Landesbehörden

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Zitieren als:
Landesbehörden, Entscheidung vom 27.09.2017 - 14.12-12230/1-8/§ 60a) - asyl.net: M25532
https://www.asyl.net/rsdb/M25532
Leitsatz:

Innenministerium Niedersachsen zu den Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums zur Duldungserteilung

1. Entgegen den Hinweisen des BMI (M25126, Asylmagazin 7–8/2017, S. 309) liegt ein rechtliches Abschiebungshindernis vor, sobald eine Härtefalleingabe zur Beratung angenommen wurde. Bei in wenigen Wochen bevorstehendem Schul- oder Ausbildungsabschluss ist der Abschluss zu ermöglichen.

2. Für die Ausbildungsduldung kann die Ausbildung bereits durch Vorlage des Ausbildungsvertrags nachgewiesen werden und nicht erst durch Eintragung in die "Lehrlingsrolle". Entgegen den Hinweisen des BMI schließt die vorsätzliche Verletzung der Passbeschaffungspflicht die Ausbildungsduldung nicht aus. Die Beantragung von Passersatzpapieren stellt nur dann eine aufenthaltsbeendende Maßnahme dar, wenn der Herkunftsstaat diese erfahrungsgemäß in einer angemessenen Zeit ausstellen wird. Das Arbeitsverbot wegen fehlender Mitwirkung an der Identitätsklärung greift nur, wenn dadurch kausal die Abschiebung verhindert wird.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Ausbildungsduldung, Duldung, aufenthaltsbeendende Maßnahmen, Erlass, Abschiebungshindernis, Härtefallkommission, Schulabschluss, Ausbildung, Passbeschaffung, Passersatz, Mitwirkungspflicht, Kausalität, Täuschung über Identität, Ermessensduldung, Anspruchsduldung, tatsächliche Unmöglichkeit, rechtliche Unmöglichkeit, Ausweisungsinteresse, Abschiebungshindernis, Auslieferungsverfahren, Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung, öffentliches Interesse, besonderes öffentliches Interesse,
Normen: AufenthG § 60a, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 4,
Auszüge:

[...]

Teil I Allgemeines

Die Duldung nach § 60a AufenthG bewirkt lediglich eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, dessen Ausreisepflicht durch die Duldung unberührt bleibt. Die Duldung erschöpft sich mithin in dem Verzicht der Behörde auf die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht. Hierdurch wird kein Aufenthaltsrecht begründet.

Die Ausländerbehörden sollten daher Duldungen nur für den voraussichtlichen Zeitraum der konkret bestehenden Unmöglichkeit der Abschiebung bzw. des Erfordernisses der Anwesenheit im Bundesgebiet erteilen. Die Gründe für die Duldungserteilung sind regelmäßig, spätestens alle drei Monate, auch mit Blick auf das Primat der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht zu überprüfen. Nur in begründeten Einzelfällen, wenn z.B. der Wegfall der Unmöglichkeit in dieser Frist ausgeschlossen erscheint, kann die Duldung ausnahmsweise für einen längeren Zeitraum erteilt werden und sollte mit einer auflösenden Bedingung verbunden werden.

Die regelmäßige Überprüfung entfällt im Falle einer "Ausbildungsduldung", da diese für die im Ausbildungsvertrag bestimmte Gesamtdauer der Berufsausbildung zu erteilen ist (vgl. § 60a Absatz 2 Satz 5 AufenthG).

Im Wesentlichen sind zwei Varianten von Duldungen zu unterscheiden: Zum einen sieht § 60a Absatz 1 AufenthG die Möglichkeit von Duldungen aufgrund eines Abschiebungsstopps vor, die allgemein auf bestimmte Ausländergruppen oder für Rückführungen in bestimmte Staaten Anwendung finden. So besteht derzeit ein bundesweiter Abschiebungsstopp in Bezug auf Syrien. Zum anderen gibt es Duldungen im Einzelfall nach § 60a Absätze 2, 2a und 2b AufenthG.

Ob die Ausreisepflicht eines nicht geduldeten ausreisepflichtigen Ausländers vollzogen wird, steht nicht im Ermessen der Ausländerbehörde. Sowohl das nationale (§ 58 Absatz 1 Satz 1 AufenthG) als auch das europäische (Artikel 8 Absatz 1 der Richtlinie 2008/115/EG) Recht sehen zwingend vor, dass die vollziehbare Ausreisepflicht erforderlichenfalls auch zwangsweise durchgesetzt wird.

Grenzübertrittsbescheinigungen (GÜB) sind kein Aufenthaltstitel, ebenso wenig handelt es sich bei diesen Dokumenten um Duldungen. Um praktischen Bedürfnissen Rechnung zu tragen und zur Erleichterung von Rückführungsmaßnahmen bietet es sich in geeigneten Fällen gleichwohl an, diese Dokumente auszustellen, z.B. als Überbrückung bis zur tatsächlichen Ausreise in Fällen, in denen der Zeitpunkt der Abschiebung feststeht. [...]