VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 21.05.2019 - 22 K 16904/17.A - asyl.net: M27428
https://www.asyl.net/rsdb/M27428
Leitsatz:

Familienasyl hat Vorrang gegenüber Unzulässigkeitsentscheidung:

"Anspruch auf Familienasyl auch nach Schutzgewährung in einem anderen Mitgliedstaat, § 26 AsylG kommt Vorrang gegenüber § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu."

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Familienflüchtlingsschutz, internationaler Schutz in EU-Staat, Unzulässigkeit, Zulässigkeit, Familieneinheit,
Normen: AsylG § 26, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Der Vorschrift des § 26 Abs. 1, 3 und 5 S. 1 und 2 AsylG, die der Klägerin nach derzeitigem Sach- und Streitstand einen Anspruch auf Gewährung akzessorischer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft einräumt, kommt in ihrem Anwendungsbereich Vorrang gegenüber § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG zu. Dies führt dazu, dass der Asylantrag eines Ausländers, der Anspruch auf Zuerkennung akzessorischen Schutzes nach § 26 hat, nicht - wie hier geschehen - gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG als unzulässig abgewiesen werden darf (st. Rspr. der erkennenden Kammer, vgl. Beschlüsse vom 5. September 2016 - 22 L 2884/16.A –, Rn. 19 ff, juris; vom 31. März 2017 - 22 L 671/17.A -, Rn. 22 ff, juris sowie vom 12. April 2017 - 22 L 1361/17.A -, Rn. 25 ff, juris; ebenso: OVG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 19. Februar 2019 - 4 L 201/17 -, Rn. 17 ff m.w.N., juris; a.A. VG Berlin, Urteil vom 3. Dezember 2018 - 23 K 323.18 A -, Rn. 20 m.w.N., juris).

Dieser Annahme steht insbesondere nicht die Regelung in § 31 Abs. 4 AsylG entgegen. Danach bleibt § 26 Abs. 5 AsylG in den Fällen des § 26 Abs. 1 bis 4 AsylG unberührt, wenn der Asylantrag nur nach § 26a AsylG als unzulässig abgelehnt wird. Diese Norm lässt nicht den Umkehrschluss zu, dass der Anspruch auf akzessorischen Schutz nach § 26 Abs. 5 AsylG in anderen Fällen (wie etwa der hier vorliegenden Ablehnung des Asylantrages als unzulässig nach § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) keine Anwendung finden soll.

Die Vorschrift des § 31 Abs. 4 AsylG wurde durch Art. 6 Ziffer 11 d) des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) neu gefasst. Der bis dahin gültige § 31 Abs. 4 AsylG a.F. enthielt zwei Sätze. Satz 1 der alten Fassung wurde gestrichen, da die Regelung nicht mehr erforderlich erschien; Satz 2 der alten Fassung sollte inhaltlich unverändert fortgelten und nur sprachlich angepasst werden (vgl. BT-Drucks. 18/8615, S. 52). § 31 Abs. 4 Satz 2 AsylG a.F. diente indes allein der Klarstellung, dass die Einreise aus einem sicheren Drittstaat der Zuerkennung der Familienflüchtlingseigenschaft bzw. des akzessorischen subsidiären Schutzes nicht entgegensteht (BeckOK AuslR/Heusch AsylG § 31 Rn. 27 m.w.N.).

Nach alledem wird ein Anspruch auf Zuerkennung der Familienflüchtlingseigenschaft nicht dadurch ausgeschlossen, dass eine mit dem Asylantrag zugleich geltend gemachte eigene Verfolgung/Bedrohung nicht zu einer Schutzgewährung zu führen vermag. Für die Fälle des § 26a AsylG wird dies in § 31 Abs. 4 AsylG (inhaltlich unverändert) klargestellt. Unabhängig von einer solchen gesetzlichen Klarstellung gilt dies aber auch im vorliegenden Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. [...]