VG Saarland

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Zitieren als:
VG Saarland, Urteil vom 18.04.2018 - 6 K 36/18 - asyl.net: M26215
https://www.asyl.net/rsdb/M26215
Leitsatz:

Ein Antrag auf Familienasyl ist unverzüglich zu stellen. "Unverzüglich" im Sinne des § 26 Abs. 3 Nr. 3 AsylG bedeutet innerhalb einer Zwei-Wochen-Frist.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Familienasyl, Familienflüchtlingsschutz, Einreise, Familiennachzug, Ehegattennachzug, Unverzüglichkeit,
Normen: AsylG § 26 Abs. 3 Nr. 3,
Auszüge:

[...]

Eine Antragstellung mehr als 13 Monate nach Einreise der Klägerin war nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 26 Abs. 3 Nr.3 AsylG.

Unverzüglich bedeutet - wie im Zivilrecht - "ohne schuldhaftes Zögern" (Göbel-Zimmermann/Eichhorn/Beichel-Benedetti AsylR Rn 295). Erforderlich ist nicht eine sofortige, aber eine alsbaldige Antragstellung. Dies setzt grundsätzlich eine Antragstellung binnen zweier Wochen voraus (BVerwG, Urteil vom 13.05.1997, 9 C 35.96, NVwZ 1997, 1137).

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeführt hat, die vorgenannte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts sei zum Falle eines in Deutschland geborenen Kindes eines bereits in Deutschland aufhältigen anerkannten Asylberechtigten ergangen, der bereits mit den Verhältnissen in der Bundesrepublik Deutschland vertraut gewesen sei und dem ein Mehr an Erkundigungen abverlangt werden konnte, weswegen die Entscheidung auf die vorliegende Fallgestaltung einer erstmaligen Einreise in das - unbekannte - aufnehmende Land nicht übertragen werden könne, folgt das Gericht dieser Ansicht nicht. Auch einem erstmals in ein neues Land einreisenden Erwachsenen ist es möglich und zumutbar, sich nach den für seinen Aufenthalt und einen asylrechtlichen Status geltenden Vorschriften zu erkundigen, zumal wenn die Einreise im Rahmen einer Familienzusammenführung zu dem im Rahmen eines förmlichen Verwaltungsverfahrens als Flüchtling anerkannten Ehemann erfolgt (für eine regelmäßige Anwendung der 2-Wochen-Frist in der hier zu entscheidenden Fallgestaltung auch Göbel-Zimmermann/Eichhorn/Beichel/Benedetti AsylR Rn 295; vgl. i.Ü. auch VG Hamburg, Urteil vom 05 02.2014, 8 A 1236/12 -, Rn. 27, juris, m.w.N.).

Entgegen de Ansicht der Klägerin kann sie sich auf schlichte Unkenntnis der Regelung des § 2 Abs. 3 AsylG nicht berufen. Anders als beispielsweise § 121 BGB, der eine Legaldefinition des Begriffes "unverzüglich" enthält, darüber hinaus als Anknüpfungspunkt aber ausdrücklich eine "Kenntnis" des Anfechtungsberechtigten (vom Anfechtungsgrund) vorsieht, stellt der eindeutige Wortlaut des § 26 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 AsylG nicht auf eine Kenntnis ab, sondern auf die Tatsache der Einreise als maßgeblichen Zeitpunkt, ab dem der Antrag unverzüglich zu stellen ist.

Die 2-Wochen-Frist genügt in der Regel auch, dem (Familien-) Asylbewerber zunächst zu ermöglichen, Kontakt zu dem Stammberechtigten in der Bundesrepublik Deutschland herzustellen. So wird dem lebensnahen Bedürfnis, zunächst die Familieneinheit wiederherzustellen und gegebenenfalls von dort auch Unterstützung im Umgang mit den Behörden zu erlangen, Genüge getan.

Wie lange das Zögern mit einer Antragstellung dauern darf, bevor es schuldhaft wird, hängt grundsätzlich von einer Würdigung der besonderen Verhältnisse im konkreten Fall ab. Insoweit muss die Möglichkeit, Rechtsrat einzuholen, auch tatsächlich gewährleistet sein.

Wird die 2-Wochen-Frist überschritten, müssen allerdings besondere Umstände dies rechtfertigen (BVerwG a.a.O.). [...]