1. Die Frist zur Klageerhebung gegen eine Entscheidung des BAMF, das Asylverfahren gem. § 33 Abs. 5 S. 1 AsylG einzustellen, richtet sich nach § 74 Abs. 1 Hs. 1 AsylG und beträgt daher zwei Wochen.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis für gerichtliche Rechtsbehelfe gegen die Einstellung des Asylverfahrens nach § 33 Abs. 5 S. 1 AsylG ist gegeben, obwohl gesetzlich die Möglichkeit vorgesehen ist, beim BAMF die Wiederaufnahme zu beantragen. Da die Wiederaufnahme auch bei rechtswidriger Verfahrenseinstellung nur einmal möglich ist, würde den Betroffenen bei Verneinung des Rechtsschutzbedürfnisses vor Gericht die Möglichkeit der Heilung eines einmaligen Fehlverhaltens genommen.
3. Wenn die erforderliche Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG unterbleibt (hier erfolgte sie nach alter Rechtslage), ist die Einstellung des Asylverfahrens gem. § 32, 33 AsylG rechtswidrig.
[...]
2. Dem Antrag fehlt auch nicht das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
a) Die Klage gegen den Bescheid vom 13.04.2016, der am 19.04.2016 als Einschreiben zur Post gegeben wurde, ist am 03.05.2016 und damit rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Klagefrist (§ 74 Abs. 1 Halbsatz 1 AsylG) erhoben worden. Die verkürzte Klagefrist von einer Woche nach § 74 Abs. 1 Halbsatz 2 AsylG greift vorliegend nicht ein, weil es in der hier vorliegenden Konstellation keine Bestimmung gibt, nach der die Frist zur Stellung des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Woche beträgt. Dies ist nur in den Fällen des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG (Anordnung der Abschiebung in einen sicheren Drittstaat oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat) sowie des § 36 Abs. 3 Satz 1 und 10 AsylG (Unbeachtlichkeit bzw. offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrages sowie Klagen gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Abs. 7 AufenthG) gesetzlich geregelt. Die Vorschrift des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG ist auf den vorliegenden Fall auch nicht entsprechend anwendbar (VG Freiburg, Beschluss vom 04.02.2011 – A 1 K 63/11 –, juris).
Ferner gilt die Wochenfrist auch nicht nach § 33 Abs. 6 AsylG, weil von diesem Verweis nur Entscheidungen des Bundesamtes nach § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG – also über die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag – erfasst sind. [...]
aa) Der Antragsteller könnte mit einem entsprechenden Antrag beim Bundesamt die Wiederaufnahme seines Asylverfahrens nach § 33 Abs. 5 Satz 5 AsylG erreichen. Diese Möglichkeit räumt die Neufassung des § 33 AsylG ausdrücklich ein. Das Gesetz benennt in § 33 Abs. 5 Satz 6 abschließend die Gründe, in denen das Verfahren auf entsprechenden Antrag nicht wieder aufzunehmen ist. Dies ist nach der Vorschrift nur dann der Fall, wenn die Einstellung des Asylverfahrens zum Zeitpunkt der Antragstellung mindestens neun Monate zurückliegt oder das Asylverfahren bereits ein Mal nach dieser Vorschrift wieder aufgenommen worden war. Aus dem Normkontext sowie der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/7538, S. 17) ergibt sich, dass das Bundesamt verpflichtet st, das Verfahren wiederaufzunehmen, wenn kein Fall des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG vorliegt, und zwar unabhängig davon, ob die zur Verfahrenseinstellung führende Versäumung des Anhörungstermins (§ 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AsylG) auf Umstände zurückzuführen war, auf die der Ausländer keinen Einfluss hatte (VG Regensburg, Beschluss vom 18.04.2016 – RO 9 S 16.30620 –, juris, Rn. 18; vgl. auch VG Ansbach, Beschluss vom 29.04.2016 – AN 4 S 16.30410 –, juris, Rn. 14). [...]
Im Falle einer Wiederaufnahme des nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG eingestellten Verfahrens tritt die – zunächst nach § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylG erloschene – Aufenthaltsgestattung nach § 55 AsylG wieder in Kraft tritt (§ 67 Abs. 2 Nr. 1 AsylG) mit der Folge, dass aufenthaltsbeendende Maßnahmen bis zum Abschluss des Asylverfahrens des Antragstellers ausscheiden.
bb) Es bringt für den Antragsteller erhebliche verfahrensmäßige Nachteile mit sich, wenn diesem das Rechtsschutzbedürfnis für den vorliegenden Antrag versagt und er stattdessen auf die Möglichkeit eines Antrags nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG verwiesen wird.
Wie bereits dargelegt, besteht die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach Einstellung desselben wegen Nichtbetreibens nur ein Mal. Es soll ausweislich der Gesetzesbegründung die Möglichkeit der Heilung eines einmaligen Fehlverhaltens eingeräumt werden (BT-Drucks. 18/7538, S. 17).
Wenn die erstmalige Einstellung des Verfahrens nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG aber zu Unrecht erfolgt – weil die Voraussetzungen gar nicht vorlagen – und der Asylbewerber oder die Asylbewerberin diese Entscheidung im Eilverfahren gerichtlich nicht angreifen können, sondern gezwungen sind, einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen, so gehen sie dieser Möglichkeit der Heilung für die Zukunft verlustig. Wenn die Wiederaufnahme des Verfahrens notwendigerweise mit der vollständigen Aufhebung des zunächst ergangenen Einstellungsbescheides verbunden ist (so VG Regensburg, Beschluss vom 18.04.2016 – RO 9 S 16.30620 –, juris, Rn. 18) bleibt auch für eine Anfechtungsklage gegen diesen in der Hauptsache kein Raum mehr. Eine gerichtliche Überprüfung, ob die (erste) Einstellung rechtmäßig ergangen ist, fände dann überhaupt nicht statt. Verhält sich die Asylbewerberin oder der Asylbewerber im weiteren Verlauf seines bzw. ihres Asylverfahrens (nochmals) in einer Weise, die die Einstellung des Verfahrens nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG rechtfertigt, so wäre das Bundesamt nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG wohl bei einem erneuten Antrag auf Wiederaufnahme berechtigt, diesen abzulehnen – und zwar unabhängig von der Rechtmäßigkeit der beiden Einstellungsentscheidungen. Eine gegen den erneuten Einstellungsbeschluss gerichtete Klage bzw. ein Antrag auf Eilrechtsschutz wäre aber ebenso ohne Aussicht auf Erfolg, wenn die zweite Einstellungsentscheidung rechtmäßig ist.
Dem Asylbewerber bzw. der Asylbewerberin würde auf diese Weise mithin die – vom Gesetz ausdrücklich eingeräumte – Möglichkeit genommen, eine auf ein einmaliges Fehlverhalten hin ergangene rechtmäßige Einstellungsentscheidung nach § 33 Abs. 5 Satz 1 AsylG aus der Welt zu schaffen, weil er gezwungen ist, den entsprechenden Antrag für eine ggf. rechtswidrig ergangene Einstellungsverfügung zu verbrauchen. Dies begegnet auch unter Gleichheitsaspekten erheblichen Bedenken.
Zwar ließen sich diese verfahrensmäßigen Nachteile beheben, wenn man für die Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens beim Bundesamt im Wege der ergänzenden Auslegung § 33 Abs. 5 Satz 6 Nr. 2 AsylG so verstünde, dass der erstmaligen Wiederaufnahme des Verfahrens eine rechtmäßige Einstellungsentscheidung vorangegangen sein muss. Damit erfolgte eine zeitliche Verlagerung der Überprüfung der ersten Verfahrenseinstellung. Zum einen erscheint aber bereits zweifelhaft, ob eine solche Auslegung nicht die Grenzen des Wortlauts der Norm überschreitet. Damit ginge zudem eine Privilegierung derjenigen Asylbewerber_innen einher, die nach der ersten Verfahrenseinstellung davon absehen, um gerichtlichen Rechtsschutz nachzusuchen und sich stattdessen für den leichteren Weg des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens entscheiden. Diesen bliebe es dann unbenommen, sich nach der zweiten Verfahrenseinstellung auf die Rechtswidrigkeit des ersten Einstellungsbeschlusses zu berufen, was aus prozessualer Sicht ineffektiv und systemwidrig wäre. Zum anderen ist völlig unklar, ob die zum jetzigen Zeitpunkt noch neue Fassung des § 33 AsylG von den Gerichten wie beschrieben ausgelegt wird. [...]
Es fehlt allerdings an der Belehrung des Antragstellers über die mögliche Rechtsfolge der Verfahrenseinstellung bei Nichtbetreiben des Verfahrens (§ 33 Abs. 4 AsylG). Der Antragsteller war sowohl in der Ladung zum Termin für die persönliche Anhörung als auch im Rahmen der späteren Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme nicht über die Möglichkeit der Verfahrenseinstellung bei Nichtbetreiben belehrt worden (was seinen Grund darin hat, dass bei Abfassung dieser Schreiben die neue Fassung des § 33 AsylG mit den erweiterten Möglichkeiten der Verfahrenseinstellung bei Nichtbetreiben noch gar nicht in Kraft getreten war). Das Bundesamt hatte ihn lediglich darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nach Aktenlage möglich sei, bei der auch seine Nichtmitwirkung berücksichtigt werden könne. Dies ist keine ausreichende Belehrung im Sinne des § 33 Abs. 4 AsylG, der ausdrücklich eine Belehrung über die eintretenden Rechtsfolgen, mithin die Rücknahmefiktion, verlangt.
Die unterbliebene Belehrung führt auch zur Rechtswidrigkeit der Einstellung des Asylverfahrens nach §§ 32, 33 AsylG. Vor der seit dem 17.03.2016 geltenden Neufassung des § 33 AsylG war eine Verfahrenseinstellung wegen Nichtbetreibens an die Voraussetzung einer Betreibensaufforderung geknüpft. Für den Erlass einer solchen Betreibensaufforderung im Sinne des § 33 AsylG a.F. galten wegen der damit verbundenen weit reichenden Konsequenzen strenge Voraussetzungen: So musste stets ein bestimmter Anlass gegeben sein, der geeignet war, Zweifel in das Bestehen oder Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses zu setzen. Die Aufforderung musste zudem zwingend eine Belehrung über die bei Nichterfüllung der Aufforderung eintretenden Rechtsfolgen enthalten (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 05.09.2013 – 10 C 1.13 –, juris).
Für die Verfahrenseinstellung nach §§ 32, 33 AsylG n.F. kann – schon wegen der damit verbundenen weit reichenden Konsequenzen – hinsichtlich der Belehrungspflicht nichts anderes gelten. Zwar besteht nunmehr – im Gegensatz zur alten Rechtslage – die Möglichkeit des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 33 Abs. 5 Satz 2 AsylG. Dieser ist jedoch an die bereits beschriebenen Voraussetzungen des § 33 Abs. 5 Satz 6 AsylG geknüpft. Im Übrigen sind die Möglichkeiten des Bundesamtes zur Verfahrenseinstellung durch die neue Gesetzesfassung erweitert worden, weil es nunmehr keiner Betreibensaufforderung mehr bedarf, sondern das Nichtbetreiben bei Verletzung bestimmter Mitwirkungspflichten von Gesetzes wegen vermutet wird und ohne weiteres die Verfahrenseinstellung ermöglicht. In dieser Situation muss das Belehrungserfordernis des § 33 Abs. 4 AsylG als zwingendes Rechtmäßigkeitserfordernis verstanden werden, um eine zu starke Einschränkung der Verfahrensrechte der Asylbewerber_innen zu vermeiden. Dafür spricht zudem der Wortlaut des § 33 Abs. 4 AsylG, der nicht nur die Belehrung an sich verlangt, sondern darüber hinaus festschreibt, dass der Hinweis schriftlich und gegen Empfangsbestätigung zu erfolgen hat. Dieses Erfordernis, das Beweiszwecken dient, wäre
obsolet, hielte man die Verfahrenseinstellung auch ohne vorherige Belehrung für rechtmäßig. Sollte tatsächlich – wie laut VG Regensburg, Beschluss vom 18.04.2016 – RO 9 S 16.30620 –, juris, Rn. 9, vom Bundesamt geltend gemacht – eine Dienstanweisung des Inhalts bestehen, dass eine fehlende Belehrung nach § 33 Abs. 4 AsylG einer Rücknahmefiktion nicht entgegenstehe, so ändert diese aus Sicht des Gerichts rechtswidrige Weisungslage am vorstehenden Ergebnis aus den dargelegten Gründen nichts. [...]