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OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 07.09.2018 - 10 LA 343/18 - asyl.net: M26594
https://www.asyl.net/rsdb/M26594
Leitsatz:

Die Anforderungen an eine ärztliche Bescheinigung gemäß § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG sind auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen. Dies schließt die zusätzliche Heranziehung von Attesten von Psychotherapeuten oder Psychologen im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung nicht aus.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, ärztliches Attest, Sachverständigengutachten, Psychologe, Abschiebungshindernis, inlandsbezogenes Abschiebungshindernis,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7, AufenthG § 60a Abs. 2c S.2, AufenthG § 60a Abs. 2c S. 3,
Auszüge:

[...]

Zu Recht unterstellt die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage, dass die Anforderungen an ein ärztliches Attest gemäß § 60a Abs. 2c AufenthG auf die Substantiierung der Voraussetzungen eines krankheitsbedingten Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG zu übertragen sind (so auch die Rechtsprechung mehrerer Oberverwaltungsgerichte; vgl. insbesondere Bayerischer VGH, zuletzt Beschluss vom 26.04.2018 - 9 ZB 18.30178 -, juris Rn. 6 f.; siehe auch OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.09.2017 - 2 L 85/17 -, juris Leitsatz und Rn. 5 ff.; OVG Bremen, Beschluss vom 13.06.2018 - 2 LA 50/17 -, juris Leitsatz und Rn. 7). Die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage ist jedoch bereits deswegen nicht entscheidungserheblich, weil sich der Einzelrichter für seine Annahme, dass bei der Klägerin zu 2. eine posttraumatische Belastungsstörung, gepaart mit einer generalisierten Angststörung, vorliege, die einer dauerhaften und intensiven ärztlichen bzw. psychotherapeutischen Betreuung bedürfe und die im Fall einer Rückkehr in ihre Heimat unabhängig von möglichen Behandlungsmöglichkeiten psychischer Erkrankungen in Albanien wegen der Gefahr einer Retraumatisierung zu einer konkreten und erheblichen Gefahr für Leib und Leben der Klägerin führen werde, nicht allein auf die Psychotherapeutische Stellungnahme einer Psychologischen Psychotherapeutin vom 20. Juli 2018 (Bl. 117-122 GA) gestützt hat. Ausweislich der Urteilsgründe beruht die gerichtliche Überzeugung auf einer Auswertung sämtlicher in der Gerichtsakte enthaltenen ärztlichen Stellungnahmen, mithin auch auf der Nervenärztlichen Bescheinigung eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom ... 2016 (Bl. 52 GA), einem weiteren Nervenärztlichen Attest vom 30. Juni 2016 (Bl. 51 GA) und einer Nervenärztlichen Bescheinigung desselben Arztes vom ... 2018 (Bl. 108-109 GA) sowie den von diesem ausgestellten Medikationsplänen vom ... 2016 (Bl. 53 GA), ... 2017 (Bl. 86 GA), ... 2017 (Bl. 88 GA), ... 2017 (Bl. 92 GA), ... 2017 (Bl. 94 GA) und ... 2018 (Bl. 106 GA). Auf die Tragfähigkeit der von dem Einzelrichter aus den ärztlichen Stellungnahmen gezogenen Schlussfolgerungen kommt es vorliegend nicht an. Denn Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung zählen nicht zu den Gründen, aus denen die Berufung gemäß § 78 Abs. 3 AsylG zuzulassen ist.

11 Ungeachtet dessen ist nicht klärungsbedürftig eine Frage, deren Beantwortung sich ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (Senatsbeschlüsse vom 23.01.2018 - 10 LA 21/18 -, juris Rn. 32, und vom 13.01.2014 - 10 LA 48/12 -, juris Rn. 29, jeweils m.w.N.; Bergmann in Bergmann/Dienelt, a.a.O., Rn. 13; Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 24. Aufl. 2018, § 124 Rn. 10). Nach dem Wortlaut der Vorschrift fordert § 60a Abs. 2c Sätze 2 und 3 AufenthG zur Glaubhaftmachung einer Reiseunfähigkeit eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung. Das Attest einer Psychologischen Psychotherapeutin genügt hiernach ausdrücklich nicht (vgl. Bauer/Dollinger in Bergmann/Dienelt, a.a.O., § 60a AufenthG Rn. 45). Auch den Gesetzesmaterialien ist zu entnehmen, dass eine ärztliche Bescheinigung im Sinne von § 60a Abs. 2c AufenthG mit einer Bescheinigung eines approbierten Arztes gleichzusetzen ist (vgl. Sächsisches OVG, Beschluss vom 09.05.2018 - 3 B 319/17, juris Rn. 6 unter Verweis auf BT-Drs.18/7538, S. 19). Allerdings schließt § 60a Abs. 2c AufenthG eine zusätzliche Heranziehung von Attesten von Psychotherapeuten oder Psychologen im Rahmen der richterlichen Überzeugungsbildung auch nicht aus. [...]