1. Der Ausschluss der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 S. 3 AufenthG ist unions- und konventionskonform dahingehend auszulegen, dass er nur greift, wenn in dem Land der (Erst-) Anerkennung keine systemischen Mängel herrschen.
2. Der Kläger hat einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens in Deutschland. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Bulgarien steht dem nicht entgegen, da das Asylsystem in Bulgarien unter systemischen Mängeln leidet.
3. Bei Asylanerkennungen in Bulgarien ist nicht gewährleistet, dass eine ordnungsgemäße Prüfung des Asylantrags erfolgte. In Bulgarien international Schutzberechtigte sind von Obdachlosigkeit bedroht und ohne Unterkunft ist für sie der Zugang zur Gesundheitsversorgung, zu staatlichen Leistungen und zum Arbeitsmarkt nicht gewährleistet. Es gibt keine Hilfs- oder Integrationsprogramme.
Anmerkung:
[...]
Der Kläger hat einen Anspruch auf Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet. Dem steht eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Bulgarien durch Bescheid vom 13. April 2014 nicht entgegen, da das Asylsystem in Bulgarien insbesondere hinsichtlich bereits anerkannter Flüchtlinge unter systemischen Mängeln leidet und betroffene Flüchtlinge daher nicht auf eine bereits in Bulgarien erfolgte Flüchtlingsanerkennung verwiesen werden können. Die in Bulgarien erfolgte Anerkennung des Klägers als Flüchtling entfaltet keine Rechtswirkungen, insbesondere kann sie bei europarechtskonformer Auslegung von § 60 Abs. 1 AufenthG den Ausschluss der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens im Bundesgebiet nicht rechtfertigen. [...]
Damit korrespondierend regelt Art. 3 Abs. 1 der Dublin-III-VO [...], dass der Antrag auf internationalen Schutz von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III bestimmt wird. [...]
Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass das gemeinsame europäische Asylsystem von den einzelnen Mitgliedstaaten ein Mindestmaß an Fürsorge gegenüber Schutzsuchenden und Schutzberechtigten fordert. Dabei muss ein entsprechend dimensioniertes und den besonderen Bedürfnissen des hier zu betrachtenden Personenkreises, insbesondere besonders vulnerablen Personen, gegenüber gerecht werdendes Integrationsprogramm gewährleisten, dass jedenfalls die Inländergleichbehandlung faktisch und nicht nur formalrechtlich gewährleistet und sichergestellt wird. Dieser Standard stellt im Kontext des Unionsrechts ein flüchtlings- und menschenrechtliches Minimum dar. Die Gewährleistung eines an menschenrechtlichen Standards zu messenden Minimums gegenüber Schutzbedürftigen und Schutzberechtigten ist die Rechtfertigung und der Geltungsgrund des gemeinsamen europäischen Asylsystems, namentlich des dieses entscheidend prägenden Dublin-Systems, das es den Flüchtlingen grundsätzlich verwehrt, Flüchtlingsschutz auch in einem anderen Mitglieds- oder Vertragsstaat zu suchen. Dieses flüchtlings- und menschenrechtliche Minimum muss als unerlässlicher Bestandteil des Dublin-Systems begriffen werden. [...]
Diese vom EuGH für die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates im Dublin-Verfahren entwickelten Standards müssen erst recht Geltung beanspruchen hinsichtlich festgestellter systemischer Mängel in einem Mitgliedstaat, die sich nicht vordringlich auf die Durchführung des Asylverfahrens, sondern auf die Lebensverhältnisse anerkannter Flüchtlinge beziehen. Das gemeinsame europäische Asylsystem beschränkt sich nicht darauf, die Phase der Aufnahme der Flüchtlinge und des Verfahrens auf Zuerkennung eines internationalen Schutzstatus menschenwürdig und zweckentsprechend in einer Art und Weise zu regeln, die geeignet ist, einen effektiven Flüchtlingsschutz zu gewährleisten (vgl. 2., 8., 9., 10. und 11. Erwägungsgründe der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen vom 26.06.2013, ABl. L 180, S. 96 - Aufnahmerichtlinie - bzw. Erwägungsgründe 2., 11., 15. und 25. der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des Internationalen Schutzes, ABl. L 180 S.60 vom 26.06.2013 - Verfahrensrichtlinie -). Vielmehr nimmt das gemeinsame europäische Asylsystem erst Recht diejenigen Personen in den Blick, die nach Durchlaufen des Verfahrens von dem zuständigen Mitgliedstaat den internationalen Schutzstatus oder subsidiären Schutz zuerkannt bekommen haben (vgl. Art. 20 ff. QRL). Ein effektives und menschenwürdiges gemeinsames europäisches Asylsystem steht und fällt sowohl mit den genannten Aufnahme- und Verfahrensgarantien als auch mit den für anerkannte Flüchtlinge geltenden Mindeststandards. Aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass für anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Geschützte geringere Anforderungen anzulegen wären als für Schutzsuchende, die sich im Asylverfahren befinden. Das gemeinsame europäische Asylsystem mit dem Mechanismus des Dublin-Systems (VO [EG] Nr. 343/2003 - Dublin II-VO; VO [EU), Nr.604/2013 - Dublin-III-VO) verwehrt den Asylsuchenden zwar grundsätzlich die freie Wahl des Zufluchtlandes und eröffnet ihnen nur ein Verfahren in dem für sie zuständigen Mitgliedstaat. Notwendige und zwingende Kehrseite dieses Mechanismus ist es jedoch, dass sowohl Asylsuchende als auch anerkannte Flüchtlinge bzw. subsidiär Geschützte in dem betreffenden Mitgliedstaat ein an den Kriterien der QRL sowie der GR-Charta zu messendes menschenwürdiges Leben führen können. Es wäre systemwidrig, die Rückführung eines Asylsuchenden in den eigentlich zuständigen Mitgliedstaat wegen dort festgestellter systemischer Mängel für unzulässig zu erklären, dem in einem mit systemischen Mängeln behafteten Mitgliedstaat anerkannten Flüchtling jedoch die Durchführung eines (weiteren/erneuten) Asylverfahrens im Land seines dauerhaften Aufenthaltes zu verweigern und ihn damit von den mit der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verbundenen Aufenthalts- und Teilhaberechten auszuschließen. Denn von der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft bzw. des subsidiären Schutzes hängen weitreichende Teilhabe- und Aufenthaltsrechte ab, von denen der sich anderenfalls allenfalls geduldet im Bundesgebiet aufhaltende Flüchtling dauerhaft ausgeschlossen wäre. Dies würde dem Anspruch eines effektiven und gerechten Asylsystems widersprechen, wie es von der GFK und der QRL gefordert ist.
Die Durchführung eines Asylverfahrens mit Erfassung des Schutzsuchenden und Überprüfung seines Begehrens im Bundesgebiet ist nach Auffassung des Senats auch deshalb geboten, weil anderenfalls nicht gewährleistet ist, dass das Asylbegehren des Betroffenen einer ordnungsgemäßen Überprüfung unterzogen wird. Dies gilt sowohl hinsichtlich der von dem Schutzsuchenden vorgetragenen Asylgründe, als auch hinsichtlich sicherheits- und ordnungsrechtlicher Gesichtspunkte. Der Kläger in dem am selben Tag verhandelten Verfahren 3 A 1321/16.A hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat und im Beisein eines Vertreters der Beklagten dargelegt, dass er, der dortige Kläger, in Bulgarien als Flüchtling anerkannt worden sei, ohne dass ein Dolmetscher seinen Vortrag bzw. die Fragen der bulgarischen Behördenmitarbeiter oder das bei seiner Befragung angefertigte Protokoll übersetzt hat (vgl. S. 4 der Verhandlungsniederschrift). Dies bedeutet, dass Asylanerkennungen in Bulgarien ohne inhaltliche Prüfung des Sachvortrags und ohne Überprüfung der Personenidentität erfolgen.
§ 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG ist daher unions- und konventionskonform dahingehend auszulegen, dass der dort geregelte Ausschluss der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nur dann greift, wenn in dem Land der (Erst-)Anerkennung keine systemischen Mängel herrschen. Die Gewährung internationalen Schutzes durch einen mit systemischen Mängeln behafteten Mitgliedstaat entfaltet nach unionskonformer Auslegung keine Rechts- und Bindungswirkung für den Mitgliedstaat des neuerlichen Aufenthalts, so dass das Gesuch auf Zuerkennung internationalen Schutzes und Anerkennung von Asyl wie ein Erstantrag zu behandeln und zu bescheiden ist. Hinsichtlich der Unzulässigkeitsregelungen in § 29 AsylG i.d.F. der Bekanntmachung vom 6. August 2016 kann daher nichts anderes gelten.
Dem steht auch die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 (10 C 7.13, a.a.O.) nicht entgegen, da im dortigen Fall von einem anderen Sachverhalt, nämlich dem Nichtvorliegen systemischer Mängel in dem Mitgliedstaat der ersten Anerkennung, auszugehen gewesen ist.
Zum Tatsächlichen ist Folgendes auszuführen: Das Asylsystem in Bulgarien leidet insbesondere hinsichtlich bereits anerkannter Flüchtlinge an systemischen Mängeln. [...]
Die Verhältnisse in Bulgarien stellen sich für den Senat unter Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen hinsichtlich anerkannter Flüchtlinge wie folgt dar:
Nach der Auskunft von PRO ASYL vom 17. Juni 2015 ist für Asylsuchende und besonders für Flüchtlinge mit einem Schutzstatus die sie treffende Obdachlosigkeit in Bulgarien eines der drängendsten Probleme. In Bulgarien haben nur Asylsuchende, die sich noch im Asylverfahren befinden, ein Recht auf Unterbringung in einer der Unterkünfte. Nach der Anerkennung bleiben den Flüchtlingen in der Regel nur 14 Tage, bevor sie des Lagers verwiesen werden. Nur in Ausnahmefällen können besonders Schutzbedürftige bis zu sechs Monate nach Anerkennung in den Lagern bleiben. Anerkannte Flüchtlinge können auch in kommunalen Obdachlosenunterkünften oder Sozialwohnungen keine Unterkunft finden. Dafür müsste mindestens ein Familienmitglied die bulgarische Staatsbürgerschaft besitzen und schon seit einer gewissen Zeit ununterbrochen in der jeweiligen Gemeinde gemeldet gewesen sein. Für Flüchtlinge, die weder Arbeit noch die finanzielle Unterstützung von Verwandten aus dem Ausland haben, bleibt nur die Obdachlosigkeit. Das bedeutet für die oft traumatisierten Flüchtlinge eine unvorstellbare Belastung und erneute vollkommene Schutzlosigkeit. Erschwerend kommt nach der Auskunft von Pro Asyl hinzu, dass ohne Wohnung auch der Zugang zu anderen staatlichen oder medizinischen Leistungen unmöglich ist. In Bulgarien gibt es kein funktionierendes nationales Integrationsprogramm für anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Geschützte. Ihnen ist es praktisch unmöglich, ihre sozialen Rechte wahrzunehmen. Eine Arbeitsmarktintegration findet nicht statt, ebenso wenig besuchen Flüchtlingskinder in Bulgarien die Schule. Der Zugang zur Gesundheitsversorgung für anerkannte Flüchtlinge oder subsidiär Geschützte ist nicht gewährleistet. Sobald das Asylverfahren abgeschlossen ist, müssen die Flüchtlinge - wie beschrieben - die Aufnahmeeinrichtungen verlassen. Danach müssen sie eine Reihe von Hürden überwinden, um Zugang zum Gesundheitssystem zu bekommen. Den monatlichen Beitrag für die Gesundheitsversorgung müssen anerkannte Flüchtlinge selbst bezahlen, eine staatliche Unterstützung gibt es nicht. Selbst wenn der Betrag aufgebracht werden kann, sind davon Arzneimittel und psychologische Behandlung nicht abgedeckt. Gerade diese sind aber für traumatisierte Flüchtlinge und für Folteropfer von besonderer Bedeutung. Selbst bei schweren Erkrankungen können anerkannte Flüchtlinge in Bulgarien oft keine Behandlung finden und sind schwerwiegenden gesundheitlichen Risiken ausgesetzt. Zudem vermerkt PRO ASYL in Bulgarien schwere rassistische Übergriffe auf Flüchtlinge (vgl. insgesamt PRO ASYL an VG Köln, 17.06.2015). Die Einschätzung von PRO ASYL zur Lage anerkannter Flüchtlinge in Bulgarien wird vom Auswärtigen Amt in seinen Auskünften vom 23. Juli 2015 und 30. November 2015 bestätigt. In letztgenannter Auskunft weist das Auswärtige Amt erneut darauf hin, dass für anerkannte Flüchtlinge keine staatlichen Unterkunfts-, Hilfs- oder Integrationsprogramme vorgesehen sind (vgl. Auswärtiges Amt an VG Stuttgart vom 23.07.2015 und Auswärtiges Amt an VG Hamburg vom 30.11.2015). UNHCR bestätigt in einer Auskunft vom 31. Juli 2015, dass anerkannte Flüchtlinge die Aufnahmeeinrichtungen der Staatlichen Flüchtlingsagentur innerhalb von 14 Tagen nach Anerkennung verlassen müssen. In Ausnahmefällen könne bei besonders schutzbedürftigen Personen ein Verbleib von bis zu sechs Monaten möglich sein. Personen mit internationalem Schutzstatus, die aus anderen Mitgliedstaaten nach Bulgarien zurückgeführt werden, hätten keinen Anspruch auf Unterbringung in den Aufnahmeeinrichtungen der staatlichen Flüchtlingsagentur. Trotz bestehender Verbesserungen der Aufnahmebedingungen existiere in Bulgarien kein Integrationsprogramm für Flüchtlinge (UNHCR an VG Meiningen vom 31.07.2015). Nach Auskunft der Frau Dr. phil. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 existiert in Bulgarien kein Integrationsplan, der Integrationsmaßnahmen vorsieht. Zwar können die international Schutzberechtigten auf dem freien Arbeitsmarkt Arbeit suchen und diese antreten. Dies stelle sich in der Praxis jedoch häufig als schwierig und mit unüberbrückbaren Hürden versehen dar. Eine der Möglichkeiten, um in Bulgarien eine Arbeit zu finden, sei es, sich beim Jobcenter der Agentur für Arbeit in der Gegend, in der der Schutzberechtigte dauerhaft wohnhaft ist, als arbeitssuchend zu melden. Die Registrierung bei einem Jobcenter sei eine der Voraussetzungen für das Stellen eines Antrags auf Sozialhilfe. Für die Registrierung müsse man zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Ausweisdokument vorlegen. Um jedoch ein Ausweisdokument ausgestellt zu bekommen, müsse man eine Meldebestätigung vorlegen, d.h., man müsse eine Unterkunft gefunden haben. Das Fehlen einer Unterkunft und einer Meldebestätigung sei eine praktische Erschwernis für die Ausstellung eines bulgarischen Ausweisdokumentes und für die Ausübung weiterer Rechte. Die zivile Adressregistrierung, die den Nachweis einer Unterkunft voraussetze, könne zu einem Teufelskreis führen, In dem die Menschen keine Sozialhilfe beantragen könnten, weil sie keine Unterkunft, keine Meldebescheinigung, keine Ausweiskarte haben. Dies zwinge viele Schutzberechtigte dazu, "falsche" Adressen zu kaufen, um auf diese Weise so schnell wie möglich einen bulgarischen Reiseausweis zu erhalten, mit dem sie dann in andere europäische Länder reisen könnten. Hinsichtlich der Zahlung ihrer Beiträge zur Krankenversicherung seien die Flüchtlinge selbst verantwortlich. Schutzberechtigte hätten kein Recht auf Unterstützung in diesem Verfahren und seien oftmals nicht informiert über die Schritte, die sie unternehmen müssten. Wenn man z. B. in einem Zeitraum von 36 Monaten vor Beginn des Monats, in dem man die medizinische Versorgung erhalte, nicht mehr als drei Raten der Krankenversicherung gezahlt habe, werde die Krankenversicherung ausgesetzt und man müsse die Kosten einer medizinischen Versorgung selbst tragen. Sollte derjenige nicht versichert sein und die medizinische Dienstleistung nicht bezahlen können, dann sei es möglich, dass er lediglich eine Notfallversorgung erhalte. Hinsichtlich von Verfahrensrechten, also Beistand in gerichtlichen Verfahren, erhielten Schutzberechtigte keine Informationen. Da ein staatliches Integrationsprogramm nicht bestehe, seien auch die vor Juli 2014 angebotenen bulgarischen Sprachkurse eingestellt worden (vgl. Dr. phil. Valeria Ilareva an VGH Baden-Württemberg vom 27.08.2015). Laut einer Pressemitteilung der Europäischen Kommission vom 23. September 2015 hat die Europäische Kommission insgesamt 40 Vertragsverletzungsverfahren hinsichtlich der Bewältigung der Flüchtlingskrise eingeleitet, bei denen mehrfach Bulgarien genannt wurde. So hat Bulgarien die Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) weder umgesetzt noch die Kommission über nationale Umsetzungsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt. Gleiches hat für die überarbeitete Asylverfahrensrichtlinie (Richtlinie 2013/32/EU(1)) sowie die Richtlinie über die Aufnahmebedingungen (Richtlinie 2013/33/EU(4)) zu gelten. Das von der Europäischen Kommission verfasste Aufforderungsschreiben stellt die erste förmliche Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens dar (vgl. Pressemitteilung Europäische Kommission, Mehr Verantwortung bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise: Europäische Kommission bringt gemeinsames Europäisches Asylsystem auf Kurs und leitet 40 Vertragsverletzungsverfahren ein, Brüssel, 23.09.2015). In einem Bericht über eine Informationsreise des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses nach Bulgarien vom 25.126. Januar 2016 wird ausgeführt, dass Sprachunterricht anders als in Deutschland nicht angeboten wird, obwohl Investitionen in intensive Sprachkurse für Asylbewerber, die in Bulgarien bleiben, nötig sind, um die Integration voran zu treiben. Trotz einer Diskussion über eine Integrationsstrategie gebe es kein derartiges Programm für Menschen, denen der Schutzstatus gewährt wurde. Dies sei auch der Grund, weshalb viele Flüchtlinge das Land wieder verließen. Bestätigt wird hierin auch die von PRO ASYL beschriebene Praxis, dass Sozialwohnungen nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn einer der Ehegatten die bulgarische Staatsangehörigkeit besitzt und bereits im Land gearbeitet hat. Flüchtlingskindern steht kein Recht auf einen Kindergartenplatz zu, wobei jedoch selbst bulgarische Bürger Schwierigkeiten haben, einen Platz für ihr Kind zu finden. Sehr wenige Asylbewerber gehen in Bulgarien gegen Asylentscheidungen vor, da sie keinen Zugang zur Rechtsberatung haben (vgl. Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss, Bericht über die Informationsreise nach Bulgarien, 25.26.01.2016). ACCORD (Austrian Centre for Country of Origin & Asylum Research and Documentation, Forschung und Dokumentation zu Asyl- und Menschenrechten) kommt in einem Bericht vom 14. April 2016 zu dem Ergebnis, dass kein Flüchtling in Bulgarien eine reelle Chance habe, sich ein Existenzminimum zu schaffen. Die Rückführung von Personen, die in Bulgarien einen Status erhalten haben, verstoße daher gegen Art. 3 EMRK und auf nationaler Ebene gegen § 80 Abs. 5 AufenthG. Bei kranken und vulnerablen Personen liege eine konkrete erhebliche Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung zu Bulgarien: Konsequenzen für einen in Bulgarien subsidiär ("humanitär") Schutzberechtigten bei Rücküberstellung, z.B. gemäß Dublin-Übereinkommen aus einem anderen EU-Land; Kann der humanitäre Schutz von Bulgarien wieder entzogen werden?, 14.04.2016). […]
Aufgrund der dargestellten Auskunftslage steht zur Überzeugung des Senats fest, dass Bulgarien in fundamentaler Weise seine Verpflichtungen aus den Art. 20 ff. QRL verletzt und nach wie vor kein funktionierendes und ausreichend finanziertes Integrationsprogramm für anerkannte Schutzberechtigte aufgestellt hat und praktiziert. Dies ergibt sich aus den insoweit übereinstimmenden Auskünften insbesondere von PRO ASYL, Prof. Dr. phil. Valeria Ilareva, dem Auswärtigen Amt sowie weiterer Auskunftsstellen. [...]
Nach europarechtskonformer Auslegung von § 60 Abs. 1 AufenthG sowie aus Gründen effektiver Gewährleistung von Flüchtlingsschutz ist es daher geboten, dem Kläger die Durchführung eines Asylverfahrens im Bundesgebiet zu ermöglichen, da er nur so in den Genuss ihm im Falle einer positiven Entscheidung über seinen Antrag auf Zuerkennung von Flüchtlingsschutz zustehender Aufenthalts- und Teilhaberechte.gelangen kann. Hier ist sein ständiger Aufenthaltsort seit Juni 2014 mit Ausnahme des kurzen Zeitraumes, in dem er sich infolge der Abschiebung in Bulgarien aufhielt. Eine Rückkehr nach Syrien kommt auch nach Auffassung der Beklagten nicht in Betracht.
Die Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte bzw. Verwaltungsgerichtshöfe steht der Auffassung des Senats nicht entgegen bzw. überzeugt nicht.
Die Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 10. November 2014 (A 11 S 1778/14, juris), 18. März 2015 (A 11 S 2042/14, juris) und vom 1. April 2015 (A 11 S 106/15) stehen dem von dem Senat gefundenen Ergebnis bereits deshalb nicht entgegen, weil sie die Rückführung von Personen im Asylverfahren und nicht von anerkannten Asylberechtigten betreffen und die Entscheidungen vor den insoweit einen Wendepunkt darstellenden und für den Senat entscheidungserheblichen Auskünften von PRO ASYL vom 17. Juni 2015, dem Auswärtigen Amt vom 23. Juni 2015 und 30. November 2015 und der Dr. phil. Valeria Ilareva vom 27. August 2015 ergangen sind. [...]
Aufzuheben Ist auch die in Ziffer 2 des Bescheides vom 24. November 2014 ausgesprochene Anordnung der Abschiebung nach Bulgarien. [...]
Zu den tatsächlichen Vollzugshindernissen, die einen Duldungsanspruch ausläsen, gehört der Umstand, dass die Abschiebung aus tatsächlichen Gründen unmöglich ist (§ 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Fehlende Übernahmebereitschaft des Staates, in den abgeschoben werden soll, ist ein solcher Umstand. Da die Abschiebungsanordnung nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht etwa nur zu unterlassen ist, wenn ein solcher Duldungsgrund vorliegt, sondern erst ergehen kann, wenn der Duldungsgrund ausgeschlossen ist ("feststeht, dass sie durchgeführt werden kann"), muss die Übernahmebereitschaft positiv geklärt sein (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 18.02.2016 - 1 A 11081/14 -, juris, unter Bezugnahme auf OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28.04.2015 - 14 B 502/15.A -, juris, m.w.N.). Daran fehlt es hier in Bezug auf Bulgarien; die Durchführbarkeit ist im Hinblick auf die Übernahmebereitschaft des bulgarischen Staates im gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AsylG für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung ungeklärt. Denn die bulgarische Staatliche Flüchtlingsverwaltung hat das auf der Grundlage der Dublin III-VO gestellte Übernahmeersuchen der Beklagten vom 26. August 2014 mit Schreiben vom 23. Oktober 2014 abgelehnt, weil aufgrund des in Bulgarien bereits gewährten Flüchtlingsstatus die Wiederaufnahmeregelungen der Dublin III-Verordnung vorliegend nicht anwendbar seien, und auf die Zuständigkeit der bulgarischen Grenzpolizei verwiesen. Später wurde der Kläger dann nach Bulgarien abgeschoben - auf welcher Grundlage lässt sich den Akten nicht entnehmen. Am Tag der gerichtlichen Entscheidung steht aber nicht fest, dass eine Abschiebung (nochmals) durchführbar ist. Nach Art. 7 Abs. 3 Satz 1 des deutsch-bulgarischen Abkommens über die Übernahme und Durchbeförderung von Personen (Rückübernahmeabkommen) vom 7. März 2006 (BGBl. II, S. 259 ff.) hat die Übernahme unverzüglich, spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten, nachdem die ersuchte Vertragspartei der Übernahme zugestimmt hat, zu erfolgen. Diese Frist wird zwar gemäß Satz 2 der Vorschrift auf Antrag der ersuchenden Vertragspartei im Falle rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse für die Übergabe verlängert. Vorliegend ist jedoch die Dreimonatsfrist längst abgelaufen, ohne dass die Beklagte Anhaltspunkte für eine Verlängerung der Frist durch die bulgarischen Behörden geltend gemacht hätte.
Im Übrigen besteht nach wie vor die rechtliche Unmöglichkeit der Abschiebung aufgrund der oben beschriebenen systemischen Mängel. Dies gilt im Falle des Klägers insbesondere im Hinblick auf den fehlenden Zugang zu erforderlicher medizinischer Behandlung. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 10. März 2016 - 3 B 2796/15.A - (Seite 4, zweiter Absatz, bis Seite 7, erster Absatz, des amtlichen Beschlussumdrucks) Bezug genommen. [...]