Flüchtlingsanerkennung wegen exilpolitischer Tätigkeit eines jungen kurdischen Mannes aus dem Iran:
1. Die exilpolitische Betätigung in Form der Verbreitung prokurdischer und regimekritischer Inhalte über soziale Medien und insbesondere über eine prokurdische Plattform mit großer Reichweite begründet eine exponierte Tätigkeit und ist damit asylrechtlich relevant.
2. Ging das BAMF davon aus, dass das vorgetragen Verfolgungsschicksal unglaubhaft sei, so kann das auch daran liegen, dass der Betroffene in der Anhörung aufgefordert wurde, sich kurz zu fassen und deshalb seine Fluchtgründe nicht umfassend vorbrachte. Unvorsichtiges Verhalten im Herkunftsland spricht nicht gegen die Glaubwürdigkeit.
(Leitsätze der Redaktion)
[...]
Der Kläger hat einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen seiner in der Bundesrepublik Deutschland betriebenen exilpolitischen Tätigkeiten in Form der Teilnahme an Demonstrationen und - insbesondere - der Verbreitung regimekritischer Inhalte über soziale Netzwerke. [...]
Exilpolitischen Organisationen im Ausland sowie deren Aktivitäten werden durch den iranischen Sicherheitsdienst genauestens überwacht. Iraner, die im Ausland leben, sich dort öffentlich regimekritisch äußern und dann nach Iran zurückkehren, können von Repressionen bedroht sein (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Iran vom 8. Dezember 2016, Ziffer II. 1.10).
Eine exilpolitische Betätigung eines iranischen Staatsangehörigen ist aber (erst) dann asylrechtlich relevant, wenn sie in einem nach außen hin in exponierter Weise für eine regimefeindliche Organisation erfolgten Auftreten besteht. Welche Anforderungen dabei in tatsächlicher Hinsicht an eine exilpolitische Tätigkeit gestellt werden müssen, damit sie in diesem Sinne als exponiert anzusehen ist, lässt sich nicht allgemein beantworten. Maßgeblich ist, ob die Aktivitäten den jeweiligen Asylsuchenden aus der Masse der mit dem Regime in Teheran Unzufriedenen herausheben und als ernsthaften und gefährlichen Regimegegner erscheinen lassen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 16. Januar 2017 - 13 A 1793/16.A -, juris).
Zur Überzeugung des Gerichts liegen diese Voraussetzungen im Hinblick auf den Kläger, der auf das Gericht in seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung den Eindruck eines sehr politischen jungen Mannes machte, vor, sodass dahinstehen kann, ob der Kläger bereits aufgrund der durch ihn im Rahmen seiner Anhörung geschilderten Vorfälle im Falle seiner Rückkehr in den Iran mit einer Verfolgung zu rechnen hat.
Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen und durch Vorlage zahlreicher Ausdrucke belegt, dass er nicht nur unter dem eigenen Namen in sozialen Netzwerken - insbesondere Facebook und Twitter - prokurdische und regimekritische Inhalte veröffentlicht, die von einer Großzahl von Menschen und damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch von iranischen Behörden wahrgenommen werden. [...] Bemerkenswert ist dabei aus Sicht des Gerichts, dass der Kläger nicht nur über seinen eigenen Account unter seinem eigenen Namen die Inhalte veröffentlichte, sondern auch für die Plattform "Kurdistan li vire" unter Nennung seines Namens. [...] Die Inhalte werden von hunderttausenden Menschen im Internet wahrgenommen, was zur Überzeugung des Gerichts dazu führt, dass der Kläger durch seine exilpolitische Betätigung aus der Masse der Regimegegner heraussticht.
Das Gericht geht nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht davon aus, dass der Kläger sein exilpolitisches Engagement aus asyltaktischen Gründen betreibt. Denn aus Sicht des Gerichts ist dieses die folgerichtig erscheinende Fortsetzung des durch den Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung ergänzend geschilderten und glaubhaft dargestellten Fluchtschicksals. Der Kläger, der insoweit betonte, er sei im Rahmen der Anhörung vor dem Bundesamt aufgefordert worden, sich bei der Schilderung der fluchtauslösenden Vorfälle möglichst kurz zu fassen, konnte in seinem bisherigen Vortrag bestehende Widersprüche aus Sicht des Gerichts aufklären. [...]