VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 13.07.2018 - 24 L 243.18 - asyl.net: M26506
https://www.asyl.net/rsdb/M26506
Leitsatz:

Keine Pflicht zum "Vaterschaftstest" bei schützenswerter sozialer Vaterschaft:

1. Bei einer glaubhaft dargelegten sozialen Vaterschaft darf die Behörde die Betroffenen nicht auf die Einholung eines Abstammungsgutachtens verweisen. Ob ein sogenannter Vaterschaftstest eingeholt wird, steht den Betroffenen in diesem Fall frei.

2. Für die Dauer des Verfahrens zur Feststellung einer missbräuchlichen Vaterschaft nach § 85a AufenthG ist nach § 60a Abs. 2 S. 13 AufenthG der betroffenen ausreisepflichtigen Person eine Duldung zu erteilen.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Vaterschaftsanerkennung, Vaterschaft, Vaterschaftstest, Abstammungsgutachten, soziale Vaterschaft, vorläufiger Rechtsschutz, Glaubhaftmachung, freiwillig, Rechtsmissbrauch, missbräuchliche Vaterschaftsanerkennung, Duldung,
Normen: AufenthG § 84 Abs. 1 Nr. 9, AufenthG § 85a Abs. 1, AufenthG § 85a, BGB § 1597a Abs. 1, AufenthG § 85a Abs. 2 S. 1, VwGO § 123 Abs. 1 S. 2, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 13,
Auszüge:

[...]

Im vorliegenden Einzelfall überwiegt das private Aussetzungsinteresse des Antragstellers das durch § 84 Abs. 1 Nr. 9 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) gesetzlich generell vorgegebene öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides vom 17. April 2018 (Prüfung einer missbräuchlichen Vaterschaftsanerkennung gemäß § 85a AufenthG). [...]

Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen gemäß § 85a Abs. 2 Satz 1 AufenthG eine missbräuchliche Anerkennung der Vaterschaft regelmäßig vermutet wird. Vielmehr hat der Antragsteller im vorliegenden Eilverfahren glaubhaft gemacht, sozial-familiäre Beziehungen zu … und darüber hinaus auch zu deren Mutter zu pflegen. [...] Vor diesem Hintergrund erscheint die Begründung des Antragstellers, ..., die im Übrigen offenbar auch einen nigerianischen Vornamen trägt, liege ihm am Herzen und er wolle sich in Zukunft um diese kümmern, als glaubhaft. Allein der Umstand, dass der Antragsteller vor Erlass des angegriffenen Bescheides nicht alles ihm Mögliche zur Sachverhaltsaufklärung beigetragen hat, rechtfertigt durchgreifende Zweifel an dem Bestehen sozial-familiärer Bindungen ebenso wenig wie der Umstand, dass in einem Vermerk des Jugendamtes festgehalten ist, der Erwerb der deutschen Sprache durch den Antragsteller stehe nach dessen Angaben in einem nicht näher erläuterten Zusammenhang mit einer Berufstätigkeit in Spanien. Die Aufklärung etwa verbleibender Zweifel muss nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens gegebenenfalls einem noch anhängig zu machenden Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben. Es steht dem Antragsteller frei, ob er der Anregung des Antragsgegners im Eilverfahren folgen und im Interesse einer Beschleunigung des Verfahrens einen freiwilligen Vaterschaftstest vorlegen oder davon absehen möchte. [...]

Der Anordnungsanspruch folgt ausgehend von den vorstehenden Erwägungen zum Antrag zu.1 unmittelbar aus § 60a Abs. 2 Satz 13 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wird - soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a AufenthG wie vorliegend ausgesetzt wird - die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a AufenthG nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift, die der Ausländerbehörde keinen Ermessensspielraum einräumt, liegen vor, da der streitgegenständliche Bescheid vom 17. April 2018 aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit dem vorliegenden Beschluss nicht (mehr) vollziehbar im Sinne dieser Vorschrift ist. [...]