1. Das BAMF darf Originaldokumente nicht vernichten, sondern ist verpflichtet diese weiterhin physisch aufzuheben, denn nur so kann ein gescanntes Dokument noch für Urkundsbeweise genutzt werden.
2. Ein solches Verhalten hat sich die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Beweislast zurechnen zu lassen mit der Folge, dass das Gericht davon ausgehen muss, dass die eingescannten Dokumente echt sind und wegen ihres Inhalts die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen.
(Leitsätze der Redaktion, zu den Anforderungen an die Aktenführung vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 09.08.2017 - 6 K 808/17.WI.A - asyl.net: M25523)
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Vorliegend muss das Gericht davon ausgehen, dass der Kläger aufgrund seiner Verurteilung zu 80 Peitschenhieben unmenschlicher Behandlung ausgesetzt worden ist. Eine weitere und genaue Überprüfung ist nicht möglich. Nach den Angaben der Kläger wurden sämtliche Unterlagen, inklusive der Heiratsurkunde und der Taufbescheinigung im Original bei der Anhörung in Offenbar abgegeben. Sie wurden den Klägern nicht zurückgereicht. Das Schreiben des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge an die Ausländerbehörde enthält jedoch den Hinweis, dass dem Bundesamt keine sonstigen Originalunterlagen vorliegen. Insoweit muss das Gericht davon ausgehen, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Urkunden und Beweismittel, insbesondere das abgegebene Gerichtsurteil vernichtet hat und damit dem Gericht die Möglichkeit entzogen hat, dieses ordnungsgemäß einer Beweisführung zuzuführen. Diese Beweisunterdrückung geht zu Lasten der Bundesrepublik Deutschland (in diesem Sinne ebenfalls FG Düsseldorf, Urteil vom 07. März 2017 - 10 K 2424/15 Kg,AO -, Rn. 33 nach juris).
Dabei ist zu beachten, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verpflichtet ist, bei dem Verfahren die Vollständigkeit und Integrität der Akte zu beachten, was bedeutet, dass die Behörde, gleich, ob die Akte manuell oder elektronisch geführt wird, sicherzustellen hat, dass die Akten vollständig und wahrheitsgetreu geführt werden, was vorliegend wohl nicht der Fall ist.
Soweit das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge federführend elektronische Akten bezüglich des Asylverfahrens führen möchte, umfasst der Grundsatz der ordnungsgemäßen Aktenführung der Pflicht der Behörde zur objektiven Dokumentation des bisherigen im wesentlichen sachbezogenen Geschehensablaufs und folgt aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass nur eine geordnete Aktenführung einen rechtsstaatlichen Verwaltungsvollzug mit der Möglichkeit der Rechtskontrolle durch Gerichte und Aufsichtsbehörden ermöglicht (vgl. Minikommentar zur Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften erstellt durch BSI-Referat O2, § 6 Erläuterung 4). Daraus ergibt sich die Verpflichtung der öffentlichen Verwaltung und damit vorliegend des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, elektronische Akten so zu führen, dass diese alle wesentlichen Verfahrenshandlungen vollständig und nachvollziehbar abbilden (Gebot der Vollständigkeit und Nachvollziehbarkeit) und diese wahrheitsgemäß aktenkundig machen (Gebot wahrheitsgetreuer Aktenführung - vgl. Minikommentar zum Gesetz der Förderung der elektronischen Verwaltung sowie zur Änderung weiterer Vorschriften, erstellt durch BSI, Referat O2, § 6 Erläuterung 4). Daran scheitert es schon bei der geforderten Schriftlichkeit des Asylbescheides nach § 31 Abs. 1 Satz 1 AsylG.
Werden Schriftsätze und Dokumente eingescannt, hat das Bundesamt sicherzustellen, dass eine Übereinstimmung zwischen Papierdokument und Originaldokument sichergestellt ist. Hierbei sind die vom BSI entwickelten Anforderungen der technisch organisatorischen Art als Kennprozesse zu beachten (vgl. BSI Technische Richtlinien 03138 - ersetzen des Scannens, Stand: 25.10.2016, nebst sämtlichen dazugehörigen Anlagen). Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein eingescanntes Dokument, das in elektronischer Form vorliegt, im Unterschied zu Papierdokumenten keine Urkunde ist, da es nicht in verkörperter Form vorliegt und auch ohne technische Hilfsmittel nicht lesbar ist. Dann kann auch ein gescanntes Dokument nicht für Urkundsbeweise genutzt werden, sondern ist der Scan lediglich Gegenstand des Augenscheins. Insoweit sind zum Beispiel Urkunden, Einlieferungsscheine, Urteile und Protokolle einer mündlichen Verhandlung nicht zu vernichten, sondern gesondert in Papierform aufzubewahren, auch wenn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ggf. durch bewusste Urkundenvernichtung ständig gegen die Grundsätze einer ordnungsgemäßen Aktenführung verstößt (vgl. VG Wiesbaden, Urteil vom 28.12.2016, Az.: 6 K 332/16.WI.A).
Die elektronischen Dokumente werden vom Bundesamt auch nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, dies mit der Folge, dass sie gegenüber Papierurkunden einen geringeren Beweiswert aufweisen. So sind bei Papierdokumenten die Unversehrtheit des Dokuments und eventuelle Veränderungen leicht erkennbar. Diese können nicht zuletzt durch Sachverständige festgestellt werden. Auch ist die handschriftliche Unterschrift ein biometrisches Merkmal, welches eine eindeutige Zuordnung des Ausstellers erkennen lässt, was der Vorsitzende aus seiner früheren Tätigkeit als Strafrichter - auch bezüglich der Fälschungserkennung - von Amtswegen bekunden kann.
Scannt man eine Urkunde ein und vernichtet die Originale, liegen allenfalls Kopien vor. Kopien erwecken zwar den Rechtsschein, Abbildung des Originals zu sein, ihre inhaltliche Unverfälschtheit steht jedoch nicht fest (vgl. Erlass des BMI, Zulässig der Vervielfältigung von Personalausweis und Reisepässe vom 29.03.2011, Az.: IT 4 - 64400/4#15). Wenn schon das Bundesministerium des Inneren zu der Erkenntnis gelangt, dass eine inhaltliche Unverfälschtheit bei Kopien nicht feststeht, müsste dies eigentlich auch den nachgeordneten Behörden wie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nachvollziehbar sein und sich diese Erkenntnisprozesse durchsetzen, was beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ganz offensichtlich durch ständige Vernichtung von Originalurkunden gerade nicht der Fall ist.
Nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Aktenführung sind selbst bei der Führung einer elektronischen Akte Urkunden (z.B. original unterschriebene Bescheide, Zustellungsurkunden, Urteile, Urteile fremder Staaten, Heiratsurkunden, Scheidungsurteile, usw.) gerade nicht zu vernichten, sondern weiterhin aufzuheben. Ein Grundsatz, gegen den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge rechtsstaatswidrig verstößt.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verstößt gegen die Grundsätze der ordnungsgemäßen Aktenführung, wenn ein im Original vorgelegtes Strafurteil eingescannt und vernichtet wird. Damit wird dem Gericht jegliche Möglichkeit einer Überprüfung und Kontrolle genommen. Ein solches Verhalten hat sich die Bundesrepublik Deutschland im Rahmen der Beweislast zurechnen zu lassen (in diesem Sinne ebenfalls FG Düsseldorf, Urteil vom 07. März 2017 - 10 K 2424/15 Kg,AO -, Rn. 33 nach juris). Dies mit der Folge, dass das Gericht davon ausgehen muss, dass der Kläger zu 1) im Iran bereits menschenrechtswidrige Behandlung durch Auspeitschung oder deren Anordnung erfahren hat. [...]