OVG Hamburg

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Zitieren als:
OVG Hamburg, Beschluss vom 22.11.2016 - 3 Bs 189/16 - asyl.net: M24443
https://www.asyl.net/rsdb/M24443
Leitsatz:

Die Zustellung zur Nachtzeit (hier einer Befristungsentscheidung) ist nach § 5 Abs. 3 S. 3 VwZG nur mit schriftlicher oder elektronischer Erlaubnis der jeweiligen Behördenleitung wirksam.

Im Falle einer unmittelbar bevorstehenden Eheschließung besteht ein Duldungsanspruch nach § 60a Abs. 2 AufenthG. Eine Eheschließung steht u.a. dann unmittelbar bevor, wenn (lediglich) die Erteilung der Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses für den einen und die Vorlage eines neuen Ehefähigkeitszeugnisses durch den anderen künftigen Ehepartner fehlen.

Schlagwörter: beabsichtigte Eheschließung, Wiedereinreiseerlaubnis, Abschiebungsverbot, Ehefähigkeitszeugnis, Duldung, Zustellung zur Nachtzeit, Zustellungsmangel, Einreisesperre, Betretenserlaubnis, Sperrwirkung, Einreise- und Aufenthaltsverbot, wirksame Zustellung, wirksame Bekanntgabe,
Normen: GG Art. 6 Abs. 1, AufenthG § 60a Abs. 2, AufenthG § 11, AufenthG § 58 Abs. 8, VwZG § 5, VwZG § 7, ZPO 179, PStG § 13, HmbVwVZG § 1, HmbVwVG § 25, HmbVwVfG § 14, HmbVwVfG § 41, HmbVwVfG § 43
Auszüge:

[…]

2. Ferner wendet sich die Antragsgegnerin gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, die Abschiebung sei rechtswidrig gewesen, weil die Befristungsentscheidung nicht bis zum Zeitpunkt der Abschiebung bekannt gegeben worden sei. Sie meint, die Erlaubnis der Leiterin der Ausländerbehörde vom 20. Juni 2016 habe nicht nur die Vollstreckung der Abholung zur Nachtzeit umfasst, sondern als Teil der Vollstreckungsmaßnahme auch die Aushändigung der Befristungsentscheidung. Dieses Vorbringen vermag die Richtigkeit des angegriffenen Beschlusses nicht in Zweifel zu ziehen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist nach § 11 Abs. 4 Satz 3 AufenthG spätestens bei der Abschiebung (bzw. Zurückschiebung) festzusetzen (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22.1.2016, OVG 12 M 3.16, juris Rn. 3 m.w.N.). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist der Bescheid über diese Befristungsentscheidung dem Antragsteller indes nicht bis zu dessen Abschiebung wirksam bekannt gegeben worden. Denn für die nach § 5 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes des Bundes (VwZG) i.V.m. § 1 Abs. 1 Hamburgisches Verwaltungszustellungsgesetz (HmbVwZG) vorgenommene Zustellung gegen Empfangsbekenntnis zur Nachtzeit bedurfte es nach § 5 Abs. 3 Satz 1 VwZG der schriftlichen oder elektronischen Erlaubnis des Behördenleiters. Die Erlaubnis vom 20. Juni 2016, gemäß § 25 HmbVwVG die Abholung des Antragstellers zur Nachtzeit vorzunehmen, umfasste indes nicht die Vornahme der Zustellung der Befristungsentscheidung zur Nachtzeit. Der vom Verwaltungsgericht hierfür gegebenen Begründung, dass eine Erlaubnis für eine Zustellung zur Nachtzeit weder ausdrücklich erwähnt noch notwendiger Bestandteil einer Vollstreckung zur Nachtzeit gemäß § 25 HmbVwVG sei, tritt die Antragsgegnerin nicht substantiiert entgegen.

3. Soweit die Antragsgegnerin vorträgt, es habe kein Eheschließungstermin vorgelegen, und sie damit der Auffassung des Verwaltungsgerichts entgegentritt, der Antragsteller habe zum Zeitpunkt der Abschiebung aufgrund der bevorstehenden Eheschließung einen Duldungsanspruch nach § 60a Abs. 2 AufenthG gehabt, verkennt sie die Argumentation im angegriffenen Beschluss. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 4.4.2007, 3 Bs 28/07, juris Rn. 8) hat das Verwaltungsgericht angenommen, dass eine Eheschließung auch dann unmittelbar bevorstehen und einen Duldungsanspruch nach § 60a Abs. 2 AufenthG auslösen könne, wenn noch kein Termin hierfür verbindlich festgelegt sei. Daher hat das Verwaltungsgericht vorliegend darauf abgestellt, dass lediglich die Erteilung der Befreiung von der Beibringung eines Ehefähigkeitszeugnisses für den Antragsteller und ein neues Ehefähigkeitszeugnis der Verlobten des Antragstellers gefehlt habe und deshalb auch ohne einen konkret feststehenden Termin für die Eheschließung diese unmittelbar bevorstehe. Weder die Richtigkeit der zitierten Rechtsprechung, auf die das Verwaltungsgericht abgestellt hat, noch die Anwendung auf den vorliegenden Einzelfall wird substantiiert in Zweifel gezogen.

4. Mit der Beschwerdebegründung wendet sich die Antragsgegnerin schließlich gegen die vom Verwaltungsgericht zum Anordnungsgrund gemachten Ausführungen, dass dem Antragsteller vor dem Hintergrund des Schutzes der Ehe eine Eheschließung im Kosovo oder in Österreich aufgrund des damit verbundenen längeren Zuwartens nicht zumutbar sei. Diese Annahme des Verwaltungsgerichts wird mit dem Hinweis der Antragsgegnerin auf die illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt des Antragstellers in Deutschland nicht durchgreifend In Zweifel gezogen. Dass der Antragsteller, wie vom Verwaltungsgericht dargelegt, die Ehe außerhalb Deutschlands nur mit erheblichen (erneuten) Bemühungen und weiterem Zuwarten schließen könnte, zieht die Antragsgegnerin nicht in Zweifel. Angesichts der Rechtswidrigkeit der Abschiebung des Antragstellers, vermag daher der illegale Aufenthalt des Antragstellers den Anordnungsgrund nicht entfallen zu lassen. […]