VG Lüneburg

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Zitieren als:
VG Lüneburg, Beschluss vom 27.04.2018 - 3 B 10/18 - asyl.net: M26226
https://www.asyl.net/rsdb/M26226
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen Abschiebungsandrohung bei Ablehnung des Zweitantrags als unzulässig, da ein Abschiebungsverbot vorliegt:

1. Nach Rechtsprechung der Kammer laufen Familien mit Kindern in Afghanistan landesweit Gefahr, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu sein (unter Bezug auf VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 - asyl.net: M25869).

2. Daher bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung bei Ablehnung des Zweitantrags als unzulässig (nach erfolglosem Asylverfahren in Dänemark).

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Unzulässigkeit, Zweitantrag, Abschiebungsandrohung, Afghanistan, Abschiebungsverbot, extreme Gefahrenlage, Existenzgrundlage, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Existenzminimum, vorläufiger Rechtsschutz, Familie, Kind, Kinder,
Normen: AsylG § 36 Abs. 4, AsylG § 71a Abs. 4, AsylG § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, AufenthG § 60 Abs. 5, EMRK Art. 3,
Auszüge:

[…]

Nach der Rechtsprechung der Kammer liegen unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür vor, dass die Antragsteller als Familie mit zwei minderjährigen Kindern im Fall ihrer Abschiebung nach Afghanistan - unter Berücksichtigung des Kindeswohls und der humanitären Umstände in Afghanistan, insbesondere auch der schwierigen Erwerbsmöglichkeiten sowie der schwierigen Lage der Frauen - landesweit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Gefahr liefen, aufgrund der dortigen allgemeinen Lebensbedingungen einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu werden (Urt. v. 10.07.2017 - 3 A 1717/16 - juris; vgl. zuletzt Urt. v. 23.04.2018 - 3 A 3/17 -, n.v.).

Auch unter Berücksichtigung neuerer Erkenntnismittel bestehen zum Zeitpunkt der Entscheidung keine Anhaltspunkte dafür, dass sich für Familien mit minderjährigen Kindern die Verhältnisse in Afghanistan maßgeblich geändert haben und nunmehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre, dass diese in der Lage wären, sich in Afghanistan ein Leben wenigstens am Rande des Existenzminimums zu finanzieren (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 03.11.2017 - A 11 S 1704/17 -, juris). Besonders begünstigende Faktoren, die im Fall der Antragsteller eine andere Beurteilung rechtfertigen, liegen voraussichtlich nicht vor. Die Antragsteller zu 1. und 2. haben Afghanistan zwar erst vor ca. sieben Jahren verlassen, und die Mutter und der Bruder des Antragstellers zu 1. leben wieder in seinem Elternhaus in Helmand. Dort hatten die Antragsteller zu 1. und 2. nach der Eheschließung zunächst gewohnt, bevor sie in den letzten sieben Monaten vor der Ausreise aus Afghanistan ein Haus in Kandahar gemietet hatten. Der Antragsteller zu 1. hat auch vor der Ausreise als Schweißer und kurzfristig für eine amerikanische Firma als Arbeiter gearbeitet. Er müsste nunmehr im Fall der Rückkehr nach Afghanistan jedoch seine Ehefrau - die Antragstellerin zu 2. - und die beiden gemeinsamen Kinder ernähren und versorgen. Die Antragstellerin zu 2., die vor ihrer Ausreise aus Afghanistan für etwa vier oder fünf Monate einen Friseursalon betrieben hat, könnte - soweit sie überhaupt eine Beschäftigungsmöglichkeit erlangen würde - im Hinblick auf den erforderlichen Umfang der Kinderbetreuung nicht in nennenswertem Umfang zum Lebensunterhalt beitragen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Antragsteller über nennenswertes Vermögen verfügen, das sie zur Sicherung ihrer Existenz einsetzen könnten. Ebenfalls ist nicht ersichtlich, dass die Verwandten der Antragsteller, soweit sie noch in Afghanistan leben - die Eltern sowie der Bruder der Antragstellerin zu 2. haben Afghanistan verlassen - maßgeblich zur Unterstützung und Sicherung des Lebensunterhaltes der Antragsteller sowie des weiteren Kindes, dem Kläger in dem Parallelverfahren 3 A 144/18, beitragen könnten. [...]