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LG Osnabrück

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Zitieren als:
LG Osnabrück, Beschluss vom 21.02.2018 - 11 T 26/18 - asyl.net: M26045
https://www.asyl.net/rsdb/M26045
Leitsatz:

Unbegründeter "Sicherheitsaufschlag" bei Haftdauer unrechtmäßig:

1. Die Beantragung eines pauschalen "Sicherheitszuschlags" von 3 Tagen, zusätzlich zur begründeten Haftdauer, für den Fall des Scheiterns der Abschiebung, ist ohne weitere konkrete Angaben hierzu im Haftantrag nicht zulässig.

2. Konkrete Darlegungen sind auch trotz der kurzen weiteren Haftdauer erforderlich (unter Bezug auf BGH, Beschluss vom 11.05.2011 - V ZB 265/10 - asyl.net: M18597). Fehlen diese, ist die Haftanordnung rechtswidrig.

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Haftdauer, Rechtswidrigkeit, Haftantrag, Sicherheitsaufschlag, Sicherheitszuschlag, Begründungserfordernis,
Normen: FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4,
Auszüge:

[...]

Sowohl zum Zeitpunkt der angegriffenen Entscheidung als auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde fehlt es jedoch an einem zulässigen Haftantrag der beteiligten Behörde. Der aktenkundige Antrag der beteiligten Behörde vom 30.11.2017 genügt den Voraussetzungen des § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 4 FamFG im Hinblick auf die Erforderlichkeit der beantragten Haftdauer nicht und ist auch im Rahmen des Beschwerdeverfahrens nicht hinreichend präzisiert worden. [...]

Grundsätzlich sind der beteiligten Behörde im Hinblick auf die veranschlagte Haftdauer detaillierte Angaben (etwa zu statistischen Erfahrungswerten und den konkreten erforderlichen Arbeitsschritten) abzuverlangen, wobei sich diese Angaben auch im Falle eines bestehenden Rückübernahmeabkommens auf das konkret betroffene Zielland beziehen und über pauschale Behauptungen hinausgehen müssen […]. Zumindest muss daher dargelegt werden, wie nach dem Willen der beteiligten Behörde der Abschiebungsprozess konkret verlaufen soll, welche Einzelakte erforderlich sind und in welchem Zeitraum die einzelnen Schritte unter normalen Bedingungen durchlaufen werden können (vgl. BGH v. 10.10.2013, V ZB 67/13, juris Rn. 8; BGH v. 14.02.2012, V ZB 4/12, juris Rn. 3).

Genau an letztgenannter Aufgliederung fehlt es im vorliegenden Fall zumindest teilweise. Zwar hatte die Behörde mitgeteilt, dass noch eine Rückübernahmezusage eingeholt werden müsse, die aber erfahrungsgemäß innerhalb von 2 Wochen zu erwarten sei, dass anschließend ein EU-Laissez-Passer ausgestellt werden müsse und dass die Buchung eines Fluges in der 2. Januarwoche möglich sei, was zulässige Angaben anhand von Erfahrungswerten darstellt. [...]

Dann hat die Behörde jedoch einen Sicherheitsaufschlag von 3 Tagen vorgenommen ohne anzugeben, welcher Art diese Verzögerungen sein könnten und von welcher konkreten Dauer dieser Verzögerung auszugehen sei.

Zwar hat die Behörde auf den gerichtlichen Hinweis vorgetragen, dass denkbar sei, dass ein Verhalten des Betroffenen vor Abflug Anlass dazu bieten könne, dass der Pilot die Mitnahme des Betroffenen verweigern könnte. In dem Fall sei fraglich, ob die Zeit bliebe, einen Haftverlängerungsantrag zu stellen. Außerdem sei dann weiter fraglich, ob ein solcher Antrag rechtzeitig beschieden werden könne.

Angesichts der Wichtigkeit der in Haftsachen betroffenen Rechtsgüter waren diese Ausführungen jedoch als nicht ausreichend zu qualifizieren. Von der Behörde sind aufgrund der hochrangigen Rechtsgüter konkretere Angaben zu erwarten. Nicht alle Eventualitäten können daher in die Bemessung der Haftdauer seitens der Behörde einbezogen werden. Dies gilt erst recht dann, wenn keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Betroffene die Abschiebung durch sein Verhalten verzögern könnte. Konkrete Anhaltspunkte dafür, etwa ein gleichgelagertes Verhalten des Betroffenen in der Vergangenheit, liegen nicht vor. Allein die Möglichkeit eines solchen Sachverhaltsverlaufs oder die Tatsache, dass andere Ausländer die Abschiebung in der Vergangenheit in einer solchen Form verzögert haben, reichen jedenfalls nicht aus. Andernfalls müsste stets ein Sicherheitsaufschlag auch für den Fall gemacht werden, dass der Linienflug ausfällt oder etwa der Flug aufgrund von Stau oder einer Panne des für den Transport zum Flughafen genutzten Fahrzeugs nicht erreicht werden würde. All diese Möglichkeiten sind denkbar, würden aber im konkreten Fall richtigerweise auch nicht in die Berechnung der erforderlichen Haftdauer einbezogen werden. Konkretere Darlegungen sind auch trotz der eher kurzen weiteren Haftdauer - wie im vorliegenden Fall drei Tage - nicht gänzlich entbehrlich (vgl. BGH v. 11.05.2011, V ZB 265/10, juris Rn. 9; LG Traunstein v. 26.02.2015, 4 T 215/15, juris Rn. 11). Ansonsten wäre entsprechend des Schutzzweckes des Begründungserfordernisses aus § 417 Abs. 2 FamFG nicht konkret prüfbar, ob ausschließlich erforderliche Maßnahmen mit der notwendigen Beschleunigung angedacht waren oder ob - wie auch für den vorliegenden Fall im Rahmen der Beschwerde behauptet - eine Abschiebung nicht auch problemlos binnen kürzerer Frist hätte bewerkstelligt werden können und sich insoweit die Anordnung Haft unverhältnismäßig gewesen sein könnte.

Aus diesem Grund war die Anordnung der Haft bereits rechtswidrig […].