Anforderungen an die Abweisung einer Klage im Asylverfahren als offensichtlich unbegründet:
1. Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert eine wirksame gerichtliche Kontrolle von Akten öffentlicher Gewalt und beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen.
2. Steht wie hier nur eine Instanz zur Verfügung, so erhöht dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung.
3. Das Verwaltungsgericht muss in einer eigenständigen Beurteilung insbesondere prüfen, ob die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet durch das Bundesamt weiterhin Bestand haben kann. Hierfür muss es im Eilverfahren die Frage der Offensichtlichkeit erschöpfend klären und insoweit über eine lediglich summarische Prüfung hinausgehen.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
a) Die Verfahrensgewährleistung des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG beschränkt sich nicht auf die Einräumung der Möglichkeit, die Gerichte gegen Akte der öffentlichen Gewalt anzurufen; sie gibt dem Bürger darüber hinaus einen Anspruch auf eine möglichst wirksame gerichtliche Kontrolle. Das Gebot des effektiven Rechtsschutzes verlangt nicht nur, dass jeder potentiell rechtsverletzende Akt der Exekutive in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht der richterlichen Prüfung unterstellt ist; vielmehr müssen die Gerichte den betroffenen Rechten auch tatsächliche Wirksamkeit verschaffen (vgl. BVerfGE 35, 263 <274>; 84, 34 <49>; stRspr). Das Maß dessen, was wirkungsvoller Rechtsschutz ist, bestimmt sich entscheidend auch nach dem sachlichen Gehalt des als verletzt behaupteten Rechts (vgl. BVerfGE 60, 253 <297>), hier des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG), gegebenenfalls in Verbindung mit der Gewährleistung des Art. 3 EMRK im Lichte der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. BVerfGE 111, 307 <323 ff.>).
Ein Instanzenzug kann zwar nicht beansprucht werden; steht aber nur eine Instanz - wie vorliegend - zur Verfügung, so verstärkt dies die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung des Verfahrens im Hinblick auf die Wahrheitserforschung (vgl. für den Fall der Abweisung der Klage als offensichtlich unbegründet: BVerfGE 83, 24 <31>; 87, 48 <61 f.>; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, juris, Rn. 12).
b) Die Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet - mit der gravierenden Folge des Ausschlusses weiterer gerichtlicher Nachprüfung - setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (§ 77 Abs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen des Gerichts vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Lehre die Abweisung der Klage dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. [...]
Die schlichte Behauptung, die Klage sei offensichtlich unbegründet, genügt den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht (vgl. BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 7. November 2008 - 2 BvR 629/06 -, juris, Rn. 10 und vom 2. Juli 2008 - 2 BvR 877/06 -, juris, Rn. 15; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats vom 20. Dezember 2006 - 2 BvR 2063/06 -, juris, Rn. 10). [...]
d) Diese vom Bundesverfassungsgericht zur Abweisung einer Asylklage als offensichtlich unbegründet entwickelten Kriterien sind auf die Offensichtlichkeitsprüfung, die im Rahmen des Eilverfahrens vorzunehmen ist, ohne Weiteres übertragbar (vgl. BVerfGE 67, 43 <56 f., 60 ff.>). Hiernach hat das Verwaltungsgericht aufgrund einer eigenständigen Beurteilung insbesondere zu prüfen, ob das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts auch weiterhin Bestand haben kann. Das Verwaltungsgericht darf sich dabei nicht mit einer bloßen Prognose zur voraussichtlichen Richtigkeit des Offensichtlichkeitsurteils begnügen, sondern muss die Frage der Offensichtlichkeit - will es sie bejahen - erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren klären und insoweit über eine lediglich summarische Prüfung hinausgehen. Dabei muss das Verwaltungsgericht überprüfen, ob das Bundesamt aufgrund einer umfassenden Würdigung der ihm vorgetragenen oder sonst erkennbaren maßgeblichen Umstände unter Ausschöpfung aller ihm vorliegenden oder zugänglichen Erkenntnismittel entschieden und in der Entscheidung klar zu erkennen gegeben hat, weshalb der Antrag nicht als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist, ferner, ob die Ablehnung als offensichtlich unbegründet auch weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, Beschlüsse der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Dezember 1993 - 2 BvR 1506/93 -, juris, Rn. 13 und vom 19. Juni 1990 - 2 BvR 369/90 -, juris, Rn. 20).
2. Den dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen die angegriffenen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts nicht.
Zwar hat das Gericht die abstrakten Maßstäbe offengelegt, von denen es bei der Beurteilung des Asylbegehrens des Beschwerdeführers als offensichtlich unbegründet ausgegangen ist. Es hat seiner Prüfung den durch das Bundesverfassungsgericht gebilligten Begriff der Offensichtlichkeit in der Auslegung durch das Bundesverwaltungsgericht (BVerfGE 65, 76 <95 f.>) vorangestellt und sich an die Bestimmung des § 30 Abs. 1 AsylG angelehnt. Eine inhaltliche Auseinandersetzung des Verwaltungsgerichts mit dem konkreten Fall im Hinblick auf diese Maßstäbe erfolgt aber nicht. Das Gericht behauptet lediglich wiederkehrend, dass keine ernstlichen Zweifel an der qualifizierten Ablehnung der Anträge des Beschwerdeführers bestünden. Wegen der Begründung nimmt es ausschließlich Bezug auf die Ausführungen im angegriffenen Bescheid des Bundesamts. Auf diese Begründung des Bescheids konnte sich das Verwaltungsgericht für eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügende Darlegung seines eigenen Offensichtlichkeitsurteils jedoch nicht beziehen. Die im Bescheid gegebene Begründung für die qualifizierte Form der Ablehnung des Asylantrags erschöpfte sich nämlich in einer Wiedergabe des Wortlauts von § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG. Die Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers beschränkte sich im angegriffenen Bescheid des Bundesamts auf die Feststellung, dass dieses Vorbringen offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche. Die Darstellungen des Beschwerdeführers überzeugten bereits im Kernbereich nicht und widersprächen den Angaben in seinem Visumsantrag. Nicht erläutert wurde hingegen, aus welchem Grunde das Bundesamt zu dieser Bewertung kam, obwohl der Beschwerdeführer umgehend und wiederholt im Rahmen der Anhörung mitgeteilt hatte, dass die Visumsunterlagen durch einen Schlepper besorgt worden und die Angaben darin, insbesondere, dass er Forscher sei, nicht richtig seien. Warum das Verwaltungsgericht angesichts dieses durch den Beschwerdeführer im Eilverfahren erneut geltend gemachten Umstands gleichwohl annahm, an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts könne ein vernünftiger Zweifel so wenig bestehen, dass sich die Unbegründetheit des Asylbegehrens geradezu aufdränge, erschließt sich nicht. [...]