Kein Eilrechtsschutz und Prozesskostenhilfe gegen Aussetzung des Familiennachzugs:
1. Kein Nachzug von Eltern und Geschwistern zu einem subsidiär schutzberechtigten 17-jährigen Syrer, der kurz vor der Volljährigkeit steht.
2. Soweit Ansprüche auf Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen nach § 22 AufenthG geltend gemacht werden, ist die Verfassungsbeschwerde mangels ausreichender Begründung unzulässig. Ein Härtefall ist nicht dargelegt. Die Situation der Betroffenen unterscheidet sich nicht maßgeblich von der anderer Familien, die von einem (noch) minderjährigen Kind getrennt sind.
3. Soweit es um die Erteilung von Visa zum Familiennachzug nach § 36 AufenthG geht, ist die Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet. In der Hauptsache wäre voraussichtlich zu klären, ob der Ausschluss des Familiennachzugs zu subsidiär Schutzberechtigten nach § 104 Abs. 13 AufenthG verfassungsgemäß ist.
4. Da der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen ist, sind die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, einerseits wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber Erfolg hätte, und andererseits wenn sie erlassen würde, die Verfassungsbeschwerde jedoch erfolglos bliebe.
a. In ersterem Fall würde der Anspruch auf Herstellung der Familieneinheit bis zur Volljährigkeit des Minderjährigen in Deutschland endgültig vereitelt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Nachzugsanspruch von Eltern zu ihrem minderjährigen Kind gesetzlich von vornherein bis zur Volljährigkeit begrenzt ist, im vorliegenden Fall kurz bemessen war und eine besondere Schutzbedürftigkeit nicht hinreichend vorgetragen wurde.
b. In zweiterem Fall würde den Betroffenen die Einreise nach Deutschland erlaubt, was ebenfalls nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Würde die einstweilige Anordnung mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen den gesetzlichen Ausschluss des Familiennachzugs begründet, käme dies einer Aussetzung des Vollzugs des Gesetzes gleich.
5. Der Grundsatz der Gewaltenteilung gebietet es dem BVerfG ein Gesetz nur mit großer Zurückhaltung zu suspendieren, auch wenn die Abwägung der jeweiligen Folgen seiner Entscheidung in etwa gleichgewichtige Nachteile ergibt. Vorliegend würde die Aussetzung des Familiennachzugs für den Rest ihres Geltungszeitraums suspendiert, was das Ziel des Gesetzgebers vollständig vereiteln würde. Daher ergibt die Folgenabwägung, dass die einstweilige Anordnung nicht zu erlassen ist.
(Leitsätze der Redaktion; siehe asyl.net Meldung vom 17.10.2017 und; siehe auch BVerfG, Beschluss vom 01.02.2018 - 2 BvR 1459/17 - asyl.net: M26010 und Beschluss vom 20.03.2018 - 2 BvR 1266/17 - asyl.net: M26135, Asylmagazin 5/2018 mit Anmerkung)
Anmerkung:
[...]
1. Die Beschwerdeführer begehren die vorläufige Erteilung von Visa zum Familiennachzug zu einem minderjährigen subsidiär Schutzberechtigten, hilfsweise die Erteilung von Visa aus humanitären Gründen. Sie wenden sich mittelbar gegen die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG, mit der der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten für zwei Jahre ausgesetzt wurde. [...]
Die Regelung des Familiennachzugs zu anerkannten Flüchtlingen blieb unverändert. [...]
Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens muss das Bundesverfassungsgericht die Folgen abwägen, die eintreten würden, einerseits wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber in der Hauptsache Erfolg hätte, und andererseits wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde in der Hauptsache aber der Erfolg zu versagen wäre (vgl. BVerfGE 105, 365 <371>; 106, 351 <355>; 108, 238 <246>; 125, 385 <393>; 126, 158 <168>; 129, 284 <298>; 132, 195 <232 f. Rn. 87>; stRspr).
2. Die Verfassungsbeschwerde stellt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt, soweit die Beschwerdeführer die Erteilung von Visa zum Familiennachzug begehren, weder als unzulässig noch als offensichtlich unbegründet dar. Soweit die geltend gemachten Ansprüche auf § 22 AufenthG gestützt sind, ist sie hingegen unzulässig. [...]
a) [...] Die Beschwerdeführer können nicht auf das Verfahren in der Hauptsache verwiesen werden, weil sie gerade die Versagung des einstweiligen Rechtsschutzes rügen und das Hauptsacheverfahren insoweit keine Abhilfemöglichkeit bietet. Zudem steht, bezogen auf den geltend gemachten Anspruch auf Familiennachzug, eine Erledigung des Verfahrens in der Hauptsache kurz bevor, da der Beschwerdeführer zu 1. am 13. Oktober 2017 sein 18. Lebensjahr vollendet und nach diesem Zeitpunkt Visa zum Familiennachzug auf der Grundlage des § 36 Abs. 1 AufenthG nicht mehr erteilt werden können (vgl. BVerwGE 146, 189 <194 ff.>).
b) Soweit es um die Erteilung von Visa zum Familiennachzug gemäß § 36 AufenthG geht, ist die Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unbegründet. In der Hauptsache wäre voraussichtlich zu klären, ob die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG, nach der ein Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten bis zum 16. März 2018 nicht gewährt wird, mit Art. 6 Abs. 1 GG in Einklang steht (vgl. einerseits Thym, NVwZ 2016, S. 409 <414>; andererseits Heuser, Asylmagazin 2017, S. 125 <127 ff.>). In diesem Rahmen kann auch von Bedeutung sein, inwieweit Härtefällen durch die Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 22 Satz 1 AufenthG Rechnung zu tragen ist, insbesondere auch dann, wenn die besondere Härte durch Umstände in der Person des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird.
c) Soweit es um die Erteilung von humanitären Aufenthaltserlaubnissen gemäß § 22 Satz 1 AufenthG im vorliegenden Einzelfall geht, ist die Verfassungsbeschwerde allerdings mangels ausreichender Begründung unzulässig (§ 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG) beziehungsweise offensichtlich unbegründet. Ein Härtefall ist nicht dargelegt. Das Oberverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung die vorgetragenen Einzelfallgesichtspunkte gewürdigt; hierzu haben die Beschwerdeführer nicht Stellung genommen. [...]
Die Situation der Beschwerdeführer unterscheidet sich nicht maßgeblich von der Situation anderer Familien, die durch die Ausreise eines (noch) minderjährigen Kindes und dessen Aufnahme in der Bundesrepublik Deutschland getrennt sind.
3. Auf Grund der vorzunehmenden Folgenabwägung ist die einstweilige Anordnung nicht zu erlassen.
a) Wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, das Begehren des Familiennachzugs aber in der Hauptsache Erfolg hätte, würde der Anspruch auf Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft in der Bundesrepublik Deutschland für den Zeitraum bis zum 13. Oktober 2017 endgültig vereitelt. Dies könnte nicht mehr rückgängig gemacht oder ausgeglichen werden.
Soweit die Beschwerdeführer geltend machen, durch die unmittelbar bevorstehende Volljährigkeit des Beschwerdeführers zu 1. werde der Familiennachzug auf Dauer vereitelt, liegt dem die unzutreffende Vorstellung zu Grunde, dass durch den Familiennachzug die familiäre Lebensgemeinschaft auf Dauer in Deutschland hergestellt werden könnte. Dabei berücksichtigen die Beschwerdeführer nicht, dass dem Nachzug von Eltern zu ihrem minderjährigen Kind nach der gesetzlichen Ausgestaltung in den Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes gemäß ihrem - von den Beschwerdeführern nicht angegriffenen - Verständnis durch die Fachgerichte von vornherein die Begrenzung auf den Zeitraum bis zur Volljährigkeit des Kindes immanent ist. Danach wandelt sich auch eine den Eltern rechtzeitig erteilte Aufenthaltserlaubnis nicht in ein eigenständiges Aufenthaltsrecht um. Der Rechtsgrund für den Aufenthalt der Eltern endet mit Ablauf der Befristung einer nach § 36 Abs. 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis; eine Verlängerung auf dieser Grundlage ist nicht möglich. Ein eigenständiges Aufenthaltsrecht im Hinblick auf eine eingetretene Aufenthaltsverfestigung, wie es für Ehegatten in § 31 AufenthG geregelt ist, sieht das Gesetz nicht vor (vgl. BVerwGE 146, 189 <194 ff.>). Soweit die Argumentation der Beschwerdeführer darauf abzielt, dass ihnen nach einer Einreise in die Bundesrepublik Deutschland eine Rückkehr nach Syrien nicht mehr zugemutet werden kann, liegt der unter diesem Gesichtspunkt erstrebte längerfristige Aufenthalt außerhalb des Schutzzwecks der Vorschriften über den Familiennachzug und kann deshalb zur Begründung eines Aufenthaltstitels unter diesem Aspekt nicht berücksichtigt werden. Allgemein sieht das Gesetz die Erteilung von Visa zum Zweck der Anbringung eines Schutzersuchens nicht vor (vgl. für das Unionsrecht kürzlich EuGH, Urteil vom 7. März 2017 - C-638/ 16 PPU - X und X, NJW 2017, S. 1293).
Das Gewicht des Nachteils, dass die familiäre Lebensgemeinschaft für den Anspruchszeitraum endgültig vereitelt wird, ist im konkreten Fall dadurch reduziert, dass dieser Zeitraum am 13. Oktober 2017 endet und auch von vornherein kurz bemessen war. [...] Ferner ist zu berücksichtigen,
dass fast Volljährige im Allgemeinen weniger auf ihre Eltern angewiesen sind als jüngere Minderjährige. Der Zeitraum unmittelbar vor der Volljährigkeit ist deshalb generell nicht geeignet, eine besondere Schutzbedürftigkeit zu begründen. Zur besonderen Schutzbedürftigkeit aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles ist nicht hinreichend vorgetragen worden.
b) Erginge hingegen die einstweilige Anordnung, obwohl das Begehren des Familiennachzugs in der Hauptsache unbegründet wäre, so würde den Beschwerdeführern zu 2. bis 6. die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erlaubt, was ebenfalls nicht mehr rückgängig gemacht werden könnte. Würde zudem die einstweilige Anordnung, was hier allein in Betracht kommt, mit verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG begründet, so müsste dies für alle anderen Fälle des Familiennachzugs zu minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen mit subsidiärem Schutzstatus ebenso gelten, was im Ergebnis der Aussetzung des Vollzugs der gesetzlichen Regelung gleichkäme.
Gilt aber für die Beurteilung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 1 BVerfGG bereits ohnehin ein strenger Maßstab, so erhöht sich diese Hürde noch, wenn der Vollzug eines Gesetzes ausgesetzt werden soll (vgl. BVerfGE 3, 41 <44>; 6, 1 <4>; 7, 367 <371>; 64, 67 <69>; 81, 53 <54>; 117, 126 <135>). Das Bundesverfassungsgericht darf von seiner Befugnis, den Vollzug eines Gesetzes auszusetzen, nur mit größter Zurückhaltung Gebrauch machen, weil dies einen erheblichen Eingriff in die originäre Zuständigkeit des Gesetzgebers darstellt (vgl. BVerfGE 104, 23 <27>; 104, 51 <55>; 112, 216 <220>; 112, 284 <292>; 122, 342 <361>; 131, 47 <61>; 140, 99 <106 f.>; 140, 211 <219>; stRspr). Müssen die für eine vorläufige Regelung sprechenden Gründe schon im Regelfall so schwer wiegen, dass sie den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabdingbar machen, so müssen sie im Fall der begehrten Außervollzugsetzung eines Gesetzes darüber hinaus besonderes Gewicht haben (vgl. BVerfGE 82, 310 <313>; 104, 23 <27 f.>; 117, 126 <135>; 122, 342 <361 f.>; 140, 99 <107>; 140, 211 <219>; stRspr). Auch wenn die jeweiligen Nachteile der abzuwägenden Folgenkonstellationen einander in etwa gleichgewichtig gegenüberstehen, verbietet es die mit Blick auf die Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG) notwendige Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts, das angegriffene Gesetz auszusetzen, bevor geklärt ist, ob es vor der Verfassung Bestand hat (vgl. BVerfGE 104, 51 <60>; 106, 369 <376>; 108, 45 <51>; 140, 99 <107>).
Eine Suspendierung der gesetzlichen Regelung des § 104 Abs. 13 AufenthG würde den verbleibenden Zeitraum bis zum 16. März 2018 betreffen, für den sie Geltung beansprucht, da eine frühere Entscheidung in der Hauptsache nicht zu erwarten ist. Das Ziel des Gesetzgebers, "im Interesse der Integrationssysteme in Staat und Gesellschaft" (vgl. BTDrucks 18/7538 S. 1) Einreisen der Familienangehörigen von subsidiär Schutzberechtigten in diesem Zeitraum gerade nicht zu ermöglichen, würde dadurch insoweit vollständig vereitelt. [...]