VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 09.01.2019 - 10 CE 19.67 - Asylmagazin 3/2019, S. 68 f. - asyl.net: M26958
https://www.asyl.net/rsdb/M26958
Leitsatz:

Aufnahmebedingungen für internationale Schutzberechtigte in Italien verstoßen nicht gegen Menschenrechte:

Keine Anordnung der aufschiebende Wirkung der Klage einer schwangeren Frau (die sich zum Zeitpunkt der Entscheidung seit mehr als 3 Monaten in Überstellungshaft befindet) gegen die Abschiebungsanordnung zur Überstellung nach Italien, da auch in Italien schwangere Frauen als besonders schutzbedürftig angesehen und behandelt werden. Eine Verletzung von Art. 3 EMRK oder Art 4 GRCh ist daher nicht zu befürchten.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Italien, Schwangerschaft, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Europäische Menschenrechtskonvention, Aufnahmebedingungen, internationaler Schutz in EU-Staat, ausländische Anerkennung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 5, EMRK Art. 3, GR-Charta Art. 4,
Auszüge:

[...]

17 Unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls reicht das Vorbringen der Antragstellerin im erstinstanzlichen, aber insbesondere auch im Beschwerdeverfahren gleichwohl nicht aus, um bei ihr als zurückkehrende Schutzberechtigte im Hinblick auf die humanitären Verhältnisse in Italien eine so gravierende Situation bzw. Lage annehmen zu können, die ein Abschiebungsverbot nach den genannten Bestimmungen (Art. 3 EMRK) begründen würde. Der Verweis der Antragstellerin auf die Rechtsprechung des EGMR (U.v. 4.11.2014 - 29217/12, Tarakhel - BeckRS 2014, 22111) und die hier entsprechend anwendbaren Grundsätze dieser Entscheidung sowie auf verschiedene erstinstanzliche Entscheidungen genügt der Darlegungs- und Glaubhaftmachungspflicht nicht. Der von ihr behauptete individuelle Schutzanspruch als schwangere Ausländerin auf Zusage einer konkreten Unterkunft in Italien lässt sich daraus nicht herleiten. Zum einen betreffen die angeführten Entscheidungen in ganz überwiegender Anzahl die tatsächliche Situation (Aufnahmebedingungen in Italien) im Zeitpunkt der Entscheidung des EGMR (2014) und die konkrete Situation von Familien mit minderjährigen (Klein-) Kindern. Zum anderen hat die Bundespolizeidirektion München in ihrer im Beschwerdeverfahren abgegebenen Stellungnahme zutreffend auf die (auch) von Italien anerkannte besondere Schutzpflicht für die spezielle Situation von schutzbedürftigen Personen (Art. 20 Abs. 3 Qualifikationsrichtlinie) und damit auch für Schwangere gemäß dem Dekret DL 142/2015 verwiesen. Daraus ergeben sich nämlich konkrete spezielle Vorgehensweisen der italienischen Behörden nicht nur bei der Unterbringung von (anerkannt) vulnerablen Personen, die bei der im Eilverfahren möglichen Beurteilung durch den Senat der Schutzbedürftigkeit der Antragstellerin hinreichend Rechnung tragen (vgl. dazu auch Länderinformation Italien des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Stand Mai 2017, S. 3 f.; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Italien, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Republik Österreich, Stand 27.9.2018, S. 11 ff.; NdsOVG, U.v. 6.4.2018 - 10 LB 109/18 - BeckRS 2018, 6416: keine systemischen Mängel der Aufnahmebedingungen für in Italien bereits anerkannte Schutzberechtigte). Die Antragstellerin hat abgesehen von den oben angeführten Rechtsprechungsverweisen nichts Konkretes dafür dargetan oder gar glaubhaft gemacht, dass ihr trotz dieser verfahrensmäßigen Sicherungsmaßnahmen in Italien eine Situation droht, in der sie ihren existenziellen Lebensunterhalt nicht sichern, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten kann und sie damit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK und Art. 4 GRCh ausgesetzt wird. Der pauschale Hinweis auf das "rücksichtslose Vorgehen des rechtsradikalen Innenministers Salvini gegenüber Ausländern" und das gerade im Parlament verabschiedeten Immigrationsgesetz genügt dem Darlegungsgebot jedenfalls nicht. [...]