VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Urteil vom 21.04.2017 - A 3 K 3159/16 - asyl.net: M25097
https://www.asyl.net/rsdb/M25097
Leitsatz:

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Minderjährigkeit iSd § 26 Abs. 3 Satz 2 AsylG (juris: AsylVfG 1992) ist sowohl hinsichtlich des Familienangehörigen als auch hinsichtlich des Stammberechtigten der Zeitpunkt der Antragstellung des zuziehenden Geschwisters (wie VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 289/13 – juris [asyl.net: M21830]).

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: Familienflüchtlingsschutz, Familienasyl, Geschwister, Stammberechtigter, minderjährig, Beurteilungszeitpunkt, Antragstellung,
Normen: AsylG § 26 Abs. 3
Auszüge:

[...]

Hieraus folgt, dass der Kläger gem. § 26 Abs. 5, Abs. 3 S. 2 und S. 1 Nr. 1-4 AsylG einen Anspruch auf Familienasyl hat. Denn der Kläger war – ebenso wie seine Schwester als Stammberechtigte – zum Zeitpunkt seiner Asylantragstellung minderjährig. Allein hierauf kommt es an. Unerheblich ist hingegen, ob der Kläger bzw. seine Schwester als Stammberechtigte noch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung minderjährig sind (ebenso VG Hamburg, Urteil vom 05.02.2014 - 8 A 289/13 - juris Rn. 17; VG München, Urteil vom 14.09.2016 - M 11 K 16.32551 - juris Rn. 17; Schröder, in: Hofmann, AuslR, 2. Aufl. 2016, § 26 AsylG Rn. 26). Für den Kläger ergibt sich dies bereits zwanglos aus dem klaren Wortlaut des § 26 Abs. 3 S. 2 AsylG. Gleiches muss jedoch auch für die Schwester des Klägers als Stammberechtigte gelten. Dies ergibt sich aus teleologischen Gründen – wie das VG Hamburg zutreffend ausführt – daraus, dass § 26 Abs. 3 S. 2 AsylG (in Abkehr von § 77 Abs. 1 AsylG) explizit den maßgeblichen Zeitpunkt für die Bestimmung der Minderjährigkeit benennt. Dieser muss nicht nur maßgeblich für die Minderjährigkeit des Familienangehörigen (hier: des Klägers), sondern zugleich für die Minderjährigkeit des Stammberechtigten (hier: der Schwester des Klägers) sein (ebenso VG Hamburg, a.a.O. juris Rn. 20 mit weiterer, zutreffender Begründung). Andernfalls liefe der mit der Regelung des § 26 Abs. 3 S. 2 AsylG verfolgte Zweck des Minderjährigenschutzes und der Aufrechterhaltung der Familieneinheit leer.

Dass i.R.d. § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG etwas anderes gilt (vgl. OVG Bln-Bbg, Beschl. v. 22.12.2016 – OVG 3 S 106.16 - juris Ls. Nr. 1 = NVwZ-RR 2017, 259), ist unschädlich. Denn bei § 26 Abs. 3 S. 1 AsylG geht es (und kann es nur gehen) um den Schutz des minderjährigen Stammberechtigten, zu dem dessen Eltern (oder die sonst Sorgeberechtigten) nachziehen können sollen (vgl. OVG Bln-Bbg, a.a.O. juris Ls. Nr. 2). Bei § 26 Abs. 3 S. 2 AsylG geht es hingegen auch um den Schutz des minderjährigen Familienangehörigen, für dessen Minderjährigkeit es nach dem eindeutigen Wortlaut auf den Zeitpunkt seiner Antragstellung ankommt. Nichts anderes kann daher für den Stammberechtigten gelten, damit der Schutz des minderjährigen Familienangehörigen nicht ins Leere läuft. Denn andernfalls käme es für dessen Schutzanspruch gem. § 26 AsylG darauf dann, dass der Stammberechtigte zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt noch minderjährig ist, wohingegen es – entgegen des klaren Wortlauts des § 26 Abs. 3 S. 2 AsylG – dann unerheblich wäre, ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt dann noch minderjährig ist. Ein solcher Wertungswiderspruch vermag nur dadurch aufgelöst werden, dass es – mit dem VG Hamburg und dem VG München – auch hinsichtlich der Minderjährigkeit des Stammberechtigten auf den Zeitpunkt der Antragstellung des Familienangehörigen (hier: des Klägers) ankommt. [...]