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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 13.09.2017 - C-570/15 - asyl.net: M26462
https://www.asyl.net/rsdb/M26462
Leitsatz:

Eine Person, die bei einem Arbeitgeber in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnsitz beschäftigt ist und einen geringen Teil der Arbeitszeit ohne vorherige Vereinbarung in dem Mitgliedstaat leistet, in dem sie ihren Wohnsitz hat, gilt nicht als in zwei Mitgliedstaaten abhängig beschäftigt.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Wanderarbeitnehmer, abhängige Beschäftigung in zwei Mitgliedstaaten, Systeme der sozialen Sicherheit, soziale Sicherheit,
Normen: VO 1408/71 Art. 14 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

21 Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Person als gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten abhängig beschäftigt anzusehen ist oder ob es sich vielmehr um Tätigkeiten handelt, die nur punktuell auf das Gebiet mehrerer Mitgliedstaaten verteilt sind, ist insbesondere auf die Dauer der Beschäftigungszeiten und das Wesen der unselbständig verrichteten Arbeit, wie sie in den Vertragsunterlagen festgelegt sind, sowie gegebenenfalls die tatsächlich verrichtete Tätigkeit abzustellen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 1973, Hakenberg, 13/73, EU:C:1973:92, Rn. 20, und vom 4. Oktober 2012, Format Urządzenia i Montaże Przemysłowe, C-115/11, EU:C:2012:606, Rn. 44).

22 Für die Beurteilung des gewohnheitsmäßigen und nennenswerten Charakters der im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausgeübten Tätigkeit ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof in seinem Urteil vom 16. Februar 1995, Calle Grenzshop Andresen (C-425/93, EU:C:1995:37), entschieden hat, dass die Situation eines Arbeitnehmers, der in einem Mitgliedstaat wohnt und von einem Unternehmen mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat beschäftigt wird und der im Rahmen dieses Arbeitsverhältnisses einen Teil seiner Tätigkeit regelmäßig im Umfang von zehn Stunden pro Woche im Mitgliedstaat seines Wohnsitzes ausübt, unter Art. 14 Nr. 2 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71 fällt.

23 Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass eine Person, die eine selbständige Tätigkeit jeweils etwa zur Hälfte im Gebiet des Mitgliedstaats ihres Wohnsitzes und im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats ausübt, als eine Person anzusehen ist, die im Sinne von Art. 14a der Verordnung Nr. 1408/71 eine selbständige Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei Mitgliedstaaten ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Oktober 1993, Zinnecker, C-121/92, EU:C:1993:840, Rn. 15 bis 18).

24 Im vorliegenden Fall geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Arbeitsvertrag nicht vorsieht, dass X Leistungen im Gebiet des Mitgliedstaats seines Wohnsitzes erbringt. Ferner soll der Betroffene im fraglichen Jahr nur ungefähr 6,5 % seiner gesamten Arbeitszeit in diesem Mitgliedstaat geleistet haben, und zwar im Wesentlichen zu Hause.

25 Unter diesen Umständen kann nicht angenommen werden, dass eine Person wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende gewohnheitsmäßig eine nennenswerte Tätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaats ihres Wohnsitzes verrichtet. [...]

29 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 14 Nr. 2 Buchst. b Ziff. i der Verordnung Nr. 1408/71 dahin auszulegen ist, dass eine Person wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, die bei einem im Gebiet eines Mitgliedstaats ansässigen Arbeitgeber abhängig beschäftigt ist und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in dessen Gebiet sie im abgelaufenen Jahr einen Teil dieser abhängigen Beschäftigung im Umfang von 6,5 % ihrer Arbeitszeit ausgeübt hat, ohne dass dies zuvor mit ihrem Arbeitgeber vereinbart worden war, nicht als im Sinne dieser Vorschrift gewöhnlich im Gebiet von zwei Mitgliedstaaten abhängig beschäftigt anzusehen ist. [...]