VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Beschluss vom 30.11.2017 - 5 L 550.17 V - asyl.net: M25882
https://www.asyl.net/rsdb/M25882
Leitsatz:

Die in Syrien geschlossene Ehe zweier Syrer ist nach deutschem Recht unwirksam, wenn ein Ehegatte zum Zeitpunkt der Eheschließung 14 Jahre alt war. Ein Visum zum Ehegattennachzug kann dann jedenfalls im einstweiligen Anordnungsverfahren nicht erteilt werden.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: wirksame Eheschließung, Unwirksamkeit der Eheschließung, Ehegattennachzug, minderjährig,
Normen: AufenthG § 30 Abs. 1, EGBGB Art. 13,
Auszüge:

[...]

8 Gemäß Art. 13 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB) unterliegen die Voraussetzungen der Eheschließung für jeden Verlobten dem Recht des Staates, dem er angehört. Danach gilt für beide Antragsteller, die als syrische Staatsangehörige in Syrien im Jahr 2014 die Ehe geschlossen haben, syrisches Recht. Unterliegt die Ehemündigkeit eines Verlobten nach Abs. 1 ausländischem Recht, ist die Ehe nach deutschem Recht unwirksam, wenn der Verlobte im Zeitpunkt der Eheschließung das 16. Lebensjahr nicht vollendet hatte (Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB i.d.F. von Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017, BGBl. I, Seite 2429). Danach ist die Ehe der Antragsteller nach deutschem Recht unwirksam, weil die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Eheschließung erst 14 Jahre alt war.

9 Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB ist auch auf die Ehe der Antragsteller anzuwenden. Die Vorschrift ist am 22. Juli 2017 in Kraft getreten (Art. 11 des Gesetzes zur Bekämpfung von Kinderehen vom 17. Juli 2017). Die Überleitungsvorschrift (Art. 2 Nr. 2 des Gesetzes, Art. 229 § 44 Abs. 4 EGBGB) sieht vor, dass Art. 13 Abs. 3 Nr. 1 EGBGB (nur) dann nicht gilt, wenn der minderjährige Ehegatte vor dem 22. Juli 1999 geboren worden ist (Nr. 1.) oder die nach ausländischem Recht wirksame Ehe bis zur Volljährigkeit des minderjährigen Ehegatten geführt worden ist und kein Ehegatte seit der Eheschließung bis zur Volljährigkeit des minderjährigen Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte (Nr. 2). Beide Voraussetzungen sind nicht erfüllt: Die Antragstellerin ist nach dem 22. Juli 1999 geboren und ein Ehegatte - der Antragsteller - hat im Jahr 2015, noch vor Eintritt der Volljährigkeit der Antragstellerin, seinen gewöhnlichen Aufenthalt nach Deutschland verlegt.

10 Die Rechtsfolge des Gesetzes ist zwingend und lässt weitere Ausnahmen nicht zu. Dass die Norm rechtspolitisch umstritten ist und auch verfassungsrechtliche Bedenken erhoben werden (vgl. dazu etwa Hüßtege, FamRZ 2017, 1374, 1376 ff.), ändert nichts daran, dass sie geltendes Recht ist. Eine Nichtanwendung im einstweiligen Anordnungsverfahren kommt grundsätzlich nicht in Betracht, zumal auch ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht ist (dazu sogleich unter 2.). [...]