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Zitieren als:
Landesbehörden, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 19.12.2017 - 34.2 - asyl.net: M26571
https://www.asyl.net/rsdb/M26571
Leitsatz:

Innenministerium Sachsen-Anhalt zur Ausbildungsduldung:

1. Die Duldung ist nach § 60a Abs. 2 S. 5 AufenthG zwingend für die gesamte Dauer der Ausbildung zu erteilen; sie kann nicht zunächst für einen kürzeren Zeitraum, etwa die Dauer einer Probezeit, erteilt werden.

2. Sind alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung erfüllt und liegt kein Ausschlussgrund vor, ist das Ermessen gem. § 4 Abs. 2 S. 3 AufenthG hinsichtlich der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis weitgehend reduziert, allerdings nicht auf Null.

3. Eine Ausbildungsduldung kann nur bei zeitlicher Nähe des Ausbildungsbeginns erteilt werden. Dies ist der Fall, wenn die tatsächliche Aufnahme der Berufsausbildung innerhalb weniger Wochen erfolgen wird, jedoch nicht bei einem Zeitraum von sechs Monaten oder mehr.

4. Zur Überbrückung der Wartezeit bis zum tatsächlichen Ausbildungsbeginn kann im Einzelfall eine Ermessensduldung gem. § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG erteilt werden, sofern bereits eine Eintragung bzw. ein "Geprüft-Stempel" vorliegen. Alternativ kann ein mehrstufiges "Zug-um-Zug-Verfahren" vereinbart werden.

5. Für ausbildungsvorbereitende Maßnahmen kommt keine Ausbildungsduldung, sondern nur eine Ermessensduldung in Betracht. Zudem ist eine Beschäftigungserlaubnis nötig, die bei mehreren Praktika bei verschiedenen Ausbildungsstellen ("Kettenpraktika") jedoch auch in einem Bescheid erteilt werden kann.

6. Ob ein Ausschlussgrund gem. § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 2 AufenthG wegen der Verletzung von Mitwirkungspflichten vorliegt, kann nur einzelfallbezogen beurteilt werden. Die Ausländerbehörde hat so früh wie möglich über die Mitwirkungspflichten zu belehren.

7. Eine konkrete Vorbereitung der Abschiebung i.S.d. § 60a Abs. 2 S. 4 AufenthG liegt nicht bereits dann vor, wenn die Duldung mit einer kurzen Befristung oder einer auflösenden Bedingung versehen ist. Zwar können konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung, die erst nach Beantragung einer Ausbildungsduldung eingeleitet worden sind grundsätzlich der Erteilung der Duldung nicht entgegenstehen; dies gilt jedoch nicht wenn der Antrag bereits zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem noch nicht alle Erteilungsvoraussetzungen vorliegen.

8. Im Anschluss an die Berufsausbildung kann ggf. eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG erteilt werden, sofern auch die allgemeinen Voraussetzungen nach § 5 AufenthG erfüllt sind. Davon ausgenommen ist nach § 18a Abs. 3 AufenthG nur die Visumspflicht. Daher muss spätestens bei Erteilung des Aufenthaltstitels sowohl die Identität geklärt als auch die Passpflicht erfüllt sein.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Erlass, Ermessen, Duldung, Mitwirkungspflicht, Befristung, Visumspflicht, Ermessensreduzierung auf Null, Arbeitserlaubnis, Asylverfahren, aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Ausbildungsförderung, Sachsen-Anhalt,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S. 4, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 5, AufenthG § 4 Abs. 2 S. 3, AufenthG § 61 Abs. 2, BeschV § 32, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 3, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 6, VwVfG § 38, AufenthG § 18a, AufenthG § 5, AufenthG § 48 Abs. 3 S. 1, AufenthG § 49 Abs. 2,
Auszüge:

[…]

Die nochmals als Anlage beigefügten AH-BMI werden daher mit Blick auf den Vollzug der Ausbildungsduldung im Land Sachsen-Anhalt für verbindlich erklärt und sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass außerdem die folgenden ergänzenden bzw. klarstellenden Hinweise beachtet werden:

1. Geltungsdauer der Ausbildungsduldung

Die Neufassung des § 60a Abs. 2 Satz 4 ff. AufenthG dient dazu, Geduldeten und ausbildenden Betrieben mehr Rechtssicherheit zu verschaffen. Deshalb ist die Ausbildungsduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 5 AufenthG zwingend für die gesamte im Ausbildungsvertrag bestimmte Dauer einer - entsprechend den gesetzlichen Vorgaben aufgenommenen oder noch aufzunehmenden - qualifizierten Berufsausbildung zu erteilen. Maßgeblich ist der im Berufsausbildungsvertrag genannte Zeitraum. Daher kann die Duldung nicht zunächst für einen kürzeren Zeitraum, etwa die Dauer einer Probezeit, erteilt werden. […]

Ausländer, die keine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung besitzen, benötigen für die Ausübung einer Beschäftigung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG eine Beschäftigungserlaubnis. […] Sind alle Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausbildungsduldung erfüllt und liegt ein Ausschlussgrund nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vor, ist das Erteilungsermessen, wie in Teil IV Nr. 2 der AH BMI näher ausgeführt, wegen des gesetzgeberischen Ziels der Schaffung von Rechtssicherheit weitgehend reduziert, allerdings nicht auf Null. […]

Wurde eine Berufsausbildung bereits während eines Asylverfahrens rechtmäßig aufgenommen, so erlischt eine hierfür auf der Grundlage von § 61 Abs. 2 AsylG erteilte Beschäftigungserlaubnis bei Ablehnung des Asylantrages zeitgleich mit der Aufenthaltsgestattung. Für die Fortsetzung der Ausbildung im Duldungsstatus bedarf es daher einer Anschlusserlaubnis nach § 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG i.V.m. § 32 Abs. 1 und 2 Nr. 2 BeschV über die zusammen mit dem Antrag auf Erteilung einer Ausbildungsduldung zu entscheiden ist. Die Erteilung ist ausgeschlossen, wenn ein Beschäftigungsverbot nach § 60a Abs. 6 AufenthG besteht. […] Liegt ein Versagungsgrund nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vor, wird das behördliche Ermessen hinsichtlich der erneuten Erteilung der Beschäftigungserlaubnis regelmäßig auf Null reduziert sein. […]
 
Zur Beschleunigung des Verfahrens sollten dem Antrag möglichst bereits sämtliche für den Nachweis des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen erforderlichen Unterlagen beigefügt sein. Einzelne Nachweise, insbesondere über die Prüfung des Ausbildungsvertrages durch die zuständige Stelle, können ggf. nachgereicht werden.

Der Antrag kann erst dann positiv beschieden werden, wenn sämtliche Erteilungsvoraussetzungen nachweislich vorliegen. Dies gilt auch für das Tatbestandsmerkmal "Aufnahme der Berufsausbildung", welches nur erfüllt ist, wenn zumindest eine zeitliche Nähe zum tatsächlichen Ausbildungsbeginn besteht (AH BMI Teil IV Nr. 3). Die zeitliche Nähe des Antrags auf Erteilung der Ausbildungsduldung zum tatsächlichen Ausbildungsbeginn kann in der Regel angenommen werden, wenn die tatsächliche Aufnahme der Berufsausbildung in wenigen Wochen erfolgen wird und ist jedenfalls dann nicht mehr gegeben, wenn die tatsächliche Aufnahme der Berufsausbildung erst in sechs Monaten oder noch später erfolgen wird.

Zur Überbrückung einer eventuellen Wartezeit zwischen der Anbahnung des Ausbildungsvertrages und dem tatsächlichen Ausbildungsbeginn kann, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, zunächst eine sog. Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG in Betracht kommen. Dies gilt jedoch von vornherein nur, wenn zumindest die in Teil IV Nr. 3 Absatz 2 der AH BMI genannten Voraussetzungen bereits vorliegen. Deshalb muss etwa schon durch eine Eintragung in das Verzeichnis der Berufsausbildungsverhältnisse bzw. einen "Geprüft-Stempel" der Nachweis erbracht sein, dass der Ausbildungsvertrag von der zuständigen Stelle geprüft wurde.

Insbesondere wenn eine Ermessensduldung bei betrieblichen Berufsausbildungen mangels Vorliegens dieser Voraussetzungen nicht In Betracht kommt, kann, vornehmlich in den in Teil IV Nr. 3 Absatz 3 der AH BMI beschriebenen Fallkonstellationen, alternativ im Einzelfall ein mehrstufiges "Zug-um-Zug-Verfahren" vereinbart werden, das wie folgt abläuft:

1. Der Ausbildungsbetrieb gibt gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde eine schriftliche Erklärung ab, dass er einen vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländer ausbilden will und übersendet gleichzeitig den prüffähigen Entwurf des Ausbildungsvertrages.

2. Die Ausländerbehörde prüft, ob es sich um eine qualifizierte Ausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbaren Beruf handelt und die sonstigen Voraussetzungen nach § 60a Abs. 2 Satz 4 und 6 AufenthG vorliegen. Bei positivem Prüfergebnis erteilt sie dem Ausbildungsbetrieb eine schriftliche Zusicherung (§ 38 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA), dass sie eine Ausbildungsduldung und eine Beschäftigungserlaubnis erteilen wird, sobald die noch ausstehenden Erteilungsvoraussetzungen tatsächlich realisiert sind, sofern sich der entscheidungserhebliche Sachverhalt bis zu diesem Zeitpunkt nicht zu Ungunsten des Antragstellers verändert hat (z.B. wegen Begehung einer Straftat i.S.v. § 60a Abs. 2 Satz 6 AufenthG).

3. Der Antragsteller (oder Ausbildungsbetrieb) legt der Ausländerbehörde die noch fehlenden Nachweise vor (z. B. unterzeichneter Ausbildungsvertrag im Original mit "Geprüft-Stempel" bzw. mit Bestätigung der Eintragung in das Verzeichnis der Ausbildungsverhältnisse).

4. Tatsächliche Erteilung von Ausbildungsduldung und Beschäftigungserlaubnis.

Eine auf die Berufsausbildung vorbereitende Maßnahme, wie z.B. eine Einstiegsqualifizierung, ist selbst keine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf im Sinne von § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG. Für sie kann daher keine Ausbildungsduldung erteilt werden (AH BMI Teil IV Nr. 1 letzter Absatz). In begründeten Einzelfällen kann unter den in Teil IV Nr. 3 Absatz 2 der AH BMI genannten Voraussetzungen für die Durchführung einer berufsvorbereitenden Maßnahme allerdings eine Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG erteilt werden.[…]

Auch für die Teilnahme an berufsausbildungsvorbereitenden Maßnahmen wird eine Beschäftigungserlaubnis benötigt. Umfasst eine berufsvorbereitende Maßnahme mehrere betriebliche Praktika, die zeitlich aufeinanderfolgen und im sachlichen Zusammenhang mit der angestrebten Berufsausbildung stehen ("Kettenpraktika"), kann die Erlaubnis zur Teilnahme an diesen Praktika auch dann ggf. mit nur einem Antrag beantragt und in nur einem Bescheid erteilt werden, wenn die Praktika in verschiedenen Ausbildungsstätten durchgeführt werden. […]

Die Erteilung einer Ausbildungsduldung ist nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG von vornherein ausgeschlossen, wenn ein Ausschlussgrund nach § 60a Abs. 6 AufenthG vorliegt. Besondere Praxisrelevanz hat der von § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG erfasste Ausschlussgrund der Verletzung von Mitwirkungspflichten, die von dem Ausländer zu vertreten ist und dazu führt, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können.

Entsprechende Mitwirkungspflichten sind etwa in §§ 48 Abs. 3 Satz 1 und 49 Abs. 2 AufenthG geregelt. Eine Einschätzung, ob eine ausreichende Mitwirkung erfolgte, kann letztlich nur einzelfallbezogen getroffen werden. Die konkrete Ausgestaltung der Mitwirkungspflichten hängt auch von der Verfahrenspraxis des jeweiligen Herkunftsstaates ab. […]

Der Ausländer hat nur solche Abschiebungshindernisse im Sinne des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG zu vertreten, die ihm bekannt sind. Daher sollte die Ausländerbehörde den Ausländer so früh wie möglich aktenkundig über bestehende Mitwirkungspflichten belehren und zu ihrer Erfüllung auffordern. Ein allgemeiner Hinweis auf die Passpflicht nach § 3 AufenthG oder auch ein Verweis auf eine frühere Belehrung über Mitwirkungspflichten nach § 15 AsylG reicht insoweit nicht aus. Vielmehr sollte die Ausländerbehörde die Mitwirkungspflichten möglichst konkret benennen und auf ihr bekannte Erfüllungsmöglichkeiten (etwa im Hinblick auf die Beschaffung der erforderlichen Heimreisedokumente) hinweisen.

Die Verletzung einer Mitwirkungspflicht wirkt außerdem nur dann als Ausschlussgrund, wenn sie für die Unmöglichkeit von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen ursächlich ist. Könnten aufenthaltsbeendende Maßnahmen derzeit auch dann nicht vollzogen werden, wenn der Ausländer seine Mitwirkungspflichten vollumfänglich erfüllt hätte (z. B. weil das Herkunftsland aus von dem Ausländer nicht zu vertretenden Gründen eine Rücknahme verweigert) begründet der Pflichtverstoß keinen Ausschlussgrund. [...]

Eine konkrete Vorbereitung der Abschiebung im Sinne des § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG liegt vor diesem Hintergrund jedenfalls dann vor, wenn die Abschiebung bereits terminiert worden ist oder schon ein Verfahren zur Dublin-Überstellung eingeleitet wurde und typischerweise auch dann, wenn bereits die Ausstellung eines Pass(ersatz-)papieres beantragt worden ist (vgl. AH BMI Teil IV Nr. 4). Gleiches gilt z.B. für die Buchung des Ausländers auf einen bestimmten Flug, mit dem die Abschiebung erfolgen soll oder die Erteilung des Vollzugsauftrags gegenüber der Polizei. Allein nicht ausreichend wird es hingegen meist sein, die Duldung mit einer nur kurzen Befristung oder mit einer auflösenden Bedingung zu versehen, da einer solchen Maßnahme in der Regel der erforderliche zeitliche Bezug zur Aufenthaltsbeendigung fehlen wird, jedenfalls soweit nicht zugleich weitere konkrete Maßnahmen ins Werk gesetzt werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1991/16 -, juris).

Die konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung müssen grundsätzlich bereits im Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Erteilung einer Ausbildungsduldung eingeleitet worden sein oder vorliegen, um als Ausschlussgrund zu wirken. Sofern die Ausländerbehörde erst nach einem solchen Antrag konkrete Abschiebungsmaßnahmen einleitet, stehen diese der Erteilung der Duldung grundsätzlich nicht entgegen. Dies gilt jedoch nicht, wenn der Antrag bereits zu einem Zeitpunkt gestellt wird, zu dem noch nicht alle Erteilungsvoraussetzungen vorliegen. Ansonsten hätte es der Ausländer in der Hand, die Ausländerbehörde durch eine verfrühte Antragstellung daran zu hindern, mit konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung zu beginnen. [...]

Der erfolgreiche Abschluss der Berufsausbildung eröffnet ggf. den Weg in eine Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung nach § 18a AufenthG. Hierfür müssen neben den speziellen Voraussetzungen nach § 18a Abs. 1 Nr. 2 bis 7 AufenthG (z. B. ausreichende Sprachkenntnisse) auch die allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 5 AufenthG erfüllt sein. Hiervon ausgenommen ist nach § 18a Abs. 3 AufenthG lediglich die Visumspflicht nach § 5 Abs. 2 AufenthG. Vor diesem Hintergrund muss spätestens zum Zeitpunkt der Erteilung des Aufenthaltstitels sowohl die Identität geklärt (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 a AufenthG) als auch die Passpflicht (§ 5 Abs. Nr. 4 AufenthG) erfüllt sein. […]