VG Düsseldorf

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Zitieren als:
VG Düsseldorf, Beschluss vom 20.12.2017 - 22 L 4570/17 - asyl.net: M25857
https://www.asyl.net/rsdb/M25857
Leitsatz:

Ausbildungsduldung für Staatsangehörige eines "sicheren Herkunftsstaates" auch wenn Asylerstantrag vor dem 31.08.2015 gestellt wurde:

1. Ein nach dem Stichtag des 31. August 2015 gestellter Asylfolgeantrag eines Staatsangehörigen eines "sicheren Herkunftsstaates" steht der Erteilung einer Ausbildungsduldung nicht gemäß § 60a Abs. 2 S. 4 i.V.m. Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG entgegen, wenn dieser bei durchgehendem Aufenthalt im Bundesgebiet seit erster Einreise in das Bundesgebiet und einem erfolglosen Asyl(erst)antrag aus einem Zeitraum vor dem 31. August 2015 erfolgt und aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht ausschließt oder erschwert.

2. Anders ist dies bei einem anlässlich einer erneuten Einreise nach zwischenzeitlichem Verlassen des Bundes­gebiets gestellten erneuten Asylantrag nach dem 31. August 2015.

(Unter Bezugnahme auf VGH Baden-Würtemberg, Beschluss vom 09.10.2017 - 11 S 2090/17 (M25748); Anschluss an OVG Münster, Beschl. v. 18.8.2017, 18 B 792/17, juris; OVG Lüneburg, Beschl. v. 8.12.2016, 8 ME 183/16, InfAuslR 2017, 140; OVG Hamburg, Beschluss vom 15.11.2017 - 3 Bs 252/17 - (M25853); anders VG Freiburg, das auf die Stellung des Asylgesuchs abstellt, Beschluss vom 17.08.2017 - 3 K 5875/17 - (M25542))

 

(Leitsätze der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, sichere Herkunftsstaaten, Asylgesuch, Asylantrag, förmlicher Asylantrag, Arbeitsgenehmigung, Arbeitserlaubnis,
Normen: AufenthG § 60a Abs. 2 S. 4, AufenthG § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3, AsylG § 29a, AufenthG § 4 Abs. 3, BeschV § 32, BeschV § 32 Abs. 2 Nr. 2,
Auszüge:

[...]

Der Einzelrichter geht in diesem Eilverfahren nach aktueller Einschätzung davon aus, dass ein solcher Folgeantrag nach dem Stichtag des 31. August 2015, welcher bei durchgehendem Aufenthalt im Bundesgebiet seit erster Einreise in das Bundesgebiet und einem Asylerstantrag – und nicht etwa anlässlich einer erneuten Einreise nach zwischenzeitlichem Verlassen des Bundesgebiets – gestellt wird und keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen gegenüber dem Ausländer ausschließt oder erschwert, kein Asylantrag im Sinne von § 60 Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG ist. Diese Auslegung ergibt sich aus folgenden, vorrangig den Gesetzeszweck in den Blick nehmenden Erwägungen:

Der Wortlaut der Vorschrift trägt auch das Verständnis der Antragsgegnerin, wenn man berücksichtigt, dass im systematisch heranzuziehenden Asylgesetz der Asylantrag im Sinne von §§ 13 und 14 AsylG auch den erneuten Asylantrag nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags umfasst, welcher dort in § 71 AsylG einer speziellen Regelung unterworfen wird. [...]

Das Ergebnis, dass der nach dem 31. August 2015 gestellte Folgeantrag der Antragstellerin bei durchgehendem Aufenthalt seit erster Einreise im Frühsommer 2014 die Ausbildungsduldung nicht gemäß § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG ausschließt, ergibt sich letztlich anhand einer teleologischen Auslegung unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der Vorschrift. Sinn und Zweck des Beschäftigungsverbots in § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG, auch besonders im Zusammenspiel mit der Vorschrift über die Ausbildungsduldung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (siehe Beschluss vom 9. Oktober 2017 – 11 S 2090/17 –, Juris, Rdn. 5 ff.) präzise herausgearbeitet:

"Aus dem vom Gesetzgeber mit der Novellierung verfolgten Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG und 61 Abs. 2 S. 4 AsylG, wie sie insbesondere auch den vorliegenden Gesetzesmaterialien zu entnehmen sind, dürfte sich aber voraussichtlich ergeben, dass sich § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG bzw. § 61 Abs. 2 Satz 4 AsylG nicht auf Asylbewerber erstrecken soll, die - wie hier die Antragstellerin - bereits vor Inkrafttreten dieser Regelung zum 24. Oktober 2015 (längst) in das Bundesgebiet eingereist waren und schon bis zum 31. August 2015 durch Stellung eines (nichtförmlichen) Asylgesuchs im Sinne von § 13 AsylG zu erkennen gegeben haben, dass sie zum Zwecke der Durchführung eines Asylverfahrens eingereist sind. (…) Das Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz verfolgt mit der Einführung der Beschäftigungsverbote in den §§ 61 Abs. 2 S. 4 AsylG und 60a Abs. 6 AufenthG für Asylbewerber bzw. geduldete abgelehnte Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten nur das Ziel, vor dem Hintergrund der bis Ende September 2015 beispiellos gestiegenen Zahlen von Asylbewerbern aus diesen jetzt zu sicheren Herkunftsstaaten erklärten Staaten (darunter das Herkunftsland der Antragstellerin: Mazedonien), "Fehlanreize" zu beseitigen, die zu einem "weiteren Anstieg" der Zahl ungerechtfertigter Asylanträge führen können (vgl. BT-Drs 18/6185 v. 29.09.2015, S. 1 und S. 25; siehe auch BR-Drs 446/15 v. 29.09.2015, S. 1 Teil A, und S. 45). Damit verfolgt die Einführung der beiden Beschäftigungsverbote ersichtlich einen in die Zukunft gerichteten Zweck, nämlich die Vermeidung eines "weiteren" Anstiegs der Asylzahlen durch Beseitigung von Anreizen für Ausländer aus sicheren Herkunftsstaaten, die sich von dort andernfalls erst noch in Erwartung einer Beschäftigungsmöglichkeit zusätzlich auf den Weg machen würden, und damit die Zahl der bereits längst nach Deutschland eingereisten, ein voraussichtlich erfolgloses Asylverfahren Betreibenden noch weiter steigern würden. Es geht somit in erster Linie um die Verhinderung weiterer Einreisen. (Hervorhebung durch das erkennende Gericht) Insoweit tritt die Beseitigung von Fehlanreizen allein durch das Beschäftigungsverbot ein und nicht durch die Streichung von Beschäftigungsmöglichkeiten bezüglich der bereits eingereisten Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten, die schon ein Asylgesuch eingereicht hatten. Insoweit konnte auch überhaupt keine Einreise mehr verhindert werden. (...)"