VG Stuttgart

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Zitieren als:
VG Stuttgart, Beschluss vom 18.07.2018 - A 6 K 4361/18 - asyl.net: M26804
https://www.asyl.net/rsdb/M26804
Leitsatz:

Entscheidung über Asylantrag bei Wiedereinreise nach Dublin-Überstellung erforderlich:

Wenn bei Wiedereinreise nach Dublin-Überstellung erneut Asyl beantragt wurde, ist eine Abschiebungsanordnung gem. § 34a AsylG nur dann rechtlich zulässig, wenn über diesen weiteren Antrag eine Entscheidung ergangen ist. Dies gilt auch, wenn bezüglich des ersten Asylantrags in Deutschland noch ein Gerichtsverfahren anhängig ist.

(Leitsätze der Redaktion; unter Bezugnahme auf EuGH, Urteil vom 25.01.2018 - C-360/16 Deutschland gg. Hasan - Asylmagazin 4/2018, S. 133 ff. - asyl.net: M25901)

Schlagwörter: Dublinverfahren, Abschiebungsanordnung, Asylfolgeantrag, Wiedereinreise, Überstellung, anhängiges Gerichtsverfahren, Erstantrag, Gerichtsverfahren,
Normen: AsylG § 34a Abs. 2, AsylG § 34 Abs. 1 S. 3, AsylG § 29 Abs. 1 Nr. 1, VO 604/2013 Art. 3 Abs. 2, AsylG § 31 Abs. 1 S. 5, AsylG § 31 Abs. 3 S. 1,
Auszüge:

[...]

17 bb) Allerdings bestehen hier erhebliche Zweifel daran, ob die Abschiebung des Antragstellers durchgeführt werden kann. Hierfür ist erforderlich, dass die Abschiebung tatsächlich möglich und rechtlich zulässig ist (vgl. OVG Hamburg, B. v. 03.12.2010 - 4 Bs 223/10 -, juris; VG Hamburg, B. v. 23.05.2018 - 9 AE 997/18 -, juris; HTK-AusländerR, § 34a AsylG, Stand 07/2017, 5.). Problematisch ist im vorliegenden Fall, dass das Bundesamt lediglich die Abschiebung des Antragstellers nach Italien angeordnet und das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf dreißig Monate befristet hat, jedoch nicht über einen nach seiner Wiedereinreise gestellten Asylantrag und Abschiebungsverbote hinsichtlich Italien entschieden hat. [...]

19 Eine Abschiebungsanordnung gem. § 34a AsylG dürfte rechtlich nur zulässig sein, wenn über einen zuvor gestellten Antrag auf internationalen Schutz auch entschieden wurde. Im Falle der Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats für die Durchführung des Asylverfahrens ist der Antrag auf internationalen Schutz gem. § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG als unzulässig abzulehnen. [...] Zwar nennt § 34a Abs. 1 AsylG nicht explizit als Voraussetzung für den Erlass einer Abschiebungsanordnung, dass ein zuvor gestellter Asylantrag als unzulässig abgelehnt werden muss. Jedoch regelt § 31 Abs. 1 Satz 5 AsylG, dass dem Ausländer die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Asylantrags mit der Abschiebungsanordnung zuzustellen ist. Hinzu kommt, dass im Falle der Ablehnung eines Asylantrags als unzulässig, das Bundesamt gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG auch ausdrücklich festzustellen hat, ob nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen. Eine derartige Feststellungsentscheidung ist hier ebenfalls unterblieben.

20 cc) Eine Entscheidung über den nach seiner Wiedereinreise gestellten Asylantrag des Antragstellers dürfte hier auch nicht ausgeschlossen gewesen sein, weil bezüglich seines ersten, vor seiner Überstellung nach Italien gestellten Asylantrags in der Bundesrepublik Deutschland noch ein Gerichtsverfahren anhängig ist.

21 Weder in der Dublin III-VO, in der Asylverfahrensrichtlinie noch im AsylG findet sich eine Regelung, die die Stellung eines erneuten Asylantrags ausschließt, wenn bzgl. eines ersten Asylantrags noch keine rechtskräftige Entscheidung ergangen ist. In diese Richtung tendiert auch der EuGH. In seinem Urteil vom 25.01.2018 (- C-360/16 -, juris) bringt er zum Ausdruck, dass er das Verwaltungsverfahren bezüglich eines Antrags auf internationalen Schutz bereits dann als abgeschlossen ansieht, wenn einem Rechtsbehelf gegen die Entscheidung über einen solchen Antrag keine aufschiebende Wirkung zukommt. Jedenfalls in dieser Konstellation dürfte daher die Stellung eines weiteren Asylantrags nicht ausgeschlossen sein. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu, da das Verwaltungsgericht Sigmaringen bereits über den Eilantrag des Antragstellers bezüglich seines ersten Asylantrags in Deutschland negativ entschieden hat.

22 Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es dem Bundesamt freisteht, während der Überstellungsfrist einen Bescheid zu erlassen, der neben der Abschiebungsanordnung nach Italien auch über den neuen Asylantrag des Antragstellers sowie über die Feststellung nationaler Abschiebungsverbote entscheidet. [...]