Es besteht mit Blick auf die Republik Ungarn gegenwärtig keine reale und durch Tatsachen belegte Gefahr, dass Schutzsuchende aus Ländern des Mittleren Ostens bei einer Rücküberstellung im Rahmen des Dublin-Regimes einem indirekten Verstoß gegen das Zurückschiebungsverbot (Non-Refoulement) durch weitere Überstellung an Serbien als sicherer Drittstaat ausgesetzt sein könnten (gegen OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016 - 8 LB 92.15 -, juris, [asyl.net: M24435, Asylmagazin 1-2/2017] und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom [13. Oktober 2016 - 11 S 1596.16 - asyl.net: M24315]).
Es bestehen keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass Dublin-Rückkehrer im Falle der Überstellung in die Republik Ungarn gegenwärtig mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer gegen Art. 4 EUGRCh / Art. 3 EMRK verstoßenden Inhaftierungspraxis oder unmenschlichen oder erniederigenden Asylhaft- oder Aufnahmebedingungen ausgesetzt sein könnten (gegen OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016 - 8 LB 92.15 -, juris, [asyl.net: M24435, Asylmagazin 1-2/2017] und VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Oktober 2016 - 11 S 1596.16 -, juris [asyl.net: M24315]).
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Nach den vorgenannten Maßstäben ist die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und Auswertung der aktuellen Erkenntnisse überzeugt, dass systemische Mängel in Ungarn nicht bestehen.
a. Es besteht zunächst keine reale und durch Tatsachen belegte Gefahr, dass der Kläger im Falle einer Rücküberstellung nach Ungarn einem (indirekten) Verstoß gegen das aus Art. 33 Abs. 1 GFK, Art. 4 und 19 EUGRCh sowie Art. 21 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU folgende Zurückschiebungsverbot (Non-Refoulement) ausgesetzt sein könnte. Nach den aktuellen Erkenntnissen ist es ausgeschlossen oder erscheint es jedenfalls in hohem Maße unwahrscheinlich, dass der Kläger aus Ungarn weiter nach Serbien abgeschoben werden könnte, ohne dass zuvor seine Asylgründe inhaltlich geprüft würden (so im Ergebnis wohl auch OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016, a.a.O., Rn. 57 auf der Grundlage von Erkenntnissen bis einschließlich 2014: "weitere Abschiebung nach Serbien nicht sehr wahrscheinlich", allerdings hält das OVG Lüneburg entgegen des zuvor selbst aufgestellten Prüfungsmaßstabes, Rn. 41, einen Verstoß gegen des Non-Refoulement-Gebots bereits für gegeben, wenn eine Abschiebung nach Serbien nicht ausgeschlossen ist; a.A. für die jeweils maßgeblichen Zeitpunkte der Entscheidung VG Berlin, Urteile vom 4. März 2016 - VG 23 K 26.16 A - juris Rn. 19 und vom 10. Dezember 2015 - VG 9 K 87.15 A - juris Rn. 17; unklar VGH Mannheim, Urteil vom 13. Oktober 2016 - A 11 S 1596.16 - juris Rn. 43).
Zwar gilt nach den zum August 2015 in Kraft getretenen ungarischen Asylrechtsänderungen Serbien nunmehr (wieder) als sicherer Drittstaat (vgl. § 2 der ungarischen Regierungsverordnung 191/2015 [VII 21] Korm, der unter anderem die meisten EU-Beitrittskandidaten – einschließlich Serbiens – zu sicheren Drittländern im Sinne des § 2 Buchst. i des ungarischen Asylgesetzes bestimmt). Die Einreise aus einem sicheren Drittstaat begründet nach dem ungarischen Asylgesetz eine gesetzliche Vermutung, dass der Schutzsuchende dort bereits hätte Asyl beantragen und Schutz erhalten können, wobei der Schutzsuchende diese gesetzliche Vermutung widerlegen kann, indem er nachweist, dass in seinem konkreten Fall der Drittstaat nicht sicher war, weil er dort keinen dem ungarischen Asyl adäquaten Schutz hat erhalten können. Diese (Neu-)Regelung wird nach der Auskunft des Bundesamtes vom 17. Februar 2016 grundsätzlich auch auf Asylbewerber angewendet, die – wie der Kläger – ihren Asylantrag in Ungarn vor dem 1. August 2015 gestellt haben. Die Rückführung des Klägers von Ungarn nach Serbien könnte jedoch allein auf der Grundlage des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Republik Serbien über die Rückübernahme von Personen mit unbefugtem Aufenthalt (vgl. Beschluss des Rates vom 8. November 2007 [2007/819/EG], ABl. L 334/2007; nachfolgend: Rückübernahmeabkommen) erfolgen. Nach der Ergänzung des Bundesamtes vom 9. Dezember 2016 ist Voraussetzung für die Abschiebung die Übernahmebestätigung Serbiens. Nach Art. 3 Abs. 1 des Rückübernahmeabkommens nimmt Serbien auf Ersuchen eines Mitgliedstaates ohne andere als die in diesem Abkommen vorgesehenen Förmlichkeiten alle Drittstaatsangehörige und Staatenlose zurück, die die geltenden rechtlichen Voraussetzungen für die Einreise in das Hoheitsgebiet des ersuchenden Mitgliedstaates oder die Anwesenheit oder den Aufenthalt in seinem Hoheitsgebiet nicht oder nicht mehr erfüllen, sofern nachgewiesen oder glaubhaft gemacht ist, dass sie im Besitz eines gültigen Visums und einer gültigen Aufenthaltsgenehmigung Serbiens sind oder zum Zeitpunkt der Einreise waren oder nach einem Aufenthalt im Hoheitsgebiet Serbiens oder einer Durchreise durch sein Hoheitsgebiet in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates illegal und auf direktem Weg eingereist sind. Nach Art. 9 Abs. 1 des Rückübernahmeabkommens wird die Erfüllung der Voraussetzungen für die Rückübernahme insbesondere mit den in Anhang 3 aufgeführten Beweismitteln nachgewiesen. Das Rückübernahmeersuchen ist der zuständigen Behörde des ersuchten Staates nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 des Rückübernahmeabkommens innerhalb eines Jahres zu übermitteln, nachdem die zuständige Behörde des ersuchenden Staates Kenntnis davon erlangt hat, dass der Drittstaatsangehörige bzw. der Staatenlose die geltenden Voraussetzungen für die Einreise, die Anwesenheit oder den Aufenthalt nicht oder nicht mehr erfüllt. Bereits nach den genannten Vorgaben des Rückübernahmeabkommens wäre ein erfolgreiches, den Kläger betreffendes Rückübernahmeersuchen Ungarns gegenüber Serbien unwahrscheinlich, weil der Kläger über keine Reisedokumente und auch keine sonstigen Unterlagen zu seinem Reiseweg verfügt (vgl. die in Anlage 3 des Rückübernahmeabkommens enthaltene gemeinsame Liste der Dokumente, die als Nachweis für die Erfüllung der Voraussetzung für die Rückübernahme von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen gelten, bspw. mit Namen versehene Dokumente, Bescheinigungen und Rechnungen jeder Art wie z.B. Hotelrechnungen oder Mietwagenverträge) und seit der illegalen Einreise des Klägers nach Ungarn nebst Anbringung seines internationalen Schutzgesuches mehr als ein Jahr verstrichen ist. Entscheidend ist jedoch, dass Serbien – offenbar in unmittelbarer Reaktion auf die im Oktober 2015 vollendete Errichtung des Grenzzaunes entlang der ungarisch-serbischen Grenze und des damit verbundenen unerwünschten und von der Regierung Serbiens heftig kritisierten Rückstaus von Flüchtlingen auf deren Staatsgebiet – seine Verpflichtungen aus dem Rückübernahmeabkommen im Verhältnis zu Ungarn weitestgehend ausgesetzt hat, soweit es nicht die Rückübernahme von Staatsangehörigen des Westbalkans und der Türkei betrifft (vgl. die Angaben in der Ergänzung des Bundesamtes, Bl. 144 der Streitakte). Nach der Auskunft des Bundesamtes vom 17. Februar 2016 gegenüber der Kammer hatte der ungarische Konsul in Serbien gegenüber der deutschen Botschaft Budapest bereits am 19. Januar 2016 schriftlich mitgeteilt, dass Serbien die Übernahmeersuchen Ungarns seit dem 18. September 2015 ablehnt. Dies deckt sich mit der in der Ergänzung mitgeteilten aktuell verfügbaren Statistik der ungarischen Polizei. Danach wurden im Zeitraum vom 1. Januar bis 31. August 2016 insgesamt 146 Staats- bzw. Drittstaatsangehörige von Ungarn nach Serbien überstellt. Davon hatten 25 Personen die albanische, 3 Personen die bosnisch-herzegowinische, 30 Personen die kosovarische, 6 Personen die mazedonische, 2 Personen die montenegrinische, 60 Personen die serbische und 17 Personen die türkische Staatsangehörigkeit. Zwei weitere Rückführungen betrafen einen komorischen bzw. einen tunesischen Staatsangehörigen. Schutzsuchende aus den Herkunftsländern des Mittleren Ostens wie Syrien, Iran, Irak und Afghanistan waren nicht unter den Zurückgeführten. UNHCR II berichtet davon, dass "in der ersten Hälfte des Jahres 2016" bei 3.006 durch Ungarn gestellten Übernahmeersuchen nach dem Rückübernahmeabkommen (lediglich) für 114 Personen die Zustimmung durch Serbien erteilt worden sei, wobei sich unter den mitgeteilten Staatsangehörigkeiten allein die vorgenannten befinden. Der Liaison-Beamte hat gegenüber der Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung am 13. Dezember 2016 glaubhaft bekundet, dass in der 33. Kalenderwoche des Jahres 2016, also Mitte August 2016, eine Weisung des Ungarischen Amtes für Einwanderung und Staatsbürgerschaft ergangen sei, von Rückführungen nach Serbien auf der Grundlage des Rückübernahmeabkommens weitestgehend abzusehen. Die Gründe für diese Weisung seien, dass der enorme Verwaltungsaufwand in keinem Verhältnis zur Erfolgsquote stehe und dem unzweifelhaft verfolgten ungarischen Anliegen, Flüchtlinge soweit als möglich von ungarischem Staatsgebiet fernzuhalten, in ausreichendem Maße mit der seit Juli 2016 geltenden sog. "8 km-Regelung" Rechnung getragen werde, mit der die ungarische Grenzpolizei ermächtigt werde, illegal über den Grenzzaun nach Ungarn gelangte Flüchtlinge innerhalb einer Zone von 8 Kilometern ab der Grenze unmittelbar wieder nach Serbien abzuschieben. Von dieser Regelung würde der im Rahmen des Dublin-Regimes zurückgeführte Kläger jedoch nicht betroffen sein. In Anbetracht des Umstandes, dass es danach offenbar seit Oktober 2015 zu keinem einzigen Fall der Rückführung eines Flüchtlings aus einem Herkunftsland des Mittleren Ostens von Ungarn nach Serbien auf der Grundlage des Rückübernahmeabkommens gekommen ist, hat das Ungarische Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft diese faktische Außerkraftsetzung des Rückübernahmeabkommens durch Serbien im Wege einer Weisung nachvollzogen und keine ungarischen Drittstaatsbescheide gegenüber den bezeichneten Schutzsuchenden aus den vorbezeichneten Herkunftsländern mehr erlassen. Entsprechend müssen diese Schutzsuchenden gegenwärtig nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, im Falle einer Rückführung aus der Bundesrepublik Deutschland nach Ungarn einer weiteren Abschiebung nach Serbien ausgesetzt zu werden. Allein der Umstand, dass das ungarische Asylrecht Serbien als sichere Drittstaaten einstuft und damit in Verbindung mit dem Rückübernahmeabkommen eine Kettenabschiebung rechtlich ermöglichen würde, begründet für sich genommen – unterstellt, dass Serbien nicht den Anforderungen genügt, die sichere Drittstaaten gemäß Art. 39 Abs. 2 der Richtlinie 2013/32/EU erfüllen müssen – keinen systemischen Mangel des ungarischen Asylsystems, weil sich dies in der Praxis nicht auswirkt. Er führt insbesondere nicht zu einer Beweislastumkehr dergestalt, dass entgegen dem in Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO vorgezeichneten Wahrscheinlichkeitsmaßstabs in jedem Einzelfall die theoretische Möglichkeit einer Überstellung von Serbien nach Ungarn gleichsam widerlegt werden müsste, bevor eine Überstellung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland zulässig würde (so wohl aber VGH Mannheim, Urteil vom 5. Juli 2016, a.a.O., Rn. 42). Abgesehen davon spricht nichts dafür, dass Serbien seine Haltung zur Rückübernahme von Flüchtlingen aus Ungarn ändern könnte, solange das dortige Grenzregime aufrechterhalten wird.
Auf die Frage, ob Serbien tatsächlich nicht als sicherer Drittstaat einzustufen ist und unter welchen Umständen gegen eine (unterstellt rechtswidrige) Drittstaatenentscheidung in Ungarn Rechtsschutz durch die ungarische Justiz zu erlangen wäre, kommt es nach alledem nicht an.
b. Es bestehen auch keine belastbaren Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger als Dublin-Rückkehrer im Falle der Überstellung nach Ungarn gegenwärtig mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit einer gegen Art. 4 EUGRCh / Art. 3 EMRK verstoßenden Inhaftierungspraxis ausgesetzt wäre (so aber OVG Lüneburg, Urteil vom 15. November 2016, a.a.O., Rn. 43 f.; offen gelassen VG Berlin, Urteile vom 4. März 2016, a.a.O., Rn. 34, und vom 10. Dezember 2015, a.a.O., Rn. 32).
Die seit dem 1. August 2015 in Ungarn geltenden Bestimmungen über die Voraussetzungen für die Anordnung der – streng von der fremdenpolizeilichen Abschiebehaft zu unterscheidenden – Asylhaft sehen einen Haftgrund vor bei unklarer Identität oder Staatsangehörigkeit zum Zwecke der Klärung, bei Ausländern, die sich im Ausweisungsverfahren befinden und einen Asylantrag stellen, obwohl sie diesen zweifelsfrei bereits zuvor hätten stellen können, oder um eine drohende Aufenthaltsbeendigung zu verzögern oder abzuwenden, wenn der Sachverhalt des Asylbegehrens aufgeklärt werden muss und eine Aufklärung nicht ohne Haft möglich ist, speziell wenn die Gefahr des Untertauchens besteht, wenn der Asylbewerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, wenn der Asylantrag im Flughafenbereich gestellt wurde oder zur Sicherstellung der Durchführung des Dublin-Verfahrens, wenn die ernsthafte Gefahr des Untertauchens besteht (vgl. Auskunft des Auswärtigen Amtes an das Bayerische Verwaltungsgericht Regensburg vom 27. Januar 2016, S. 7, sowie Lagebericht des Bundesamtes für Dublin-Rückkehrer vom 30. November 2016, S. 4). Diese Haftgründe entsprechen im Wesentlichen den in Art. 8 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a bis f der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (ABl. L 180 vom 29. Juni 2013, S. 96, Aufnahmerichtlinie) bezeichneten zulässigen Haftgründen und sind daher unionsrechtlich unbedenklich (ebenso VGH Mannheim, Urteil vom 13. Oktober 2016, a.a.O., Rn. 36). Die Entscheidung über Asylhaft wird dem Ausländer mündlich in seiner Muttersprache oder einer ihm verständlichen Sprache mitgeteilt, und ihm wird die Anordnungsverfügung ausgehändigt. Asylhaft kann nach ungarischem Recht erstmalig maximal für 72 Stunden durch die ungarische Asylbehörde angeordnet werden und gerichtlich bis zu einer maximalen Dauer von 6 Monaten verlängert werden, wobei spätestens alle 60 Tage eine Haftprüfung stattzufinden hat. Bei dem Haftprüfungstermin muss der Betroffene anwaltlich vertreten sein und kann Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Maßnahme einlegen. Auch nach Bestätigung der Maßnahme durch das Gericht kann der Betroffene jederzeit Einwendungen erheben, über die das Gericht binnen acht Tagen zu entscheiden hat, wobei eine wiederholte Beschwerde aus denselben Gründen nicht statthaft ist. Sollten sie aus sprachlichen oder anderen Gründen gehindert sein, selbst einen Anwalt zu beauftragen, so wird ihnen von Amts wegen vom zuständigen Gericht ein Anwalt beigeordnet. Die Verfahrenskosten trägt der ungarische Staat. Die Haft ist nach ungarischem Recht zu beenden, wenn die Höchstdauer erreicht ist, der Haftgrund nicht mehr existiert, feststeht, dass der Asylbewerber minderjährig ist, ein Krankenhausaufenthalt aus medizinischen Gründen erforderlich ist, die Voraussetzungen zur Durchführung des Dublin-Verfahrens (Überstellung) gegeben sind oder das Dublin-Verfahren nicht durchgeführt werden kann (vgl. zum Ganzen Lagebericht des Bundesamtes für Dublin-Rückkehrer zum Mitgliedstaat Ungarn vom 30. November 2016, S. 4 f.).
Der Kammer liegen für den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keine belastbaren Erkenntnisse vor, welche die Bewertung des OVG Lüneburg in seiner Entscheidung vom 15. November 2016 (a.a.O., Rn. 48 f.) und des VGH Mannheim in seiner Entscheidung vom 13. Oktober 2016 (a.a.O., Rn. 36 f.) stützen könnten, dass die Entscheidung, ob ein Asylbewerber in Asylhaft genommen oder einer offenen Aufnahmeeinrichtung zugewiesen wird, auch nach der Novellierung des ungarischen Asylrechts im Jahre 2015 "regelmäßig ohne nachvollziehbare Gründe, mithin willkürlich" erfolgt bzw. "behördliche und gerichtliche Haftanordnungen und -prüfungen …. im Regelfall schematisch ohne Prüfung des Einzelfalls und ohne Abwägung milderer Mittel" erfolgen. Allein die schematische Betrachtung des Verhältnisses derjenigen Asylbewerber, die sich in der Republik Ungarn in Asylhaft befinden, zur Gesamtzahl der Asylbewerber – nach Angaben von Amnesty International in "Stranded hope, Ungary´s sustained attack on the rights of refugees and migrants", September 2016, S. 24, sollen sich unter Verweis auf das Hungarian Helsinki Committee am 1. August 2016 insgesamt 700 der insgesamt 1.200 registrierten Asylbewerber, also mehr als die Hälfte, in Asylhaft befunden haben – hat für die Frage, ob die Inhaftierungspraxis der ungarischen Asylbehörde und deren gerichtliche Kontrolle eine regelhafte Verletzung von Art. 4 EUGRCh darstellt, für sich genommen keine Aussagekraft. Hinzu kommt, dass die vom OVG Lüneburg herangezogenen Zahlen zu Dublin-Rückkehrern – danach hat die ungarische Asylbehörde von Januar bis November 2015 332 von 1.338 Dublin-Rückkehrern in Haft genommen, was einer Quote von rund 20 % entspricht – den erforderlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstab verfehlt und gerade nicht "auch für 2016 den Schluss nahelegt, dass nach wie vor ein wesentlicher Anteil der Dublin-Rückkehrer in Haft genommen wird". Soweit das OVG Lüneburg auf eine Entscheidung des EGMR vom 5. Juli 2016 (Nr. 9912/15, O.M. vs. Hungary, vgl. ungarn. bordermonitoring.eu/wp-content/uploads /sites/2/2016/07/Urteil-EGMR-Ungarn-5-7-2016.pdf) verweist, so betraf die Entscheidung den Fall eines iranischen Staatsangehörigen, der am 24. Juni 2014 aus Serbien nach Ungarn eingereist war und unter Berufung auf seine Homosexualität um Schutz nachgesucht hatte. [...] Soweit der VGH Mannheim für seine gegenteilige Ansicht auf einen Bericht des Obersten Gerichtshofs für Ungarn (Kuriá) vom 20. Oktober 2014 abstellt (zitiert nach Commmissioner for Human Rights of the Council of Europe, Report by Nils Muiznieks vom 16. Dezember 2014, Rn. 148 ff.), der die gravierenden Mängel der ungarischen Rechtsprechungspraxis schließlich bestätigt und praktische Hinweise zu deren unverzüglichen und notwendigen Behebung gegeben habe, so ist dies aus Sicht der Kammer eher ein Beleg für die offenbar funktionierende Selbstkontrolle der ungarischen Justiz denn ein Nachweis dafür, dass ungarische Gerichte zu einer mit Unionsrecht vereinbaren Rechtsanwendung flächendeckend nicht bereit oder in der Lage wären. So weist UNHCR II – dort bezogen auf die Überprüfung asylrechtlicher Unzulässigkeitsentscheidungen – darauf hin, dass die gerichtliche Überprüfung in der ungarischen Rechtsprechung der verschiedenen regionalen Gerichte unterschiedlich gehandhabt würde. Einige Gerichte (z.B. Debrecen, Szeged und Györ) hätten eine erhebliche Anzahl von Unzulässigkeitsentscheidungen aufgehoben und das Amt für Einwanderung und Staatsbürgerschaft verpflichtet, die Asylanträge auf ihre Begründetheit zu prüfen; die Rechtsprechungspraxis in Budapest variiere. Im Übrigen hat – wie bereits dargelegt – der ungarische Gesetzgeber selbst zum August 2015 reagiert und mit der Novellierung des Asylgesetzes hinsichtlich des Haftrechts unionsrechtskonforme Zustände geschaffen. Dass der vom EGMR in der Entscheidung vom 5. Juli 2016 behandelte – noch die alte ungarische Rechtslage des Jahres 2014 betreffende – Fall geradezu exemplarisch dafür sei, dass sich nichts Grundlegendes geändert habe (so wörtlich, aber ohne jede Belege VGH Mannheim, a.a.O., Rn. 34), liegen keine aktuellen, vor allem die neue Rechtslage betreffenden Erkenntnisse vor. Es fehlt damit an der erforderlichen realen, durch eine hinreichende gesicherte Tatsachengrundlage belegten Gefahr einer willkürlichen Inhaftierung. Das gilt jedenfalls, soweit es die hier allein maßgebliche Situation von Dublin-Rückkehrern betrifft, die in der Republik Ungarn bereits registriert worden sind. So weist UNHCR II selbst darauf hin, der UNHCR verfüge über keine umfassenden Informationen hinsichtlich der spezifischen Situation dieser Gruppe von Flüchtlingen. Zwar hat er zugleich auf die in Ungarn im Juli 2015 verabschiedeten restriktiven gesetzgeberischen Maßnahmen hingewiesen. Diese in seinem Bericht vom Mai 2016 im Einzelnen bezeichneten Maßnahmen und deren praktische Umsetzung betreffen jedoch nahezu ausschließlich das zwar umstrittene, hier jedoch nicht relevante Grenzverfahren in den Transitzonen an der ungarischen Grenze zu Serbien und Kroatien, das aus den oben genannten Gründen gleichfalls nicht zur weiteren Diskussion stehende Konzept des sicheren Drittstaats mit Blick auf Serbien sowie das unerlaubte Überqueren des Grenzzaunes als Straftat. Eine Verbringung von Dublin-Rückkehrern in die Transitzonen erfolgt nach dem Lagebericht des Bundesamtes vom 30. November 2016 jedoch nicht. Nach der Stellungnahme des UNHCR sind auch keine Fälle bekannt, in denen Strafverfahren gegen gemäß der Dublin-Verordnung rücküberstellte Asylbewerber wegen des unerlaubten Grenzübertritts eingeleitet worden sind. Der Liaison-Mitarbeiter hat gegenüber der Kammer bekundet, dass es keine statistische Aufgliederung der Haftfälle nach den einzelnen Haftgründen gebe, jedoch nach dem ihm von den Mitarbeitern der ungarischen Dublin-Einheit gegebenen Informationen die Mehrzahl der 284 gegenwärtig in Ungarn in Asylhaft befindlichen Personen solche Antragsteller seien, die auf der Grundlage des Dublin-Regimes von Ungarn nach Bulgarien überstellt werden sollten. Dies steht im Ausgangspunkt im Einklang mit Art. 28 Abs. 2 Dublin-III-VO. Auch im Übrigen gelten für die Anordnung von Asylhaft die gleichen gesetzlichen Voraussetzungen wie für Nicht-Dublin-Fälle. Ausweislich des Lageberichts des Bundesamtes vom 30. November 2016 lag nach einer nicht offiziellen Auswertung eines Verantwortlichen der Einrichtung Bekescsaba die durchschnittliche Haftdauer im Zeitraum vom 1. Januar bis 10. Dezember 2015 bei 24 Tagen. Haftdauerverringernd habe sich neben dem Beschleunigungsgebot zum einen ausgewirkt, dass die Asylbehörde nicht automatisch die maximal zulässige Haftverlängerung um 60 Tage beantragt habe, zum anderen, dass das zur Entscheidung über die Verlängerung der Haftanordnung entscheidende Gericht kürzere Haftzeiten als beantragt gewähre. Dass in Ungarn registrierte Asylbewerber nicht willkürlich und schematisch inhaftiert werden, wird schließlich von dem Umstand belegt, dass in Ungarn vom 1. Januar bis 4. Dezember 2016 insgesamt 28.873 neue Asylanträge registriert wurden, sich mit Stand 5. Dezember 2016 aber "nur" 284 Asylbewerber in Haft befunden haben, wie der Liaison-Mitarbeiter in der mündlichen Verhandlung angegeben hat.
c. Systemische Mängel vermag die Kammer zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch hinsichtlich der Haft- und sonstigen Aufnahmebedingungen in Ungarn nicht (mehr) festzustellen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass sich die Zahl der in Ungarn dauerhaft schutzsuchenden Flüchtlinge seit Öffnung der deutschen Grenze im September 2015 einerseits und der von Seiten der ungarischen Regierung bis Oktober 2015 verwirklichten Maßnahmen zur Schließung der Balkan-Route andererseits auf ein sehr niedriges Niveau gesenkt hat. Nach den Angaben des Liaison-Mitarbeiters im Termin zur mündlichen Verhandlung, an deren Richtigkeit zu zweifeln die Kammer keine Veranlassung hat, wurden in Ungarn im Zeitraum vom 1. Januar bis 4. Dezember 2016 - wie dargelegt - nur noch 28.873 Schutzgesuche gestellt. Berücksichtigt man den Umstand, dass sich mit Stand 5. Dezember 2016 in Ungarn nur ca. 500 Schutzsuchende in einem laufenden Verfahren befanden, so drängt es sich auf, dass die überwiegende Mehrheit der Antragsteller - wie der Kläger selbst - das einmal erreichte Ungarn lediglich als Transitland begreifen und in andere europäische Länder weiterreisen. Dementsprechend sind die ungarischen Haft- und offenen Aufnahmeeinrichtungen nicht nur nicht überfüllt (so für die erstgenannte Einrichtung ebenso VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 38), sondern aktuell unterbelegt. In der Republik Ungarn gibt es gegenwärtig nach Angaben des Liaison-Mitarbeiters insgesamt noch drei Haft- (Bekescsaba, Nyirgator und Kiskunhalas) und vier offene Aufnahmeeinrichtungen (die provisorischen Einrichtungen Kiskunhalas [seit Juni 2016] und Körmend im Süden bzw. Südwesten und die dauerhaftenEinrichtungen Vamosszabadi und Bicske in der Nähe von Budapest). Der Liasion-Mitarbeiter erklärte gegenüber der Kammer, Ungarn erwäge, eine weitere der vier offenen Aufnahmeeinrichtungen mangels Auslastung der Kapazität zu schließen. Bei seinem Besuch des als Zeltlager eingerichteten Aufnahmelagers in Körmend im August 2016 habe er dort – bei etwa 9 registrierten Personen – einen einzigen Flüchtling angetroffen. Nach UNHCR II variiert die Qualität der Versorgung in den offenen Aufnahmeeinrichtungen stark. So würden die beiden temporären Aufnahmeeinrichtungen, neben Körmend noch das als Siedlung mit Unterkünften in Fertigbauteilen eingerichtete Kiskunhalas, im Vergleich mit den dauerhaften Aufnahmeeinrichtungen unterdurchschnittliche Bedingungen aufweisen. Jedoch komme es auch in den dauerhaften Aufnahmeeinrichtungen zeitweise – insbesondere bei Überbelegungen – zu Schwierigkeiten bei der Aufrechterhaltung der sanitären Standards und sonstigen Versorgungseinrichtungen. Anhaltspunkte für Zustände, die regelhaft eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der Schutzsuchenden bedeuten würden, lassen sich dieser Bewertung nicht entnehmen. Die von der Kammer mit Beweisbeschluss vom 26. Januar 2016 u.a. gestellte konkrete Frage nach der aktuellen Versorgungsituation der Schutzsuchenden im Allgemeinen und in den Aufnahmeeinrichtungen im Besonderen ließ der UNHCR ebenso unbeantwortet wie die Frage nach den gegenwärtigen Inhaftierungsbedingungen in Ungarn. Auch dies wertet die Kammer dahingehend, dass aus Sicht des UNHCR gegenwärtig offenbar keine Zustände zu beklagen sind, die das gemeinsame Europäische Asylsystem mit Blick auf Ungarn in Frage zu stellen geeignet sind. Soweit das OVG Lüneburg (a.a.O, Rn. 51 f.) und der VGH Mannheim (a.a.O., Rn. 37 f.) hinsichtlich der Haftanstalten zu der Aussage gelangen, inhaftierte Asylbewerber würden wie Strafgefangene behandelt, indem sie zu gerichtlichen Anhörungen oder anderen Terminen außerhalb der Haftanstalt mit Handschellen und angeleint gebracht, hygienische Mindeststandards teilweise nicht eingehalten und Häftlinge sich über einen zu geringen Nährwert der Mahlzeiten und den daraus resultierenden Gewichtsverlust beklagen würden, so beruht dies schon ganz überwiegend auf mitgeteilten Vorkommnissen, die zeitlich deutlich vor der Zäsur der Verhältnisse in Ungarn seit September 2015 liegen und schon deshalb – wenn sie denn überhaupt verallgemeinerungsfähig wären – keine tragfähige Grundlage für die Beurteilung der aktuellen Situation sein können. Allein Amnesty International stellt in "Stranded Hope, Ungary´s sustained attack on the rights of refugees and migrants" von September 2016 aktuelle Erhebungen über die ungarische Asylpolitik im Allgemeinen und die hier in Rede stehende Zustände in den Aufnahmeeinrichtungen im Besonderen zur Verfügung (S. 23 f.), die auf Befragungen beruhen, welche im Zeitraum vom 5. bis 11. August 2016 mit 143 Personen geführt worden sind (129 Schutzsuchende [davon 21 Kinder], sieben Asylbeamte, fünf Polizeibeamte und zwei Mitglieder von NGOs). Diese Befragungen erfolgten in dem provisorischen serbischen Aufnahmezentrum Subotica nebst städtischem Busbahnhof, den beiden provisorischen serbischen Vor-Transitzonen-Camps ("pre-transit zone camps") Horgoš und Kelebia an der serbisch-ungarischen Grenze, den beiden bereits benannten offenen ungarischen Aufnahmeeinrichtungen Kiskunhalas und Körmend (ersteres nebst der dortigen Asylhafteinrichtung) sowie in Österreich in dem Kompetenzzentrum für Ausländer in Eisenstadt und der offenen Aufnahmeeinrichtung in Traiskirchen (vgl. S. 6). Soweit hier von Interesse, beklagten die in Kiskunhalas befragten Personen (wobei unklar bleibt, wie groß deren Anzahl war) einen Mangel an Aufmerksamkeit und Zuwendung, vor allem für die Kinder. Noch im Zeitpunkt der Befragung sei unklar gewesen, ob die Kinder mit Beginn des Schuljahres zur Schule würden gehen können und ob andere soziale Aktivitäten für sie zur Verfügung stehen würden. Alle befragten Personen hätten sich uninformiert über ihre Rechte, das ungarische Asylverfahren und das Dublin-Regime gezeigt. Es sei der Eindruck mangelnder Unterstützung durch die ungarische Asylbehörde geschildert worden, vor allem mit Blick auf die Vorbereitung der Befragungen und die Rechtsberatung, der verstärkt worden sei durch den generellen Mangel an Kommunikation und das Fehlen einer staatlich finanzierten anwaltlichen Unterstützung. Ob mit den zuletzt wiedergegebenen, relativ pauschalen Beschwerden überhaupt ein Verstoß gegen die in Art. 12 Abs. 1 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren über die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (ABl. L 180/60) niedergelegten Garantien für Asylbewerber aufgezeigt ist, erscheint allerdings zweifelhaft; eine unionsrechtliche Verpflichtung des ungarischen Staates zur Bereitstellung kostenloser anwaltlicher Hilfe besteht jedenfalls nicht. Zur Asylhaft in Ungarn wurden offenbar nur fünf Personen befragt. [...] In Gesamtwürdigung dieser Befragungen sieht die Kammer mit Blick auf die geringe Anzahl der Befragten, der bestehenden Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Angaben und entgegenstehender Erkenntnisse darin keinen hinreichend belastbaren Beleg für systemisch bedingte Misshandlungen von Asylhäftlingen in Ungarn. Nach der Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 27. Januar 2016 sind diesem keine Fälle von willkürlicher Behandlung bekannt geworden. In allen drei Hafteinrichtungen ist die medizinische Versorgung gewährleistet. Psychologische Behandlung wird auf Nachfrage von einer Nichtregierungsorganisation bereitgestellt, ist aber auch bei festgestelltem Bedarf in der nächstgelegenen Klinik verfügbar. Beschwerden gegen die Haftbedingungen können bis zum Leiter des Asyldirektorates eingereicht werden. Kontrolliert wird die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen zu den Bedingungen der Unterbringung von Asylsuchenden in Asylhafteinrichtungen durch das Büro der ungarischen Staatsanwaltschaft, dass regelmäßig Kontrollbesuche durchführt. Der UNHCR hat jederzeit und ohne dass es irgendwelcher administrativer Voraussetzungen bedarf, ungehinderten Zugang zu den Unterbringungseinrichtungen. Angehörige von Nichtregierungsorganisationen, mit denen die Asylbehörde Kooperationsvereinbarungen geschlossen hat (Ungarisches Helsinki Komitee, Cordelia Foundation, Menedék Association) haben ebenfalls Zugang zu den Einrichtungen, wobei sie hierzu jedoch einer schriftlichen Erlaubnis bedürfen. Die Einrichtungen verfügen in der Regel über Zimmer für die Insassen, einen Sozialraum, Verwaltungsgebäude, eine Turn- oder Sporthalle sowie einen Innenhof. Der Sozialraum bietet Zugang zu Internet und Telefon. In den Asylhafteinrichtungen arbeiten auch Sozialpädagogen zwecks Betreuung der Asylbewerber. Die Unterbringung erfolgt in Mehrbetträumen, wobei alleinstehende Frauen und Familien mit minderjährigen Kindern, die nach den gesetzlichen Regelungen auch in Asylhaft aufgenommenen werden können, in separaten Gebäuden oder Flügeln getrennt von alleinstehenden Männern untergebracht werden müssen.
d. Systemische Mängel ergeben sich auf der Grundlage der aktuellen Erkenntnisse auch nicht hinsichtlich des ungarischen Asylverfahrens. Zwar ist das Asylverfahren des Klägers aufgrund seiner Weiterreise nach Deutschland nach Art. 66 Abs. 2 Nr. 4 des ungarischen Asylgesetzes eingestellt worden. Auch ist davon auszugehen, dass der Kläger keine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Art. 66 Abs. 6 des ungarischen Asylgesetzes wird beantragen können, da seit der Einstellung mehr als neun Monate vergangen sind. Dementsprechend wird der Kläger als Folgeantragsteller behandelt werden. Dies bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass ihm kein Flüchtlings- oder subsidiärer Schutz mehr gewährt werden könnte, ebenso wenig, dass ihm nach Rückkehr Ansprüche auf Leistungen wie Unterkunft und Verpflegung sowie medizinische Versorgung in Ungarn versagt wären (vgl. im Einzelnen den Lagebericht des Bundesamtes für Dublin-Rückkehrer vom 30. November 2016, S. 2 f.). [...]
Rechtsgrundlage für die Abschiebungsanordnung ist § 34 a Absatz 1 Satz 1 AsylG. [...]
Eine Rücküberstellung nach Ungarn ist nicht mangels Übernahmebereitschaft ausgeschlossen. Dies folgt insbesondere nicht aus der Erklärung der ungarischen Dublin-Einheit gegenüber dem Bundesamt vom 27. Juni 2015, wonach Ungarn kein Übernahmeersuchen erhalten habe und das Ersuchen deshalb als unwirksam angesehen werde. Nach den Angaben des Liaison-Mitarbeiters gegenüber der Kammer werden die Empfangsbestätigungen der ungarischen Dublin-Einheit nicht automatisch generiert, sondern individuell durch den jeweiligen Mitarbeiter erstellt und abgesandt, so dass die Empfangsbestätigung vom 17. Juni 2015 als authentischer Nachweis des Eingangs des deutschen Wiederaufnahmegesuchs angesehen werden muss. In Anbetracht des Umstandes, dass die ungarische Dublin-Einheit zu der Mitteilung des Bundesamtes vom 16. November 2105 über die Verlängerung der Überstellungsfrist eine weitere Empfangsbestätigung übersandt hatte, ohne auf die ursprünglich erhobenen Bedenken zurückzukommen – wie die Einsichtnahme in die elektronische Akte im Termin zur mündlichen Verhandlung ergeben hat –, ist davon auszugehen, dass der fristgemäße Eingang des Wiederaufnahmegesuchs dort zwischenzeitlich festgestellt werden konnte und Ungarn seine Weigerung der Rückübernahme im konkreten Fall aufgegeben hatte.
Eine Rücküberstellung des Klägers ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil Ungarn seine Zusammenarbeit im Rahmen des Dublin-Regimes mit den übrigen Mitgliedstaaten zwischenzeitlich vollständig eingestellt hätte. Soweit UNHCR II darauf hinweist, die ungarische Regierung habe die für das Dublin-Verfahren zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten am 27. April 2016 darüber informiert, Ungarn werde keinen weiteren Übernahmeersuchen nach der Dublin-Verordnung zustimmen, so ist eine derartige Totalverweigerung in der Praxis offensichtlich nicht ins Werk gesetzt worden. Nach der von den Vertretern des Bundesamtes im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Übersicht zu den Prüffällen und Übernahmeersuchen nach der Dublin-Verordnung vom 1. Januar bis 30. November 2016 wurden an Ungarn in diesem Zeitraum 11.544 Übernahmeersuchen durch die Beklagte gestellt, von denen 3.574 positiv beschieden wurden. Auf dieser Grundlage konnten 278 Rücküberstellungen nach Ungarn erfolgen. Dies entspricht einer Quote von 7,8 % der positiv beschiedenen Übernahmeersuchen. Bezogen auf den Monat November 2016 wurden von 594 Übernahmeersuchen an Ungarn 83 Übernahmeersuchen positiv beschieden und konnten 14 Rücküberstellungen erfolgen. Dies entspricht einer Quote von 16,9 % der positiv beschiedenen Übernahmeersuchen. Dass die Gründe für die im Übrigen nicht erfolgten Überstellungen allein in der Sphäre Ungarns liegen würden, kann nicht festgestellt werden. Zwar ist nicht zu verkennen, dass Ungarn durch die Kontingentierung der maximal akzeptierten Rücküberstellungen nach dem Dublin-Regime auf eine niedrige zweistellige Zahl täglich im Zeitraum von Montag bis Donnerstag (vgl. den Lagebericht des Bundesamtes zum Mitgliedstaat Ungarn vom 17. Februar 2016; nach den ausgewerteten Erkenntnissen des OVG Lüneburg beläuft sich die Zahl der täglich aus sämtlichen Mitgliedstaaten maximal akzeptierten Rückführungen auf 12, a.a.O., Rn. 67) die Möglichkeit der Rückführung einer größeren Gruppe von Schutzsuchenden bewusst unterbindet. Jedoch kann keine Rede davon sein, dass Ungarn Überstellungen nach dem Dublin-Verfahren eingestellt hat. Auf eine statistisch nur geringe oder nicht geringe Überstellungsquote kommt es nicht an (so ausdrücklich OVG Schleswig, Beschluss vom 21. November 2016 - 2 LA 111/16 - juris Rn. 5 ff.; Hailbronner, AuslR, Stand: April 2016, § 34 a, Rn. 22). Auch die Quote der erfolgreichen Überstellungen aus der Bundesrepublik Deutschland in die übrigen Mitgliedstaaten im Zeitraum vom 1. Januar bis 30. November 2016 bewegt sich gleichfalls nur im niedrigen Bereich, und zwar bei durchschnittlich 13,9 %, im Verhältnis zu Finnland im gleichen Zeitraum sogar bei nur 7,4 %. Wie der Vertreter der Beklagten in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar erläutert hat, scheitern Rücküberstellungen häufig an Umständen, die entweder in der Sphäre der Schutzsuchenden selbst, etwa durch Untertauchen, oder in der Sphäre der jeweils zuständigen deutschen Ausländerbehörden, etwa durch Nichtvollzug der Ausreisepflicht oder Verzögerungen bei der Beschaffung von Papieren, liegen. Schon vor diesem Hintergrund überzeugt es nicht, wenn der VGH Mannheim (a.a.O., Rn. 46 f.) und das OVG Lüneburg (a.a.O., Rn. 65 f.) die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung an eine positive Prognose dahingehend knüpfen, dass eine Rückführung der betreffenden Person innerhalb von sechs Monaten unter Berücksichtigung des abzuarbeitenden "Rückstaus" realistisch ist. Abgesehen davon, dass ein solcher stetig zunehmender "Rückstau" durch den Lauf der Überstellungsfristen mit dem nachfolgenden Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte ohnehin ausgeschlossen ist, kann die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung nicht von dem (nachfolgenden) Verhalten der Schutzsuchenden und Überstellungsverfahren der jeweils zuständigen Ausländerbehörde abhängen. Ebenso wenig gibt die Bestimmung des § 34a Abs. 1 AsylG vor, dass Rücküberstellungen in zeitlicher Reihenfolge nach dem Datum des (Wieder-) Aufnahmegesuchs an den Mitgliedstaat zu erfolgen hätten. [...]