VG Halle

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Zitieren als:
VG Halle, Urteil vom 21.09.2017 - 4 A 219/16 HAL - asyl.net: M25600
https://www.asyl.net/rsdb/M25600
Leitsatz:

Mehrere Indizien deuten darauf hin, dass die Bestrafung wegen Entziehung vom Nationaldienst in Eritrea politischen Charakter hat: Der hohe Stellenwert, der dem Militärischen beigemessen wird, das Fehlen von Rechtsstaatlichkeit bei Verfahren nach den entsprechenden Strafnormen und die Härte des Strafvollzugs, die größer ist als bei anderen Straftaten.

Die Klägerin ist eine junge Frau, die mit ihrer Mutter als Kind aus Eritrea in den Sudan geflohen ist, nachdem ihr Vater als Mitglied der oppositionellen ELF ermordet wurde.

Schlagwörter: Eritrea, Nationaldienst, Militärdienst, Asylrelevanz, Auslandsaufenthalt, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, Diasporasteuer, Reueschreiben,
Normen: AsylG § 3,
Auszüge:

[...]

Der Klägerin drohen im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit wegen Umgehen/Entziehen der nationalen Dienstpflicht Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 3a Abs. 1 und 2 AsylG, insbesondere die Anwendung physischer Gewalt (§ 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylG) und die Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen Bestrafung gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 4 AsylG durch einen relevanten Akteur im Sinne des § 3 c AsylG aufgrund einer ihr unterstellten politischen Überzeugung ohne das ihr eine inländische Fluchtalternative offen stünde, § 3e AsylG.

Dabei kommt es aus der Sicht des Gerichts entgegen der Ansicht der Beklagten im vorliegenden Einzelfall nicht darauf an, ob die Klägerin Eritrea verfolgt oder - wie hier - bereits als Kind unverfolgt verlassen hat, sondern allein auf die Frage, mit welchen Maßnahmen sie im Falle ihrer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu rechnen hat. Bezüglich dieser Prognose ist in den Blick zu nehmen, wie die eritreischen Staatsorgane unter Berücksichtigung der Erkenntnislage wahrscheinlich das gesamte Verhalten der Klägerin würdigen würden. Hierbei kommen neben der oppositionellen Betätigung des Vaters der Klägerin, das Umgehen der nationalen Dienstpflicht durch den Aufenthalt im Ausland und sowie dem Umstand, dass sie sich bei einer Rückkehr nach Eritrea dem Nationaldienst entziehen würde, maßgebliche Bedeutung zu.

Nach den glaubhaften Schilderungen der Klägerin war ihr Vater ein Jebha und wurde als solcher von heutigen Regierungsmitgliedern umgebracht. Sie könne nicht nach Eritrea zurückgehen, da sie dann zum Nationaldienst eingezogen werden würde. Sie könne diesem Land, dessen Regierungsmitglieder ihren Vater umgebracht hätten, nicht dienen. Das Vorbringen der Klägerin ist substantiiert, schlüssig und widerspricht sich nicht. Steigerungen im Sachvortrag sind nicht ersichtlich. Das Vorbringen der Klägerin ist im Lichte der in den Erkenntnismitteln zu Eritrea enthaltenen Schilderungen zum Vorgehen der staatlichen Sicherheitsbehörden gegen Oppositionelle, Deserteure und deren Familienangehörigen auch plausibel.

Für die Furcht der Klägerin, im Falle einer Abschiebung nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer flüchtlingsrelevanten Verfolgung unterzogen zu werden, liegen stichhaltige und ernst zu nehmende Gründe vor. Es besteht die konkrete Gefahr, dass die Klägerin unmittelbar bei ihrer Einreise am Flughafen von eritreischen Sicherheitskräften wegen Umgehung der Dienstpflicht durch ihren Aufenthalt im Ausland in Haft genommen wird.

Darüber hinaus droht ihr aber auch dann eine Verfolgung, wenn eine sofortige Inhaftierung nicht der Fall sein sollte. Denn dann sieht das Gericht es als sicher an, dass die 19-jährige Klägerin nach ihrer Einreise unmittelbar ihren Nationaldienst ableisten muss und sich dadurch schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen nach Art. 3 und 4 EMRK bzw. Art 4 und 5 der UN-Menschenrechtscharta (Resolution 217 A (III) der vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948) ausgesetzt sieht. Von der Gewährleistung der genannten Rechte darf ein Staat gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK in keinem Fall - auch nicht wegen eines Notstandes (hier etwa aufgrund der sog. "no war no peace" Politik in Eritrea) - abweichen. Daher steht auch dem Einzelnen das Recht zu, sich einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung selbst entziehen zu dürfen, wenn der Staat keinen Schutz gewähren kann. Da es in Eritrea das Recht auf Nationaldienstverweigerung nicht gibt, kann sich die Klägerin der Dienstpflicht nur durch Flucht entziehen, woraus wiederum die Gefahr droht, an Leib, Leben und Freiheit verletzt, strafrechtlich verfolgt und einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder unverhältnismäßigen Bestrafung unterworfen zu werden. Nach der Überzeugung des Gerichts, den es sich anhand der Aussagen der Klägerin hat bilden können, wird sich die Klägerin diesem Nationaldienst aufgrund ihres familiären Hintergrundes durch Flucht entziehen. Auch hierdurch droht der Klägerin mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine flüchtlingsrelevante Verfolgung.

Die Klägerin unterfällt der nationalen Dienstpflicht. [...]

Die Rekrutierung findet häufig durch Razzien ("giffas") statt. Es besteht keine Möglichkeit, den Nationaldienst zu verweigern. […]

Im Rahmen der bestehenden Dienstverpflichtung sind - insbesondere im militärischen Teil des Nationaldienstes - Misshandlungen weit verbreitet, die als schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen einzustufen sind (vgl. UK Upper Tribunal, Urteil vom 7. Oktober 2016 - UKUT 443 (IAC), Nrn. 427, 431, das insoweit von einer Verletzung von Art. 3 EMRK und Art. 4 Abs. 2 EMRK ausgeht). [...]

Die Klägerin hat sich diesem Nationaldienst bereits durch ihren Aufenthalt im Ausland entzogen. [...]

Art. 37 der Proklamation Nr. 8211995 sieht für Personen, die sich dem aktiven Nationaldienst durch Desertion bzw. der allgemeinen Dienstpflicht entziehen, eine Geldstrafe und/oder Freiheitsstrafen zwischen zwei und fünf Jahren vor. Abhängig vom konkreten Vergehen kommen nach allgemeinem Strafrecht auch bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe in Betracht. Art. 300 des Strafgesetzbuchs von 1991 legt zusätzlich fest, dass die Desertion während Kriegszeiten eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren bis lebenslänglich oder gar die Todesstrafe nach sich zieht. Wehrdienstverweigerung in Kriegszeiten wird mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft. Mittlerweile hat Eritrea neue Strafvorschriften erlassen; diese werden jedoch in der Praxis nicht angewandt (vgl. Schweizer Staatssekretariat für Migration, Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22. Juni 2016 - SEM 2016 -, S. 26; EASO, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 55).

Die Ermittlung der tatsächlichen Sanktionierungspraxis der eritreischen Behörden ist aufgrund der lückenhaften Auskunftslage zu Eritrea schwierig. […]

Den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ist jedoch einheitlich zu entnehmen, dass Deserteuren und Dienstverweigerern in der Praxis Haftstrafen drohen, welche außergerichtlich und willkürlich - häufig von Militärvorgesetzten - verhängt werden. [...]

Die Haftbedingungen sind häufig unmenschlich hart und lebensbedrohlich {...].

Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Klägerin bei einer Rückkehr nach Eritrea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Inhaftierung droht bzw. sie sich nach Rückkehr nach Eritrea dem Nationaldienst entzieht und ihr dann die Inhaftierung/Folter droht.

An dieser Einschätzung hat sich zwischenzeitlich auch nichts geändert, wie sich aus dem neuesten Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea vom 21. November 2016 ergibt. [...] Das Auswärtige Amt führt weiter aus, dass abgeschobene Asylbewerber damit rechnen müssen, von den eritreischen Sicherheitsbehörden auf unbestimmte Zeit und ohne rechtsstaatliches Verfahren in Haft genommen zu werden, wenn sie sich nach eritreischen Vorschriften strafbar gemacht haben: insbesondere wegen illegaler Ausreise, Fahnenflucht oder weil sie sich der nationalen Wehr- und Dienstpflicht entzogen bzw. die nationale Dienstpflicht umgangen haben (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Eritrea, November 2016, S. 5 und S. 17). Mehrere Erkenntnisquellen gehen sogar davon aus, dass in jeden Fall einer (zwangsweisen) Rückführung von Personen im dienstpflichtigen Alter ein großes Risiko willkürlicher Haft und Folter und anschließendem Transfer in den Nationaldienst besteht (vgl. Schweizer Staatssekretariat für Migration, Focus Eritrea, Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22. Juni 2016 - SEM 2016 -, S. 40 m.w.N.). Dieses große Verfolgungsrisiko dürfte sich vorliegend noch dadurch erhöhen, dass die Klägerin Familienangehörige eines sog. Jebha ist und dadurch der Verdacht einer regimekritischen Betätigung besteht.

Die drohende Verfolgungshandlung erfolgt auch seitens des Staates und damit durch einen relevanten Akteur im Sinne des § 3c Nr. lAsylG.

Die Verfolgungshandlung erfolgt nach Überzeugung des Gerichts auch aus Gründen der politischen Überzeugung und erfüllt damit ein Verfolgungsmerkmal i.S.d. §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3b AsylG. Dabei ist es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob die Klägerin tatsächlich die politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen. Es reicht, wenn ihr diese Merkmale von ihrem Verfolger nur zugeschrieben werden.

Nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung stellen Bestrafungen wegen Wehrdienstverweigerung oder der rechtzeitigen Entziehung durch Ausreise, selbst wenn sie von weltanschaulich totalitären Staaten ausgehen, zwar nicht schlechthin eine politische Verfolgung dar. Dahin schlagen derartige Maßnahmen nur dann um, wenn sie zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt werden, die durch die Maßnahmen gerade wegen ihrer Religion, ihrer politischen Überzeugung oder eines sonstigen asylerheblichen persönlichen Merkmals getroffen werden sollen. Die außergewöhnliche Härte einer drohenden Strafe gibt allerdings regelmäßig insbesondere dann Anlass zur, Prüfung ihrer Asylrelevanz, wenn in einem totalitären Staat ein geordnetes und berechenbares Gerichtsverfahren fehlt und Strafen willkürlich verhängt werden, weil ein derartiges evidentes Fehlen rechtsstaatlicher Grundsätze ein Indiz für eine hinter der Strafnorm stehende Verfolgung in einem asylerheblichen Merkmal sein kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juni 1991 - 9 C 131.90 -, juris Rn. 19 m.w.N.).

Entscheidend zur Abgrenzung ist weiter, ob der Staat seine Bürger in den genannten Merkmalen - etwa aufgrund zugeschriebener politischer Überzeugung - zu disziplinieren, sie ihretwegen niederzuhalten oder im schlimmsten Fall zu vernichten sucht oder ob er lediglich seine Herrschaftsstruktur aufrechtzuerhalten trachtet und dabei die Überzeugung seiner Staatsbürger unbehelligt lässt. Das bloße Aufrechterhalten oder Wiederherstellen "staatsbürgerlicher Disziplin", also des Gehorsams der "Gewaltunterworfenen" gegenüber Gesetzen, die nicht ihrerseits asylrelevanten Inhalt haben, ist daher für sich allein - auch wenn hierbei mit großer Härte vorgegangen wird - keine politische Verfolgung (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. Mai 1983 - 9 C 36.83 -, a.a.O., juris Rn. 34, und vom 27. Mai 1986 - 9 C 35/86 -, juris Rn. 12 ff.).

Unter diesen Gesichtspunkten ist daher auch der Zweck konkret angedrohter oder vom Asylbewerber befürchteter Sanktionen festzustellen. Von gleicher Bedeutung können auch die konkreten Umstände staatlichen Vorgehens und die praktische Handhabung der Sanktionsnorm sein. Insoweit werden sowohl etwaige Manipulationen des Strafvorwurfs wie auch die formellen Kriterien zu würdigen sein, nach denen ein staatlicher Eingriff stattfindet, z.B. welches Verfahren angewendet wird und wie die Zuständigkeiten dabei verteilt sind. Es macht einen Unterschied, ob die Entscheidung durch unabhängige, nur einem bereits vorliegenden Gesetz unterworfene allgemeine Gerichte erfolgt oder solchen staatlichen Organen wie Polizei, Militär, Sondergerichten überantwortet wird, oder gar ohne rechtliche Grundlage und ohne Durchführung eines geordneten Verfahrens erfolgt. Eine insoweit bestehende Bindungslosigkeit der staatlichen Strafgewalt spricht in erheblichem Maße für eine politische Verfolgung (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Mai 1983 - 9 C 36.83 -, a.a.O., juris Rn. 35 f. m.w.N.).

Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Dabei muss hier insbesondere berücksichtigt werden, dass der Staat Eritrea gerade in Fällen der vorliegenden Art selbst um Geheimhaltung bemüht ist. Wie bereits erwähnt, existieren nur wenige verlässliche Primärquellen und nur wenige überprüfbare Informationen […].

Nach diesen Maßgaben und den oben ausgeführten Erkenntnissen geht das Gericht davon aus, dass ein erhebliches Risiko für die Klägerin besteht, aufgrund ihrer Umgehung/Entziehung des Nationaldienstes von eritreischen Behörden als Gegnerin des eritreischen Regimes betrachtet zu werden und dass die Haftstrafen für Dienstverweigerer und Regimegegner erniedrigender und brutaler sind als für jene Personen, die ein gemeinrechtliches Delikt begangen haben. [...]

Kennzeichnend für die Einstufung als politische Verfolgung ist zunächst der - oben bereits dargelegte - übermäßig große Stellenwert, den der eritreische Staat dem Nationaldienst und allem Militärischen beimisst.

Darüber hinaus ist gemäß der Nationaldienst-Proklamation von 1995 Ziel des Nationaldienstes u.a. den Mut, die Entschlossenheit und das Heldentum, das das Volk in den letzten dreißig Jahren gezeigt hat, zu erhalten und den künftigen Generationen weiterzugeben. Es soll eine Generation geschaffen werden, die Arbeit und Disziplin liebt und am Wiederaufbau der Nation teilnimmt und dienen will. Zudem ist Ziel, das Gefühl der nationalen Einheit im Volk zu stärken, um subnationale Gefühle zu eliminieren (vgl. den Text der Proklamation bei EASO, Länderfokus Eritrea, 2015, S. 32). Seit dem Jahr 2003 findet das neu eingeführte 12. Schuljahr für alle eritreischen Schüler im militärischen Ausbildungslager Sawa statt. Im Mittelpunkt des Unterrichts steht die Vermittlung der nationalen Werte, d.h. der Ideologie der PFDJ (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, 2015, S. 34, 37). Die PFDJ (People's Front for Democracy and Justice) ist die einzige zugelassene politische Organisation oder Partei in Eritrea.

Die Ziele des Nationaldienstes und dessen Durchführung in der praktischen Umsetzung legen nahe, dass derjenige, der sich dem Nationaldienst entzieht, als politischer Gegner des Regimes betrachtet und die Dienstverweigerung als Ausdruck politischer Opposition bzw. "Verrat" aufgefasst wird [...].

Für eine politische Verfolgung spricht zudem die Härte, mit der der eritreische Staat - ggf. auch noch Jahre nach den Vergehen - gegen Deserteure und Dienstverweigerer vorgeht, sowie die Tatsache, dass für Desertion regelmäßig auch Verwandte der Betroffenen zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. EASO, Länderfokus Eritrea, 2015, S. 41 VG Darmstadt, a.a.O., juris Rn. 28). Obwohl allen Wehrdienstverweigerern gleichermaßen die Bestrafung droht, fehlt ihr - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit. Die besondere Intensität der real drohenden Verfolgungshandlungen indizieren hier die bestehende Gerichtetheit auf ein flüchtlingsrelevantes Merkmal hin (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 29.04.2009 - 2 BvR 78/08 -, juris Rn. 18; Österreichisches Bundesverwaltungsgericht, 24. Mai 2016. a.a.O.).

Auch eine realitätsnahe Bewertung des Charakters des gegenwärtigen eritreischen Regimes und seiner bereits vorstehend eingehend beschriebenen Handlungen und Aktivitäten gegenüber seiner Bevölkerung lässt nach Überzeugung des Gerichts keine andere Deutung zu, als dass hier zwischen den flüchtlingsrelevanten Merkmalen im Sinne von § 3b Abs. 1 Nr. 5 AsylG und den Verfolgungshandlungen gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AsylG die erforderliche Verbindung im Sinne des § 3a Abs. 3 AsylG gegeben ist.

Das Regime ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, dass es sich in besonders abstoßender Weise durch die Ausgestaltung des Nationaldienstes über die Menschenwürde seiner Bevölkerung hinwegsetzt, sondern auch dadurch, dass es eine politische Opposition auf keinem Gebiet zulässt. [...]

Schließlich folgt aus der zurzeit gegebenen Möglichkeit der Zahlung einer sog. Diaspora- oder Aufbausteuer von 2% des Jahreseinkommens sowie der Unterschreibung eines sog. "Reueschreibens" nicht, dass Rückkehrer keine Verfolgung mehr zu befürchten haben. Zum einen scheint es keine rechtliche Grundlage für diese Praxis zu geben (SEM 2016, S. 29). Zum anderen bestehen wegen der Unberechenbarkeit des dortigen Regimes und eine in der Vergangenheit sich immer wieder ändernden Praxis der eritreischen Behörden durchgreifende Zweifel daran, dass die Zahlung einer Aufbausteuer und die Unterzeichnung des Reueschreibens mit hinreichender Sicherheit vor Bestrafung schützen (vgl. UK Upper Tribunal, Urteil vom 07. Oktober 2016, a.a.O., Rn 431; SEM 2016, S. 43). Entscheidend ist vorliegend jedoch, dass gerade zwangsweise Rückzuführende - im Gegensatz zu freiwilligen Rückkehrern - ihren Status nicht in der beschriebenen Weise regeln können bzw. die Erfüllung eines solchen staatlichen Verlangens ihnen unter den oben beschriebenen Umständen auch nicht zumutbar ist (vgl. EASO, Eritrea: Nationaldienst und illegale Ausreise, 2016, S. 44). Das Gericht ist darüber hinaus der Überzeugung, dass Personen wie die Klägerin mit deren familiären Hintergrund im Fall einer Rückkehr trotz Regulierung ihres Status im aufgezeigten Sinn im hohen Maße gefährdet sind (vgl. SEM 2016, S. 43). [...]