Auswärtiges Amt

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Zitieren als:
Auswärtiges Amt, Erlass/Behördliche Mitteilung vom 20.03.2017 - 508-3-543.53/2 - asyl.net: M24862
https://www.asyl.net/rsdb/M24862
Leitsatz:

Auswärtiges Amt zum Familiennachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen:

1. Die Visumserteilung an Eltern von anerkannten Flüchtlingen nach § 36 Abs. 1 AufenthG ist noch bis zum letzten Tag der Minderjährigkeit möglich. Wenn in solchen Fällen von Ausländerbehörden die Zustimmung verweigert wird, sollte remonstriert werden. Wenn die Volljährigkeit innerhalb von 90 Tagen nach Visumserteilung eintritt, sind Visa auf diesen Zeitraum zu begrenzen.

2. Der Geschwisternachzug kann nach § 32 AufenthG (Nachzug zu Eltern) erfolgen, auch wenn die Eltern lediglich ein Visum haben und noch nicht eingereist sind. Dies gilt nicht, wenn die Volljährigkeit der in Deutschland als Flüchtling anerkannten Person innerhalb von 90 Tagen nach Visumserteilung an die Eltern eintritt.

3. Das Wohnraumerfordernis ist immer zu erfüllen. Von der Lebensunterhaltssicherung ist nur ausnahmsweise in einem atypischen Fall abzusehen. In Einzelfällen kann der Geschwisternachzug bei familienbezogener außergewöhnlicher Härte nach § 36 Abs. 2 AufenthG erfolgen. Dabei liegt nicht automatisch ein atypischer Fall vor, bei dem von der Lebensunterhaltssicherung abgesehen werden kann.

4. Vorgaben zur Beteiligung der Ausländerbehörde und zur Form der Antragsablehnung.

5. Der Nachzug zu Minderjährigen mit subsidiärem Schutz in Deutschland wird bis zum 16.3.2018 nicht gewährt (§ 104 Abs. 13 AufenthG). Eine mögliche humanitäre Aufnahme nach § 22 AufenthG wird zentral vom Referat 508 geprüft und erfordert die Darlegung einer Gefährdungssituation der aufzunehmenden Person.

(Zusammenfassung der Redaktion)

Schlagwörter: unbegleitete Minderjährige, Familienzusammenführung, Erlass, Geschwisternachzug, Familiennachzug, Elternnachzug, minderjährig, Remonstration, Volljährigkeit, Visum, subsidiärer Schutz, Aussetzung, Aussetzung des Familiennachzugs, Aussetzung Familiennachzug, Wohnraumerfordernis, Sicherung des Lebensunterhalts, außergewöhnliche Härte, Härtefall, Ausländerbehörde,
Normen: AufenthG § 36, AufenthG § 32, AufenthG § 36 Abs. 1, AufenthG § 36 Abs. 2, AufenthG § 104 Abs. 13, AufenthG § 22,
Auszüge:

[...]

A. Nachzug der Eltern

Die Eltern eines unbegleiteten minderjährigen Flüchtlings können gemäß § 36 Abs. 1 AufenthG nach Deutschland nachziehen, wenn die/der Minderjährige als Flüchtling oder Asylberechtigte/-r anerkannt wurde und eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 1 oder Abs. 2 Alt. 1 AufenthG hat. Wurde der/dem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling dagegen nach dem 17. März 2016 subsidiärer Schutz zuerkannt (§ 25 Abs. 2 Alt. 2 AufenthG), wird der Nachzug der Eltern bis zum 16. März 2018 nicht gewährt (s. u. C.).

Der Anspruch der Eltern aus § 36 Abs. 1 AufenthG besteht nur, solange die Referenzperson in Deutschland noch minderjährig ist. Die Visumerteilung ist aber grundsätzlich bis zum letzten Tag der Minderjährigkeit noch möglich. Sofern Ausländerbehörden ihre Zustimmung unter Verweis auf das baldige Erreichen des 18. Lebensjahres, eine vorhandene Betreuung o. ä. verweigern, sollte unter Hinweis auf die Formulierung des Gesetzes remonstriert werden. Bleibt die Ausländerbehörde bei der Ablehnung, ist Ref. 509 zu befassen.

Tritt die Volljährigkeit des Schutzberechtigten in Deutschland innerhalb von 90 Tagen nach Visumerteilung ein, ist die Gültigkeit der Visa auf den Zeitraum bis zur Erreichung der Volljährigkeit zu begrenzen.

B. Einreise der Geschwister

I. Kindernachzug gemäß § 32 AufenthG

1. Nachzugsfähiger Aufenthaltstitel der Eltern

Als Folge des Aufenthaltsrechts der Eltern gemäß § 36 Abs. 1 AufenthG kommt die Einreise der Geschwister der Referenzperson im Rahmen des Kindernachzugs gemäß § 32 AufenthG in Betracht. Ein Voraufenthalt der Eltern in Deutschland wird für die Anwendung von § 32 AufenthG nicht verlangt, eine gemeinsame Einreise der Eltern und der Kinder ist möglich (vgl. Nr. 29.1.2.2 VwV-AufenthG, sog. "Vorwirkung des Visums"). Dies gilt nicht für die Fälle, in denen die Volljährigkeit des Schutzberechtigten in Deutschland innerhalb von 90 Tagen nach Visumerteilung für die Eltern eintritt, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Eltern in Deutschland einen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten, der für den Nachzug der Kinder vorausgesetzt wird. Im Visumverfahren der Kinder darf hier insbesondere kein bestimmtes Ergebnis eines möglichen zukünftigen Asylverfahrens der Eltern angenommen werden. Letzteres ist durch obergerichtliche Rechtsprechung bestätigt worden (z. B. OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 4.1.2017 – 3 S 107.16). [...]