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Zitieren als:
Landesbehörden, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 07.09.2016 - 4-1310/182 - asyl.net: M26775
https://www.asyl.net/rsdb/M26775
Leitsatz:

Innenministerium Baden-Württemberg zur Wohnsitzregelung bei Schutzberechtigten gem. § 12a AufenthG:

1. In ganz Baden-Württemberg sind die gem. § 12a AufenthG für eine nachhaltige Integration maßgeblichen Kriterien (Möglichkeit des Spracherwerbs, Integrationsmöglichkeiten in den Arbeits- und Ausbildungsmarkt,  Wohnunterbringung außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung) erfüllt.

2. Die Behörden machen grundsätzlich von der Möglichkeit, Wohnsitzverpflichtungen nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG zu erteilen, Gebrauch. Die Verteilung richtet sich nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) und der Durchführungsverordnung (DVO FlüAG). 

3. Vor Erteilung einer Wohnsitzverpflichtung ist die betroffene Person grundsätzlich anzuhören; Ausnahmen können nur bei vorläufigen Verteilungsentscheidungen gemacht werden.

4. Von der Erteilung einer negativen Wohnsitzverpflichtung gem. § 12a Abs. 4 AufenthG soll kein Gebrauch gemacht werden. 

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Wohnsitzregelung, Wohnsitzauflage, Schutzberechtigte, Wohnsitzverpflichtung, Anhörung, Integration, Erlass, Anwendungshinweise, Aufnahmeeinrichtung, Unterbringung,
Normen: AufenthG § 12a, AufenthG § 12a Abs. 1, AsylG § 3, AsylG § 3 Abs. 1, AsylG § 4, AsylG § 4 Abs. 1, AufenthG § 22, AufenthG § 23, AufenthG § 25 Abs. 3, SGB II § 20, SGB II § 22, AufenthG § 12a Abs. 2, AufenthG § 12a Abs. 3, AufenthG § 12a Abs. 4,
Auszüge:

[...]

Die Regelung des § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG ermöglicht den Ländern, die gesetzliche Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Abs. 1 AufenthG weiter zu konkretisieren und eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme an einem bestimmten Ort innerhalb des Landes auszusprechen. Bereits während des Aufenthalts eingeleitete, erfolgversprechende Integrationsschritte sollen bewahrt werden. Die Wohnsitzverpflichtung darf der Förderung einer nachhaltigen Integration nicht entgegenstehen. Die Verpflichtung kann längstens für den Zeitraum von drei Jahren ab Anerkennung des zu integrierenden Ausländers oder Erteilung der Aufenthaltserlaubnis ausgesprochen werden. Sie hat innerhalb von sechs Monaten nach Anerkennung oder erstmaliger Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu erfolgen.

Gemäß § 12a AufenthG sind folgende Kriterien für eine nachhaltige Integration maßgeblich:

- Möglichkeit des Erwerbs der deutschen Sprache

- Integrationsmöglichkeiten in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt

- eine reguläre Wohnunterbringung außerhalb einer Aufnahmeeinrichtung oder einer anderen vorübergehenden Unterkunft

In Baden-Württemberg sind diese Kriterien grundsätzlich landesweit erfüllt.

Das Angebot an Sprach- und Integrationskursen weist landesweit keine regionalen Unterschiede auf.

Auch die Integrationsmöglichkeiten in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sind in Baden-Württemberg grundsätzlich landesweit gegeben. Im Land liegt eine hohe Arbeitsplatzdichte vor; die Arbeitslosenquote liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. [...]

Mit der Anordnung von Wohnsitzauflagen nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG nach einem festen Verteilschlüssel kann verhindert werden, dass Wohnraum, Sprachkurse, Integrationsmöglichkeiten in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt sowie weitere Integrationsangebote vor allem im ländlichen Raum ungenutzt bleiben und in anderen Räumen, vor allem in Ballungsgebieten, diese dagegen nicht ausreichen. Auch können dadurch Segregationsrisiken, insbesondere eine soziale und gesellschaftliche Ausgrenzung von der Aufnahmegesellschaft, von vorneherein minimiert werden.

Auf Grund dieser Erwägungen ist in Baden-Württemberg grundsätzlich von der Möglichkeit, Wohnsitzauflagen nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG zu erteilen, Gebrauch zu machen. Um eine gerechte Verteilung innerhalb des Landes zu erreichen und außerdem bereits während des Aufenthalts eingeleitete, erfolgversprechende Integrationsschritte zu bewahren, erfolgt die Anordnung von Wohnsitzauflagen nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG auf Grundlage der getroffenen Zuteilung bzw. der Zuteilungsquoten nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz (FlüAG) und der dazugehörigen Durchführungsverordnung (DVO FlüAG). Bei der Zuteilung ist außer den Kriterien für eine nachhaltige Integration (§ 12a Abs. 3 AufenthG), insbesondere auch der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten und ihren minderjährigen ledigen Kindern Rechnung zu tragen. [...]

Vor Erteilung einer Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 2 und 3 AufenthG ist der zu integrierende Ausländer anzuhören. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere § 12a Abs. 5 AufenthG (s.u. VIII.). Werden Gründe vorgetragen, die zu einer Aufhebung oder Änderung der Wohnsitzzuweisung nach § 12a Abs. 5 AufenthG führen können, sollen diese bei der Zuteilungsentscheidung einbezogen werden. Ggfs. soll eine erneute Abstimmung mit der Aufnahmebehörde erfolgen. [...]

Vor der Anordnung der vorläufigen Verpflichtung zur Wohnsitznahme in der LEA oder der vorläufigen Unterbringung nach VI.1.4 und VI.2.4 kann gemäß § 28 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 LVwVfG auf eine Anhörung verzichtet werden. Ohne eine sofortige Entscheidung besteht die Gefahr, dass durch eine anderweitige Wohnsitznahme Tatsachen geschaffen werden, die eine gleichmäßigen Verteilung auf die Kommunen im Land verhindern. Um Integrationshemmnissen entgegenzuwirken und die Integration zu fördern, ist eine gleichmäßige Verteilung auf die Kommunen im Land jedoch auch von einem hohen öffentlichen Interesse getragen. [...]

Zur Vermeidung von sozialer und gesellschaftlicher Ausgrenzung kann der zu integrierende Ausländer gemäß § 12a Abs. 4 AufenthG verpflichtet werden, seinen Wohnsitz nicht an einem bestimmten Ort zu nehmen. Um einer solchen Entwicklung vorzubeugen, erfolgt eine gleichmäßige Verteilung auf die Stadt- und Landkreise. So kann im Interesse einer gelingenden Integration bereits im Vorfeld der Bildung von integrationshemmenden ethnischen Schwerpunkten entgegengewirkt werden. Von der Erteilung von Wohnsitzauflagen nach § 12a Abs. 4 AufenthG soll in Baden-Württemberg daher abgesehen werden. [...]

Eine Anpassung bzw. Aufhebung der nach § 12a Abs. 1 bis 3 AufenthG erteilten Wohnsitzauflagen erfolgt nach Maßgabe von § 12a Abs. 5 AufenthG. [...]

Zu § 12a Abs. 5 Nr. 2:

Gründe für einen Härtefall können nach der Gesetzesbegründung insbesondere bei besonders schutzbedürftigen Gruppen vorliegen. Eine Verpflichtung zur Wohnsitznahme ist daher aufzuheben, sofern diese dem Wohl, der sozialen Entwicklung, Erwägungen der Sicherheit und der Gefahrenabwehr oder den besonderen Bedürfnissen des zu integrierenden Ausländers, insbesondere von Kindern und Jugendlichen, zuwiderläuft. Auch kann eine Härte bei Menschen mit Behinderungen aufgrund des besonderen Betreuungsbedarfs in Betracht kommen. Eine unzumutbare Beschränkung durch eine Wohnsitzauflage besteht beispielsweise auch dann, wenn die Zuteilung einen gewalttätigen oder gewaltbetroffenen Partner an den Wohnsitz des anderen Partners bindet, einer Schutzanordnung nach dem Gewaltschutzgesetz entgegensteht, oder sonstigen zum Schutz vor Gewalt erforderlichen Maßnahmen entgegensteht. [...]