SG Dresden

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Zitieren als:
SG Dresden, Beschluss vom 07.06.2019 - S 3 AY 29/19 ER - asyl.net: M27480
https://www.asyl.net/rsdb/M27480
Leitsatz:

Leistungskürzungen nach AsylbLG nur bei eigenem Fehlverhalten:

1. Das Fehlverhalten der Eltern (z.B. die Verletzung von Mitwirkungspflichten) wird minderjährigen Kindern nicht zugerechnet, da die Leistungskürzung nach dem gesetzgeberischen Willen ein höchstpersönliches Element beinhaltet.

2. Minderjährige können ihren Anspruch einerseits über ihre Eltern herleiten, andererseits steht ihnen aber auch ein eigener Anspruch zu, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind.

3. Es war gesetzgeberische Absicht, nach 15 Monaten Aufenthalt in Deutschland das grundrechtlich gewährte Existenzminimum auch auf Asylsuchende zu übertragen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Sozialrecht, Leistungskürzung, Asylbewerberleistungsgesetz, Einreise um Sozialhilfe zu erlangen, Kind, minderjährig, Vertretenmüssen, Zurechnung, Rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer, Analogleistungen, sicherer Drittstaat,
Normen: AsylbLG § 2, AsylbLG § 1a Abs. 1,
Auszüge:

[...]

a) Zumindest die sämtlich minderjährigen Kinder haben die Aufenthaltsdauer gemäß § 2 AsylbLG nicht selbst beeinflusst. Ein evtl. Fehlverhalten der Eltern ist ihnen auch im Rahmen des § 2 AsylbLG nicht zuzurechnen, da die Vorschrift ein höchstpersönliches Element beinhaltet (vgl. Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 2 AsylbLG 1. Überarbeitung, RNrn. 47, 175). Diese gesetzgeberische Intention zeigt sich in der Gesetzesänderung zum 01.03.2015. Seither wird durch den Abs. 3 der Vorschrift deutlich, dass die Kinder den Leistungsbezug weiterhin einerseits über ihre Eltern herleiten können, demnach aber andererseits auch selbständig einen Anspruch nach Abs. 1 haben können, mithin ohne Berücksichtigung der Situation der Eltern (vgl. auch Krauß in Siefert, Asylbewerberleistungsgesetz, § 2 Rnr. 73). Diese Regelung wäre überflüssig, wenn ein Fehlverhalten der Eltern immer auf die Kinder durchschlagen würde und rechtfertigt sich auch nicht durch die gesetzgeberische Intention, die gewiss eng auszulegen ist.

Vielmehr war es die gesetzgeberische Absicht, infolge der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, das in Deutschland allgemeine Existenzminimum nach einer (nunmehr auf 15 Monate verkürzten) Anwesenheitszeit auch auf Asylbewerber zu übertragen. Wer selbst die Aufenthaltsdauer nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst hat, soll nicht ausgenommen sein. Die minderjährigen ASt. zu 3 bis 7 haben auch unabhängig von ihren Eltern einen Anspruch auf sogenannte Analogleistungen gemäß § 2 Abs. 3 AsylbLG, da sie sich sämtlich seit mehr als 15 Monaten in Deutschland aufhalten, Leistungen beziehen und die Aufenthaltsdauer nicht beeinflusst haben (können). [...]