LG Landshut

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Zitieren als:
LG Landshut, Beschluss vom 27.03.2019 - 62 T 333/19 - asyl.net: M27154
https://www.asyl.net/rsdb/M27154
Leitsatz:

Rechtswidrige Abschiebungshaft wegen Haftverlängerung in Abwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten bei der Anhörung:

1. Stellen Verfahrensbevollmächtigte wegen Terminkollision einen Verlegungsantrag und entscheidet das Haftgericht nicht über diesen Antrag, sondern führt die Anhörung stattdessen ohne diese durch und ordnet daraufhin Haftverlängerung an, so verstößt dies gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens. Das Gericht hätte allenfalls im Wege der einstweiligen Anordnung eine kurze Haft anordnen dürfen.

2. Lässt sich die betroffene Person in der Anhörung zur Sache ein und beantragt trotz Belehrung nicht die Hinzuziehung ihrer anwaltlichen Vertretung, so stellt dies keinen konkludenten Verzicht auf die Anwesenheit von Verfahrensbevollmächtigten dar. An einen solchen sind vielmehr strenge Anforderungen zu stellen (unter Bezug auf BGH, Beschluss v. 25.10.2018 - V ZB 69/18).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Anhörung, Prozessbevollmächtigte, Verlegungsantrag, faires Verfahren, Verzicht, Verfahrensbevollmächtigte, Anwalt, Belehrung, Rechtswidrigkeit, Haftbeschluss,
Normen: FamFG § 425 Abs. 3, FamFG § 420, AufenthG § 62,
Auszüge:

[...]

Die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung ergibt sich vorliegend aus einem Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens.

Der Beschwerdeführer weist zu Recht darauf hin, dass der Grundsatz des fairen Verfahrens einem Betroffenen garantiert, sich zur Wahrung seiner Rechte in einem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und diesen zu der Anhörung hinzuzuziehen (BGH, Beschluss vom 10.07.2014, X ZB 32/14). Vereitelt das Gericht durch seine Verfahrensgestaltung eine Teilnahme des Bevollmächtigten an der Anhörung, führt dies nach der jüngeren Rechtsprechung des BGH ohne Weiteres zu der Rechtswidrigkeit der Haft. Es kommt nicht darauf an, ob die Anordnung der Haft auf dem Fehler beruht. Das gilt auch für die Verlängerung der Abschiebungs- oder Rücküberstellungshaft, auf die nach § 425 Abs. 3 FamFG die Vorschriften über den Erstantrag, also auch diejenigen über die Anhörung, uneingeschränkt anzuwenden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 06.04.2017, X ZB 59/16).

Der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen wurde am 20.12.2018 von dem kurzfristig anberaumten Anhörungstermin in Kenntnis gesetzt. Er hat noch am selben Tag beantragt, den Anhörungstermin zu verlegen, weil er am selben Tag in Hannover einen Termin in einer Strafsache wahrnehmen müsse.

Im Hinblick auf den Grundsatz des fairen Verfahrens, welcher dem Betroffenen garantiert, sich zur Wahrung seiner Rechte in dem Freiheitsentziehungsverfahren von einem Bevollmächtigten seiner Wahl vertreten zu lassen und ihm das Recht zubilligt, diesen Bevollmächtigten zu der Anhörung hinzuzuziehen, hätte das Amtsgericht dem Antrag des Verfahrensbevollmächtigten auf Verlegung des Anhörungstermins stattgeben müssen, eine Entscheidung in der Hauptsache nicht treffen und im Wege der einstweiligen Anordnung nur eine kurze Haftzeit anordnen dürfen (vergleiche BGH Beschluss vom 11.10.2017, V ZB 167/16; Beschluss vom 27.09.2018, V ZB 96/18; Beschluss vom 25.10.2018, V ZB 69/18; BGH Beschluss vom 06.12.2018, V ZB 79/18). Auf den Beschluss des Landgerichts Landshut vom 27.03.2019, Az.: 62 T 3537/18, betreffend die Beschwerde desselben Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Erding vom 21.11.2018 wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.

Es kann auch nicht darin, dass sich der Betroffene in der Anhörung zur Sache eingelassen hat und trotz Belehrung nicht die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten beantragt hat, ein konkludenter Verzicht auf die Anwesenheit seines Verfahrensbevollmächtigten gesehen werden. An einen solchen Verzicht sind nach der Rechtsprechung des BGH strenge Anforderungen zu stellen (BGH, Beschluss vom 25.10.2018, V ZB 69/18). Dem Betroffenen wurde in der Anhörung nur mitgeteilt, dass sein Verfahrensbevollmächtigter über den Termin informiert wurde und eine Teilnahme am Termin vereint habe. Aus dem Verhalten des Betroffenen, der im weiteren Verlauf der Anhörung nicht auf die Anwesenheit eines Verfahrensbevollmächtigten bestanden hat, kann nicht ohne Weiteres geschlossen werden, dass er trotz des gestellten Terminverlegungsantrags auf die Anwesenheit des Verfahrensbevollmächtigten verzichten wollte. [...]