Bundesministerium des Innern

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Bundesministerium des Innern, Entscheidung vom 30.05.2017 - - asyl.net: M25126
https://www.asyl.net/rsdb/M25126
Leitsatz:

Bundesinnenministerium: (Unverbindliche) Anwendungshinweise zu § 60a AufenthG

1. Allgemein: Es gibt zwei Varianten von Duldungen:

Zum einen solche aufgrund eines Abschiebungsstopps nach § 60a Abs. 1 AufenthG für bestimmte Gruppen für höchstens drei Monate. Ein solcher Abschiebungsstopp besteht z. B. bundesweit in Bezug auf Syrien. Zum anderen gibt es Duldungen im Einzelfall nach § 60a Abs. 2, 2a und 2b AufenthG. Duldungsgründe sollen künftig spezifischer im AZR erfasst werden. Grenzübertrittsbescheinigungen sind weder Aufenthaltstitel noch Duldungen. Ihre Ausstellung bietet sich an, wenn der Zeitpunkt der Abschiebung feststeht.

2. Tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung:

Von einer tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung ist insbesondere bei Passlosigkeit, fehlender Übernahmebereitschaft des Zielstaats, fehlender Transportmöglichkeit oder fehlender Reisefähigkeit auszugehen.

Spätestens alle drei Monate ist zu prüfen, ob das Abschiebungshindernis noch besteht. Bei fehlender Mitwirkung der betroffenen Person ist die Duldung regelmäßig nur für jeweils einen Monat zu verlängern, und es sind die nach dem AsylbLG zuständigen Behörden um Prüfung von Leistungskürzungen zu bitten.

Eine rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung liegt insbesondere in folgenden Fällen vor:

- bei Abschiebungsverboten nach § 60 AufenthG, wenn z. B. wegen Ausweisungsinteresse keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden kann;

- bei unzumutbarer Beeinträchtigung des Familienlebens;

- bei bevorstehender Eheschließung;

- während der Mutterschutzzeiten.

Kirchenasyl, die Befassung der Härtefallkommission oder eine Petition stellen im Regelfall kein rechtliches Abschiebungshindernis dar.

3. Ermessensduldung: Eine Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 S. 3 AufenthG sollte regelmäßig drei Monate nicht überschreiten und kann insbesondere erteilt werden zur Erledigung persönlicher Angelegenheiten, bei vorübergehender Erkrankung, bei absehbarem Abschluss eines Studiums oder bei berufsvorbereitenden Maßnahmen.

4. Ausbildungsduldung: Der Ausbildungsvertrag ist durch Eintragung in die Lehrlingsrolle (bzw. mit sog. "Geprüft-Stempel") nachzuweisen. Auch schulische Ausbildungen und duale Studiengänge fallen in den Anwendungsbereich der Ausbildungsduldung.

Das Ermessen in Bezug auf die Beschäftigungserlaubnis ist weitgehend reduziert, wenn die Voraussetzungen für die Ausbildungsduldung vorliegen. Es kann jedoch berücksichtigt werden, wenn die Passbeschaffungspflicht vorsätzlich verletzt wird oder ein Asylantrag zurückgenommen wird, um das Arbeitsverbot zu umgehen.

Beim Arbeitsverbot für Staatsangehörige sicherer Herkunftsstaaten kommt es für die Stichtagsregelung des § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3 AufenthG auf den förmlichen Asylantrag, nicht auf das Asylgesuch an.

Die Ausbildungsduldung darf nur erteilt werden, wenn die Ausbildung in wenigen Wochen tatsächlich beginnt. Vorher kommt eine Ermessensduldung in Betracht, wobei das Ermessen reduziert ist.

Zum Zeitpunkt der Beantragung der Ausbildungsduldung dürfen keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingeleitet worden sein. Die Beantragung von Pass(ersatz-)papieren stellt eine solche Maßnahme dar, außer wenn die Bearbeitung durch den Herkunftsstaat nicht erfolgt.

Auch wenn ein Asylantrag wegen Unzuständigkeit abgelehnt und ein Dublin-Überstellungsverfahren eingeleitet wurde, ist von solchen Maßnahmen auszugehen. Bei Aufnahme einer Ausbildung während des Asylverfahrens und fehlender Mitwirkung an der Identitätsaufklärung nach Ablehnung kann die Ausbildung nicht fortgeführt werden.

5. Duldung der Eltern von gut integrierten Jugendlichen:

Die Eltern und Geschwister von gut integrierten Jugendlichen sollen nach § 60a Abs. 2b AufenthG geduldet werden, außer wenn sie fortgesetzt Straftaten begehen.

6. Vermutungsregelungen bei gesundheitlichen Abschiebungshindernissen:

Bei Zweifeln an der Befugnis einer Person, ein Attest auszustellen, soll die Approbation in Online-Registern der Ärztekammern recherchiert werden. Die ärztliche Bescheinigung ist in Textform auszustellen, wird üblicherweise mit Praxisstempel und Unterschrift versehen und ist grundsätzlich im Original vorzulegen.

Die Bescheinigung muss nicht in jedem Fall schematisch genau den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, insbesondere bei gravierenden Fällen. Bei psychischer Traumatisierung unterhalb der Schwelle einer PTBS kann regelmäßig keine schwerwiegende Erkrankung angenommen werden. Selbst bei Annahme einer nicht völlig auszuschließenden Suizidgefahr liegt nicht zwangsläufig ein Abschiebungshindernis vor, bei Abschiebung ist der Gefahr wirksam zu begegnen.

Die Bescheinigung ist unverzüglich, also regelmäßig innerhalb von zwei Wochen vorzulegen. Die vorgesehene Belehrung erfolgt üblicherweise im Rahmen der Abschiebungsandrohung.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: Duldung, aufenthaltsbeendende Maßnahmen, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Grenzübertrittsbescheinigung, Abschiebung, Pass, Abschiebungshindernis, Mitwirkungspflicht, Ausweisung, Härtefallkommission, Kirchenasyl, Ausbildungsduldung, Arbeitserlaubnis, Arbeitsgenehmigung, sichere Herkunftsstaaten, Arbeitsverbot, Posttraumatische Belastungsstörung, Erlass, Attest,
Normen: AufenthG § 60a, AufenthG § 60a Abs. 1, AufenthG § 60a Abs. 2, AufenthG § 60a Abs. 2a, AufenthG §60a Abs. 2b, AufenthG § 60, AufenthG § 60a Abs. 2 S. 3, AufenthG § 60a Abs. 6 S. 1 Nr. 3, AufenthG § 60a Abs. 2b
Auszüge:

[...]

Teil I Allgemeines

Die Duldung nach § 60a AufenthG bewirkt lediglich eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung eines vollziehbar ausreisepflichtigen Ausländers, dessen Ausreisepflicht durch die Duldung unberührt bleibt. Die Duldung erschöpft sich mithin in dem Verzicht der Behörde auf die Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht. Hierdurch wird kein Aufenthaltsrecht begründet.

Die Ausländerbehörden sollten daher Duldungen nur für den voraussichtlichen Zeitraum der konkret bestehenden Unmöglichkeit der Abschiebung bzw. des Erfordernisses der Anwesenheit im Bundesgebiet erteilen. Die Gründe für die Duldungserteilung sind regelmäßig, spätestens alle drei Monate, auch mit Blick auf das Primat der Durchsetzung der vollziehbaren Ausreisepflicht zu überprüfen. Nur in begründeten Einzelfällen, wenn z.B. der Wegfall der Unmöglichkeit in dieser Frist ausgeschlossen erscheint, kann die Duldung ausnahmsweise für einen längeren Zeitraum erteilt werden und sollte mit einer auflösenden Bedingung verbunden werden.

Teil III Individuelle Aussetzung der Abschiebung - Duldung im Einzelfall

a) Tatsächliche Unmöglichkeit:

Eine Abschiebung ist tatsächlich unmöglich, wenn sie auf praktische Schwierigkeiten stößt, die nicht oder nur mit unvertretbarem Aufwand zu beheben sind. Es sind dies Hindernisse, die die Art und Weise der Durchsetzung der gesetzlichen Ausreisepflicht betreffen.

Von einer tatsächlichen Unmöglichkeit der Abschiebung ist insbesondere in folgenden Fällen auszugehen:

- bei Passlosigkeit des Ausländers und der Aussicht, dass dieser auf unabsehbare Zeit ohne Pass bleiben wird (zur Mitwirkungspflicht s.u.),

- bei dauerhaft fehlender Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, z.B. wenn die Abschiebung selbst mit einem Reisedokument nicht möglich ist oder eine Rückführung ohne gültige Dokumente nicht in Betracht kommt,

- bei fehlenden Transportmöglichkeiten (z.B. fehlende Flugverbindungen) bzw. unterbrochenen Verkehrsverbindungen,

- wenn der Staat, in den abgeschoben werden soll, seine Grenzen schließt,

- bei fehlender Reise- und Transportfähigkeit, z.B. wegen einer Krankheit oder einer Risikoschwangerschaft (siehe Näheres hierzu unter Teil V).

Es ist regelmäßig, spätestens alle drei Monate, nachzuhalten, ob das Abschiebungshindernis noch besteht, so dass bei Wegfall ohne Verzug die Durchsetzung der Ausreisepflicht konsequent weiter verfolgt werden kann. Dies gilt insbesondere in Fällen, in denen die Abschiebung wegen Ankündigung bzw. Durchführung eines Hungerstreiks, bei asyltaktisch behaupteter Ankündigung suizidaler Absichten oder bei Drohungen gegenüber dem Transport- und Begleitpersonal gescheitert ist.

Gegenüber denjenigen, die die Mitwirkung im ausländerrechtlichen Verfahren verweigern, ist gezielt auf eine Beseitigung des Abschiebungshindernisses hinzuwirken. Beispielsweise gilt auch für geduldete Ausländer, dass zumutbare Anforderungen zur Erlangung eines anerkannten und gültigen Passes bzw. Passersatzes erfüllt und entsprechende zumutbare Bemühungen nachgewiesen werden müssen. Auf die Pflicht zur eigenen Beibringung eines anerkannten Passes oder Passersatzes durch den Ausländer (Bringschuld) nach § 56 Absatz 1 Nummer 1 bis 3 der Aufenthaltsverordnung (AufenthV) wird hingewiesen. In allen Fällen einer fehlenden Mitwirkung ist die Duldung regelmäßig nur für jeweils einen Monat zu verlängern.

b) Rechtliche Unmöglichkeit

Rechtliche Gründe stehen der Aussetzung entgegen, wenn sich aus dem nationalen oder europäischen Recht, Verfassungsrecht oder Völkergewohnheitsrecht ein zwingendes Abschiebungsverbot ergibt. Eine rechtliche Unmöglichkeit liegt insbesondere in folgenden Fallkonstellationen vor:

- Bei Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach § 60 Absatz 1 bis 5 sowie 7 AufenthG, insbesondere weil im Herkunftsland die Folter droht, und zugleich die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Absatz 3 AufenthG nicht in Betracht kommt, etwa wegen Vorliegens von Ausweisungsinteressen. Das Vorliegen von Abschiebungshindernissen nach Absatz 5 und 7 ist von der Ausländerbehörde zu prüfen, soweit es sich nicht um Asylantragsteller handelt. Das nach § 72 Absatz 2 AufenthG bestehende Beteiligungserfordernis ist zu beachten.

- Bei Bestehen einer Abschiebungssperre während des Auslieferungsverfahrens (§ 60 Absatz 4 AufenthG).

- Bei fehlender, aber erforderlicher Zustimmung der Staatsanwaltschaft oder der Zeugenschutzdienststelle nach § 72 Absatz 4 AufenthG.

- Bei unzumutbarer Beeinträchtigung des Rechts auf Wahrung des Ehe- und Familienlebens.

- Für unbegleitete minderjährige Ausländer ist die Regelung des § 58 Absatz 1a AufenthG zu beachten.

- Wenn die Eheschließung oder Eintragung einer Lebenspartnerschaft mit einer deutschen oder aufenthaltsberechtigten ausländischen Person sicher erscheint und unmittelbar bevorsteht sowie das durch die Anmeldung zur Eheschließung beim zuständigen Standesamt eingeleitete Verwaltungsverfahren zur Prüfung der Ehefähigkeit nachweislich abgeschlossen ist und seitdem nicht mehr als sechs Monate vergangen sind (vgl. Ziffer 30.0.6 AVV AufenthG). In diesem Fall besteht ein Duldungsanspruch, wenn der Eheschließung nur noch Umstände entgegenstehen, die nicht in den Zuständigkeitsbereich der Verlobten fallen.

- Bei einer Schwangerschaft der Ausländerin während der Mutterschutzzeiten vor und nach der Geburt.

2.) Ermessensduldung (§ 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG)

Nach § 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Es ist in jedem Einzelfall eine Abwägung zu treffen, ob das öffentliche Interesse an der tatsächlich möglichen und rechtlich zulässigen Aufenthaltsbeendigung überwiegt oder diese Maßnahme eine erhebliche Härte für den Ausländer bedeuten würde, ohne dass ein zwingender Duldungsgrund nach § 60a Absatz 2 Satz 1 AufenthG gegeben wäre.

Dringende humanitäre oder persönliche Gründe sind insbesondere in folgenden Fallkonstellationen denkbar:

- bei einem in wenigen Wochen bevorstehenden Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung, sofern dieser Fall nicht bereits unter § 60a Absatz 2 Satz 4ff. AufenthG fällt oder §§ 25 Absatz 5, 25a AufenthG einschlägig sind. Auf die Ziffern 60a.2.3.1 i. V. m. 25.4.1.6.1 AVwV-AufenthG wird verwiesen,

- Erledigung wichtiger persönlicher oder finanzieller Angelegenheiten, wie z.B. nach dem Tod eines nahen Angehörigen,

- vorübergehende Betreuung eines schwer erkrankten Familienangehörigen,

- vorübergehende Erkrankung, die noch nicht zur Reise- und Transportunfähigkeit führt und eine zeitnahe Ausreise sichergestellt ist, beispielsweise bei Abschluss einer bereits begonnenen ärztlichen Behandlung,

- im Falle eines Studiums, wenn aufgrund der bisherigen Studienleistungen ein erfolgreicher Abschluss in absehbarer Zeit zu erwarten ist,

- bei berufsvorbereitenden Maßnahmen, sofern ein Ausbildungsvertrag für eine anschließende qualifizierte Berufsausbildung zuverlässig belegt ist oder der regelhafte Übergang aus der Qualifizierungsmaßnahme in qualifizierte Berufsausbildung nachgewiesen werden kann und eine Duldungserteilung nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG noch nicht möglich ist (im Einzelnen s.u. IV.).

Erhebliche öffentliche Interessen sind z.B. anzunehmen in Fällen, in denen

- der Betroffene Beteiligter eines gerichtlichen Verfahrens ist oder in einem Ermittlungsverfahren als Zeuge oder Angeschuldigter benötigt wird (sofern die Regelungen der §§ 60a Absatz 2 Satz 2, 25 Absatz 4a oder 4b AufenthG nicht greifen),

- fiskalische Gründe den Ausschlag für die weitere Anwesenheit des Ausländers geben. Dies kann beispielsweise Vorkommen, wenn Angehörige durch die Anwesenheit des Ausländers nicht auf staatliche Unterstützungsleistungen angewiesen wären.

Teil IV Sonderfall: Ausbildunqsduldunq (§ 60a Absatz 2 Satz 4 ff. AufenthG)

1. Qualifizierte Berufsausbildung

Zwingende Voraussetzung ist nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG, dass der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat.

Eine qualifizierte Berufsausbildung liegt nach § 6 Absatz 1 Satz 2 BeschV vor, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt. Danach ist die generell vorgesehene Dauer der Ausbildung maßgeblich, nicht die individuell in Anspruch genommene Ausbildungsdauer, die bei Anrechnung bestimmter Vorausbildungen zu einer verkürzten Ausbildungszeit führen kann.

Neben qualifizierten betrieblichen Berufsausbildungen, die als duale Berufsausbildungen durchgeführt werden, fallen auch qualifizierte Berufsausbildungen an Berufsfachschulen oder Fachschulen in den Anwendungsbereich dieser Regelung. In diesen Fällen ist der Vertrag mit oder die Aufnahmezusage/Anmeldebestätigung der jeweiligen staatlichen oder privaten Schule mit Bezeichnung des konkreten Ausbildungsberufes vorzulegen. Die Anmeldung allein ist nicht ausreichend.

Auch im Zusammenhang mit dualen Studiengängen ist der Anwendungsbereich der Ausbildungsduldung eröffnet, wenn - unter zeitlicher und inhaltlicher Verzahnung von Studien- und Ausbildungsphasen - parallel ein Studium und eine Berufsausbildung absolviert wird und die Absolventen den jeweiligen Hochschulabschluss sowie einen anerkannten dualen Berufsabschluss nach dem Berufsbildungsgesetz oder der Handwerksordnung erwerben. Die Ausbildungsduldung wird jedoch nur für die Zeit der Berufsausbildung erteilt. Sofern nach Abschluss der Berufsausbildung ein der beruflichen Qualifikation entsprechendes Arbeitsverhältnis besteht, ist unter den Voraussetzungen von § 18a Absatz 1a AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Im Übrigen kann eine Duldung aus persönlichen Gründen nach 60a Absatz 2 Satz 3 AufenthG in Betracht kommen, wenn aufgrund der bisherigen Studienleistungen ein erfolgreicher Abschluss in absehbarer Zeit zu erwarten ist.

2. Erteilung der Beschäftiqunqserlaubnis

Ein Antrag auf Erteilung einer Duldung nach § 60a Absatz 2 Satz 4 ff. AufenthG ist zugleich auch als Antrag auf die Erteilung der erforderlichen Beschäftigungserlaubnis nach § 4 Absatz 2 Satz 3 AufenthG auszulegen. Die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit ist für die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis für eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf nicht erforderlich (§ 32 Absatz 2 Nr. 2 BeschV).

Die Erteilung der Beschäftigungserlaubnis steht nach § 4 Absatz 2 Satz 3 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörden. Wenn die Voraussetzungen von § 60a Absatz 2 Satz 4 ff. AufenthG vorliegen, ist das Ermessen in Bezug auf die Beschäftigungserlaubnis in der Regel zugunsten des Ausländers weitgehend reduziert, um den Anspruch des Ausländers auf Duldungserteilung nach § 60a Absatz 2 Satz 4 AufenthG nicht zu konterkarieren.

Gleichwohl ist das Ermessen auch in diesem Fall nicht automatisch auf Null reduziert, im Einzelfall können beispielsweise folgende Gesichtspunkte berücksichtigt werden:

- Die vorsätzliche Verletzung der Passbeschaffungspflicht, wenn dies wegen fehlender Kausalität nicht den Ausschlusstatbestand des § 60a Absatz 6 Satz 1 Nr. 2 AufenthG begründet (vgl. Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05. April 2007 - 7 A 10108/07 -, juris Rn. 14).

- In Fällen, in denen Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten ihren Asylantrag nachweislich nach dem 31.08.2015 gestellt haben, diesen jedoch vor Ablehnung durch das Bundesamt zurücknehmen, kann dies ein Indiz dafür sein, dass die Rücknahme auch mit dem Ziel erfolgte, den Versagungsgrund nach § 60a Absatz 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG nicht zu erfüllen. Ein solcher Sachverhalt kann als Umgehung der vorgesehenen Verfahren zur Erlangung einer Duldung zu Ausbildungszwecken berücksichtigt werden.

Gleiches gilt für Ausländer, die bewusst keinen Asylantrag stellen, um nicht unter das Erwerbstätigkeitsverbot nach § 60a Absatz 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG zu fallen oder als unbegleitete Minderjährige nach Ablehnung eines Asylantrags zurückgeführt zu werden.

Im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 4 Absatz 2 Satz 3 AufenthG über die Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis kann hingegen nicht zu Lasten des Ausländers berücksichtigt werden, dass die genehmigte Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung u.U. in einem zweiten Schritt nach § 60a Absatz 2 Satz 4 ff. AufenthG die Erteilung einer Duldung bewirkt.

Teil VI Duldung der Eltern von gut integrierten Jugendlichen (§ 60a Absatz 2b)

§ 60a Absatz 2b AufenthG regelt die Aussetzung der Abschiebung für Eltern von minderjährigen Kindern, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a AufenthG erhalten haben (Aufenthalt bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden), soweit für die Eltern nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 2 AufenthG vorliegen. Damit wird die Aussetzung der Abschiebung der Eltern bis zum Erreichen der Volljährigkeit zur Ausübung der Personensorge ermöglicht. Bei der erforderlichen familiären Lebensgemeinschaft muss es sich nicht nur um eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft, sondern um eine Beistandsgemeinschaft handeln. Die Aussetzung der Abschiebung gilt auch für die minderjährigen Kinder, die in familiärer Lebensgemeinschaft mit ihren Eltern leben. Die Regelung ist als "Soll-Vorschrift" konzipiert. Sollte das öffentliche Interesse, dass die Eltern bzw. der Elternteil das Bundesgebiet unverzüglich verlassen müssen, das private Interesse an der Aufrechterhaltung der familiären Lebensgemeinschaft im Einzelfall deutlich überwiegen, liegt eine Atypik vor, die einer Aussetzung der Abschiebung entgegensteht. Dies kann z.B. bei fortgesetzten Straftaten der Eltern oder minderjährigen Geschwister der Fall sein.

Teil VII Vermutunqsreqelunq bei gesundheitlichen Gründen (§ 60a Absatz 2c und 2d AufenthG)

1.) Aussteller qualifizierter ärztlicher Bescheinigungen

Die ausstellende Person muss eindeutig erkennbar und berechtigt sein, in der Bundesrepublik Deutschland die Bezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" zu führen. Nach § 2a der Bundesärzteordnung ist hierfür Voraussetzung, dass diese Person als Arzt approbiert oder nach § 2 Absatz 2, 3 oder 4 der Bundesärzteordnung zur Ausübung des ärztlichen Berufs befugt ist.

Bestehen Zweifel an der Befugnis der ausstellenden Person, die Bezeichnung "Arzt" oder "Ärztin" zu führen, kann die für den Niederlassungsort der Person zuständige Ärztekammer beteiligt werden. Da zumindest zahlreiche niedergelassene Ärzte in Online-Registern der Ärztekammern verzeichnet sind, kann eine aufwändigere förmliche Beteiligung entfallen, wenn eine Online-Recherche in diesen Registern einen positiven Treffer ergibt. Das Einstiegsportal zu diesen Online-Portalen der Ärztekammern ist hierzu finden: www.bundesaerztekammer.de/service/arztsuche/.

2.) Form qualifizierter ärztlicher Bescheinigungen

Die Form der Bescheinigung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben; aus dem Begriff Bescheinigung geht allerdings hervor, dass es sich um einen Text handeln muss, deren Aussteller erkennbar ist. Je formloser die Bescheinigung ist, die vorgelegt wird (etwa: reine Textform; Fehlen der typischen Merkmale ärztlicher Bescheinigungen wie Praxisstempel und Unterschrift), desto größere Sorgfalt ist auf die Prüfung der Echtheit zu legen. Dabei ist zu beachten, dass ärztliche Bescheinigungen derzeit üblicherweise noch in Papierform mit Praxisstempel und Unterschrift ausgestellt werden.

3.) Inhalt qualifizierter ärztlicher Bescheinigungen

In Fällen einer psychischen Traumatisierung unterhalb der Schwelle einer Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) kann regelmäßig keine schwerwiegende Erkrankung angenommen werden, die zu einem Abschiebungshindernis führt, es sei denn, die Abschiebung führt zu einer wesentlichen Gesundheitsgefährdung bis zu einer Selbstgefährdung. Allerdings liegt selbst bei Annahme einer nicht völlig auszuschließenden Suizidgefahr nicht zwangsläufig ein krankheitsbedingtes Abschiebungshindernis vor; vielmehr ist die Abschiebung von der Ausländerbehörde dann ggf. so zu gestalten, dass einer Suizidgefahr wirksam begegnet werden kann, z.B. durch ärztliche Begleitung auf dem Abschiebungsflug (vgl. BayVGH, Beschluss vom 23.08.2016, Az. 10 CE 15.2784, Rn. 16). [...]