Keine Ingewahrsamnahme, wenn Voraussetzungen für Haftanordnung nicht vorliegen:
Bestehen bereits im Zeitpunkt einer Ingewahrsamnahme nach § 62 Abs. 5 AufenthG begründete Zweifel an der vollziehbaren Ausreisepflicht i.S.d. § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AufenthG, die für eine spätere Haftanordnung erforderlich ist, so ist die Ingewahrsamnahme rechtswidrig.
(Leitsätze der Redaktion)
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Der Betroffene durfte durch die Ausländerbehörde seinerzeit nicht vorläufig in Gewahrsam genommen werden, weil bereits damals auch für die Ausländerbehörde ersichtlich war, dass sie vor Gericht einen zulässigen Haftantrag gemäß § 417 FamFG nicht würde stellen können.
Wie die Kammer in ihrem Beschluss vom 16.10.2017 (1 T 271/17) ausgeführt hat, fehlte es dem Haftantrag der Ausländerbehörde nämlich an hinreichenden Darlegungen zur Ausreisepflicht, weil sich weder der Gerichtsakte noch der beigezogenen Ausländerakte entnehmen ließ, aufgrund welcher Tatsachen die Ausländerbehörde von einer wirksamen Zustellung oder einer Zustellungsfiktion ausging. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die diesbezüglichen Ausführungen in dem genannten Gerichtsbeschluss vom 16.10.2017 verwiesen.
Bestanden aber somit schon nach Aktenlage durchgreifende Zweifel an einer ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom … 01.2017 an den Betroffenen, so konnte die Ausländerbehörde im Zeitpunkt von dessen Ingewahrsamnahme schlechterdings nicht von dem Vorliegen eines dringenden Verdachts für das Vorliegen der Voraussetzungen im Sinne von § 62 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AufenthG ausgehen.
Mit Beginn der gleichwohl erfolgten Ingewahrsamnahme des Betroffenen wurde dieser daher auch für den Zeitraum bis zur Anordnung der Abschiebungshaft durch das Amtsgericht Merseburg am 29.08.2017 in seinen Rechten verletzt, was gemäß § 62 Abs. 1 FamFG festzustellen war. [...]