächtigung der vorläufigen Ingewahrsamnahme geregelt. Diese konnte jedoch nicht für die Ingewahrsamnahme im Dublin-Verfahren angewendet werden, da der vorrangig zu beachtende Art. 28 Dublin-III-VO selbst Vorschriften für die Inhaftnahme zum Zweck der Überstellung vorschreibt. Durch das Geordnete-Rückkehr-Gesetz wurde diese Regelungslücke mit § 2 Abs. 14 S. 3 AufenthG geschlossen.
(Leitsätze der Redaktion)
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Die Betroffene durfte durch die Ausländerbehörde seinerzeit nicht vorläufig in Gewahrsam genommen werden, weil es für das Verfahren auf Anordnung von Haft gem. Art. 28 Abs. 2 Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (sog. Dublin-III-Verordnung), keine eigenständige Rechtsgrundlage für die behördliche Freiheitsentziehung gab (Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG).
Insofern bestand eine Regelungslücke zum Zeitpunkt der streitigen vorläufigen Ingewahrsamnahme. Zwar ist in § 62 Abs. 5 Satz 1 AufenthG die Ermächtigung zur vorläufigen Ingewahrsamnahme geregelt.
Diese Vorschrift kann jedoch nicht ohne Weiteres für die Ingewahrsamnahme im Dublin-III-Verfahren angewendet werden. [...]
Die Haft zur Sicherung der Überstellung eines Ausländers, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, in den nach der Verordnung zuständigen Mitgliedstaat darf deshalb nur noch unter den Voraussetzungen des Art. 28 Dublin-111Verordnung und nicht mehr nach anderen Bestimmungen des Rechts des Mitgliedstaats (wie Vorschriften zur Durchsetzung einer sich aus dem nationalen Recht ergebenden vollziehbaren Ausreisepflicht) angeordnet werden (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 - V ZB 31/14 -, Rn. 12, juris). Die Kriterien für die Freiheitsentziehung müssen in einem förmlichen Gesetz bestimmt sein (s. Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG und BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 25. September 2009 - 2 BvR 1195/08 -, Rn. 16, juris).
Nichts anderes kann für die der Haftanordnung vorgeschaltete behördliche Freiheitsentziehung gelten. Auch hinsichtlich dieser bedurfte es einer klaren gesetzlichen Regelung wie in § 63 Abs. 5 AufenthG, auf die die Freiheitsentziehung der vorläufigen Ingewahrsamnahme gestützt werden kann.
Eine solche gesetzliche Regelung hat der Gesetzgeber, worauf die Betroffene zu Recht hinweist, bislang nicht getroffen. Der vom Bundesinnenminister vorgelegte Entwurf für das Geordnete-Rückkehr-Gesetzes sieht in § 2 Abs. 14 S. 3 AufenthG nunmehr für das Dublin-III-Verfahren Folgendes vor und macht deutlich, dass der Gesetzgeber die Regelungslücke ebenfalls erkannt hat: [...]