VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 12.07.2018 - 8 K 15907/17.A - asyl.net: M27300
https://www.asyl.net/rsdb/M27300
Leitsatz:

Keine flüchtlingsrelevante Verfolgung von Frauen im eritreischen Militärdienst:

1. Ohne das Hinzutreten weiterer Umständen stellen Diskriminierung oder sexuelle Gewalt gegenüber Frauen im eritreischen Nationaldienst keine flüchtlingsrelevante Verfolgung dar, denn auch geschlechtsspezifische Verfolgung muss primär eine politische sein. (Dem ausdrücklich widersprechend: VG Schwerin, M25798: aus dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 S. 1 AsylG sowie der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass zur Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe keine politische Motivation hinzutreten muss.)

2. Eine Verfolgung von Frauen im Nationaldienst aus politischen Gründen ist in Eritrea nicht erkennbar, da der eritreische Staat Diskriminierung und sexuelle Gewalt gegenüber Frauen nicht gezielt anordnet oder duldet.

(Leitsatz der Redaktion; ausdrücklich anderer Ansicht: VG Schwerin, Urteil vom 08.12.2017 - 15 A 1278/17 As SN - asyl.net: M25798)

Anmerkung:

Schlagwörter: Eritrea, Nationaldienst, Upgrade-Klage, Frauen, geschlechtsspezifische Verfolgung, Militärdienst, Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz, sexueller Missbrauch, soziale Gruppe, Diskriminierung, politische Verfolgung,
Normen: AsylG § 3, EMRK Art. 3,
Auszüge:

[...]

Soweit das Verwaltungsgericht Schwerin aus der Tatsache, dass aus dem eritreischen Nationaldienst Diskriminierung und sexuelle Gewalt gegenüber weiblichen Mitgliedern berichtet wird, den Schluss zieht, dass Frauen als Mitglieder einer sozialen Gruppe dort eine flüchtlingsrelevante Verfolgung zu gewärtigen haben (vgl. VG Schwerin, Urteil vom 08.12.2017 – 15 A 1278/17 As SN –, juris) ist dem nicht zu folgen. Die geschlechtsspezifische Verfolgung von Frauen muss, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, primär eine politische Verfolgung sein (zum Erfordernis einer politischen Verfolgung bei allen Verfolgungstatbeständen BVerfGE 76, 143 ff; BVerwGE 80, 315, 333; Hailbronner, ZAR 1998, 152 ff; Bumke, NVwZ 2002, 423 ff.; UNHCR – Richtlinien zum Internationalen Schutz: Geschlechtsspezifische Verfolgung im Zusammenhang mit Art. 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, NVwZ 2003, Beilage Nr. I 9/2003, S. 65 ff.).

Das wäre vorliegend der Fall, wenn der eritreische Staat derlei Verhalten gegenüber Frauen im Nationaldienst gezielt anordnete oder in der Absicht duldete, Maßnahmen im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen um die Gestaltung und Eigenart der Ordnung des Zusammenlebens von Menschen und Menschengruppen zu treffen (vgl. BVerwGE 80, 315, 333).

Hierzu liegen jedoch keinerlei Hinweise vor. Daher kann ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht von einer politischen Verfolgung von Frauen wegen ihres Geschlechts ausgegangen werden, die mit dem Einsatz von Vergewaltigung als Kriegswaffe (vgl. etwa VG Frankfurt; Urteil vom 04.03.2015 - 9 K 2368/13.F.A -, juris) oder der Zwangsbeschneidung von Frauen in Nigeria (vgl. etwa VG Köln, Urteil vom 24.07.2014 - 15 K 1919/14.A -, juris; Bumke, NVwZ 2002, 423 ff.) vergleichbar wäre. [...]