VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 26.01.2018 - 11 K 541.17 - asyl.net: M26119
https://www.asyl.net/rsdb/M26119
Leitsatz:

Schulden, einschließlich für Abschiebungskosten, stehen der Erteilung einer Niederlassungserlaubnis nicht entgegen. Schulden bleiben bei der Berechnung der Lebensunterhaltssicherung außer Betracht.

(Leitsatz der Redaktion)

Schlagwörter: Niederlassungserlaubnis, Sicherung des Lebensunterhalts, Schulden, Abschiebungskosten,
Normen: AufenthG § 9 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, AufenthG § 2 Abs. 3 S. 1, SGB II § 11 b Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Entgegen der Ansicht des Beklagten darf die noch nicht vollständig bewirkte Erstattung der Abschiebekosten bei der Beurteilung der Lebensunterhaltssicherung nicht in Abzug gebracht werden. Denn in der Rechtsprechung ist geklärt, dass Schulden bei der Berechnung der Lebensunterhaltssicherung in Ansehung des enumerativen Katalogs des § 11 b Abs. 1 SGB II (vgl. Striebinger in: Gagel, SGB II/SGB III, Stand: März 2016, § 11 b Rn. 1) außer Betracht bleiben. Nach sozialgerichtlicher Rechtsprechung sind im Zeitpunkt der Erzielung des Einkommens offene Schulden nicht vom Einkommen abzusetzen (vgl. BSG, Urteil vom 30. September 2008 - B 4 AS 29/07 R -, Juris, Rn. 19). Einkommen ist nämlich nach sozialgerichtlicher Rechtsprechung zuvörderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen. Für ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gilt dieses selbst dann, wenn es sich dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. BSG, ebenda). Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folgt, dass diese erst dann eingreifen soll, wenn die Hilfebedürftigen ihnen zur Verfügung stehende Mittel verbraucht haben. Dem liegt die grundsätzliche Erwägung zugrunde, dass Leistungen nach dem SGB II nicht dazu bestimmt sind, es den Gläubigern von Leistungsberechtigten zu ermöglichen, dass ihre Forderungen bedient werden. Denn die Mittel, aus denen die Leistungen nach dem SGB II finanziert werden, stammen aus dem allgemeinen Steueraufkommen und sind allein dazu bestimmt, den laufenden Lebensunterhalt zu decken, nicht aber die Gläubiger von Hilfesuchenden besser zu stellen. Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber im Aufenthaltsgesetz andere Maßstäbe für die Sicherung des Lebensunterhaltes setzen wollte als im SGB II. Vielmehr handelt es sich bei den die Hilfebedürftigkeit regelnden Normen (§§ 9 ff. SGB II) insgesamt um ein geschlossenes, in sich stimmiges System, dessen Teilregelungen derart aufeinander abgestimmt sind, dass ein angemessener Ausgleich zwischen den öffentlichen Interessen und denen der Hilfe suchenden Betroffenen gewährleistet ist. Nach überwiegender Literaturmeinung bleiben Schulden deshalb im Ausländerrecht bei der Beurteilung der Frage der Lebensunterhaltssicherung ebenfalls außer Betracht (vgl. nunmehr auch Zeitler in HTKAuslR, Rn. 5, 6 zu § 2 AufenthG; Funke-Kaiser in GK-AufenthG, Stand Oktober 2015, Rn. 67 zu § 2 m.w.N.). Deshalb hat nach Auffassung des Gerichts die noch offene Forderung der Ausländerbehörde des Landkreises Saalekreis zur Erstattung der Abschiebekosten bei der Beurteilung der Lebensunterhaltssicherung unberücksichtigt zu bleiben, weshalb davon auszugehen ist, dass die Mittel des Klägers zur Lebensunterhaltssicherung ausreichen (so auch Urteil des VG Berlin vom 5. Juli 2016 - VG 19 K 47.16 -). [...]