[Beim Familienasyl ist auf den Zeitpunkt des Asylgesuchs der nachgezogenen Angehörigen abzustellen:]
1. Die in § 26 Abs. 2 AsylG [für Kinder von Stammberechtigten] normierte Tatbestandsvoraussetzung der Minderjährigkeit bei Asylantragstellung ist erfüllt, wenn der Asylbewerber zu dem Zeitpunkt, zu dem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom Asylgesuch Kenntnis erlangt hat, noch minderjährig war (Rn.58) [unter Bezug auf EuGH, Urteil vom 26.07.2017 - C-670/16 Mengesteab gg. Deutschland - asyl.net: M25274, Asylmagazin 9/2017].
2. Liegen die Voraussetzungen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für Familienangehörige nach § 26 AsylG (juris: AsylVfG 1992) im Übrigen vor, kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Rechtskraft der bezüglich des Stammberechtigten getroffenen Entscheidung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verpflichtet werden (wie VG Freiburg, Urt. v. 19.4.2006 - A 1 K 11298/05 -, InfAuslR 2006, 433; VG Schwerin, Urt. v. 20.11.2015 - 15 A 1524/13 As -, juris, [asyl.net: M23381, Asylmagazin 1-2/2016]) (Rn.59).
(Amtliche Leitsätze)
Anmerkung:
[...]
17 Daran gemessen droht dem 1969 geborenen Kläger, der als 48-jähriger Reservist jederzeit mit seiner erneuten Einberufung rechnen musste, politische Verfolgung. Er ist bei einer Rückkehr konkret von Strafverfolgung oder Bestrafung bedroht, zumindest aber muss er mit menschenrechtswidriger Behandlung oder Folter bei Verhören bzw. Befragungen durch den syrischen Staat rechnen, weil er sich durch die unerlaubte Ausreise aus Syrien und den Verbleib im Ausland dem Militärdienst entzogen hat. [...]
57 Die am … 1997 geborene Klägerin zu 2 hat Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als Familienangehörige nach § 26 Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 AsylG.
58 Die jetzt 20-jährige Klägerin zu 2 erfüllt die Tatbestandsvoraussetzung der Minderjährigkeit zum Zeitpunkt der "Asylantragstellung". Nach der Legaldefinition des § 13 Abs. 2 Satz 1 AsylG wird mit jedem Asylantrag die Anerkennung als Asylberechtigter sowie internationaler Schutz im Sinn des § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG beantragt. Der Antrag auf internationalen Schutz gilt nach der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (Urt. v. 26.07.2017 - Rs. C-670/16 [Mengesteab] -) als gestellt, sobald das Bundesamt Kenntnis von dem Asylgesuch hat, d.h. jedenfalls mit Übermittlung der Bescheinigung über die Meldung als Asylsuchender an das Bundesamt. Diese Entscheidung ist zwar in einem anderen rechtlichen Zusammenhang, nämlich zur Frage des Fristbeginns für ein Aufnahmegesuch nach der Dublin III-Verordnung, ergangen, sie ist jedoch ohne weiteres auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar. Bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung ist daher auch vorliegend auf die Kenntnis des Bundesamts vom Asylgesuch abzustellen. Dies entspricht auch dem Willen des nationalen Gesetzgebers, der bei der Neufassung des § 26 Abs. 2 Asyl(Vf)G mit der Vorverlagerung des maßgeblichen Zeitpunkts der Minderjährigkeit auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung den Zweck verfolgte, dass Verfahrensverzögerungen sich nicht zu Lasten des Asylbewerbers auswirken (vgl. BT-Drs. 12/2718 S. 75).
59 Der in § 26 Abs. 2 AsylG normierten weiteren Voraussetzung, dass die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft für den Stammberechtigten, den Kläger zu 1, unanfechtbar, d.h. im vorliegenden Fall rechtskräftig geworden sein muss, wird dadurch Rechnung getragen, dass die Beklagte lediglich verpflichtet wird, die positive Entscheidung bezüglich der Klägerin zu 2 unter der aufschiebenden Bedingung des Eintritts der Rechtskraft des den Kläger zu 1 betreffenden Teils des vorliegenden Urteils auszusprechen, um den Eintritt der Voraussetzungen des zu erteilenden Verwaltungsakts zu gewährleisten (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 19.4.2006 - A 1 K 11298/05 -, InfAuslR 2006, 433 Rn. 10; VG Schwerin, Urt. v. 20.11.2015 - 15 A 1524/13 As -, juris Rn. 54; VG München, Urt. v. 22.04.2016 - M 16 K 14.30987 -, juris Rn. 40). [...]