VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Beschluss vom 23.01.2018 - 5 L 31/18 - asyl.net: M26148
https://www.asyl.net/rsdb/M26148
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen die Versagung der Beschäftigungserlaubnis für eine asylsuchende Person:

1. Das Ermessen der Ausländerbehörde bei Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis verdichtet sich bei Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen zu einem Anspruch.

2. Die Versagung kann wegen Art. 16a GG während des laufenden Asylverfahrens nicht auf die fehlende Mitwirkung an der Beschaffung von Passersatzpapieren gestützt werden.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Beschäftigungserlaubnis, Arbeitsgenehmigung, Entziehung, vorläufiger Rechtsschutz, Mitwirkungspflicht,
Normen: AsylG § 61 Abs. 2 Satz 1, AsylG § 55 Abs. 1, AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 6, GG Art. 16a Abs. 1, AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 4, AsylG § 15 Abs. 2 Nr. 7,
Auszüge:

[...]

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG sind hier erfüllt. Der Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet ist seit über drei Monaten i.S.v. § 55 Abs. 1 AsylG gestattet. Die Bundesagentur für Arbeit hat der Beschäftigung des Antragstellers als Pizzabäcker bei der Firma ... in ... am 7. April 2017 befristet bis zum 6. April 2020 zugestimmt.

Das der Behörde nach § 61 Abs. 2 Satz 1 AsylG eingeräumte Ermessen hat sich vorliegend aus den nachfolgenden Gründen in einen jedenfalls bis zum 30. Mai 2018 befristeten Anspruch verdichtet.

In Ausübung ihres Ermessens hat die Antragsgegnerin die Versagung der Beschäftigungserlaubnis allein darauf gestützt, dass der Antragsteller eine Mitwirkung bei der Beschaffung von Identitätspapieren verweigere. In der Begründung der schriftlichen Ordnungsverfügung vom 12. Januar 2018 erklärt sie, dass sie dem Antragsteller eine Beschäftigungserlaubnis erteilen werde, sobald er den Vordruck zur Beschaffung von Passersatzpapieren wie gefordert ausfüllt.

Die (erneute) Mitwirkung an der Beschaffung von Passersatzpapieren erscheint jedoch schon unnötig, da der Antragsteller ausweislich der Verwaltungsvorgänge im Januar 2016 bereits einen Vordruck der für die Beschaffung von bangladeschischen Passersatzpapieren zuständigen Zentralen Ausländerbehörde Bielefeld ausgefüllt und unterschrieben und zudem ein Formular "Application for Passport" der bangladeschischen Botschaft in Berlin ausgefüllt, unterschrieben und mit einem Fingerabdruck versehen hat. Laut eines von der Antragsgegnerin erstellten "Prüfbogen Antrag Arbeitserlaubnis" vom 5. Dezember 2017 lag für den Antragsteller ein vollständig ausgefüllter "PEP-Antrag" vor.

Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin in der Begründung der schriftlichen Ordnungsverfügung ausgeführt, dass der vom Antragsteller auszufüllende Passersatzpapiervordruck bis zum Abschluss des Asylverfahrens in der Ausländerakte verbleiben und nicht an die bangladeschische Auslandsvertretung weitergegeben werden soll. Vor diesem Hintergrund erschließt sich nicht, warum das Ausfüllen des Passersatzpapiervordrucks schon zum jetzigen Zeitpunkt erfolgen muss und nicht auch nach Abschluss des Asylverfahrens geschehen kann.

Die Versagung der Beschäftigungserlaubnis allein zur Erzwingung einer Mitwirkung bei der Beschaffung von Identitätspapieren ist im vorliegenden Fall zudem auch rechtswidrig. Den Antragsteller trifft gegenwärtig keine Pflicht zur Mitwirkung an der Beschaffung von Identitätspapieren nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG. Soweit eine Maßnahme der allgemeinen Ausländerbehörde in Rede steht, gebietet Art. 16a Abs. 1 GG eine einschränkende Auslegung des § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylG dahingehend, dass von einem Asylbewerber so lange nicht verlangt werden kann, zur Beschaffung eines Identitätspapiers mit einer Auslandsvertretung seines Heimatstaates in Kontakt zu treten, als seine Aufenthaltsgestattung nicht erloschen ist. Die im Einzelfall erforderliche Prüfung, ob die geltend gemachte Gefahr einer politischen Verfolgung es verbietet, den Asylbewerber zur Mitwirkung an der Beschaffung von Identitätspapieren bzw. zu diesem Zweck zur Kontaktaufnahme mit Behörden seines Heimatstaats zu verpflichten, hängt im Einzelfall von materiell-asylrechtlichen Fragen ab, zu deren Klärung das Bundesamt und in einem anschließenden gerichtlichen Verfahren die zuständigen Asylkammern berufen sind. Den allgemeinen Ausländerbehörden steht eine Beurteilung materiell-asylrechtlicher Fragen hingegen nicht zu (so auch: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 6. Oktober 1998 - A 9 S 956/98 -, juris Rn. 30 ff.; a.A. wohl VG Augsburg, Urteil vom 8. November 2017 - Au 6 K 17.346).

Scheidet die mangelnde Wirkung als Versagungsgrund im vorliegenden Fall aus, hat sich die im Ermessen stehende Beschäftigungserlaubnis in einen jedenfalls bis zum 30. Mai 2018 befristeten Anspruch verdichtet.

Soweit es nach einem internen Gesprächsvermerk der Antragsgegnerin Anhaltspunkte dafür geben könnte, dass der Antragsteller tatsächlich im Besitz eines bangladeschischen Passes ist, kann die Versagung der Beschäftigungserlaubnis darauf nicht gestützt werden. Die Ausländerbehörde hat rechtliche Möglichkeiten, nach Passpapieren zu suchen und die Vorlage eines Passes anzuordnen (§ 15 Abs. 2 Nr. 4 und 7 AsylG) und dies ggf. mit Maßnahmen des Verwaltungszwangs durchzusetzen. Die Versagung einer Beschäftigungserlaubnis zur Durchsetzung der Vorlage eines im Besitz des Ausländers vermuteten Reisepasses erscheint vor diesem Hintergrund ermessensfehlerhaft.

Es besteht auch ein Anordnungsgrund, da dem Antragsteller durch die Versagung der Beschäftigungserlaubnis der Verlust seiner Stelle als Pizzabäcker bei der Firma droht.

Soweit die hier getroffene vorläufige Regelung zur Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis bis zum 30. Mai 2018 die Hauptsache teilweise vorwegnimmt, ist dies insofern angemessen, als die Antragsgegnerin die Versagung der Beschäftigungserlaubnis allein auf die fehlende Mitwirkung an der Beschaffung von Passersatzpapieren gestützt hat und die Regelung zudem einen überschaubaren, von der Antragsgegnerin zunächst selbst angedachten und ursprünglich in der Aufenthaltsgestattung des Antragstellers auch vermerkten Zeitraum umfasst. [...]