Festhaltung an der Entscheidung des 4. Strafsenats des Kammergerichts vom 12. August 2011 - (4) 1 Ss 268/11 (170/11) -, wonach es sich bei § 42 StAG um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt und die Straffreiheit - auch wenn im konkreten Fall § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG anwendbar wäre - eine wesentliche Voraussetzung für die Einbürgerung im Sinne des Straftatbestandes des § 42 StAG ist.
(Amtlicher Leitsatz)
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Der Senat teilt die Auffassung des 4. Strafsenats des Kammergerichts in der Entscheidung vom 12. August 2011 - (4) 1 Ss 268/11 (170/11) -, wonach es sich bei § 42 StAG um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt, weshalb eine abstrakte Gefährdung genügt und nicht erforderlich ist, dass die falschen Angaben im konkreten Fall geeignet waren, die Entscheidung der Behörde zu beeinflussen (juris Rz. 6 m.w.N.). Weiterhin schließt sich der Senat der in der Entscheidung vertretenen Auffassung an, dass die Straffreiheit eine wesentliche Voraussetzung für die Einbürgerung im Sinne des Straftatbestandes des § 42 StAG ist (juris Rz. 10). Dies ergibt sich bei einer Anspruchseinbürgerung aus § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG und bei einer Ermessenseinbürgerung aus § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG. Beide Vorschriften nennen als Einbürgerungsvoraussetzung die Straffreiheit (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 - 5 C 5/11 - juris Rz. 37). Mit dem grundsätzlichen Erfordernis der Straffreiheit will der Gesetzgeber demjenigen Einbürgerungsbewerber eine Einbürgerung verwehren, der ein Rechtsgut verletzt hat, das die Bundesrepublik Deutschland als der Staat, in den er eingebürgert werden will, für so wesentlich hält, dass dessen Verletzung mit Strafe bewehrt ist (vgl. BVerwG, a.a.O. - juris Rz. 22). Eine Verurteilung wegen einer Straftat im Sinne der genannten Vorschriften liegt vor, wenn eine strafgerichtliche Entscheidung ergangen ist, aufgrund derer feststeht, dass der Ausländer eine mit Strafe bedrohte Tat verübt hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. März 2007 - 5 C 33/05 - juris Rz. 19). Zwar bleiben Geldstrafen bis zu 90 Tagessätzen gemäß § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG bei der Einbürgerung außer Betracht. Jedoch verlieren die Frage nach der Straffreiheit als Voraussetzung einer Einbürgerung und die Antwort hierauf nicht dadurch ihre Bedeutung, dass im Einzelfall ausnahmsweise strafrechtliche Verurteilungen nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG bei der Entscheidung durch die Einbürgerungsbehörde und im Streitfall durch das Verwaltungsgericht unberücksichtigt bleiben müssen. Denn nach der Gesetzessystematik handelt es sich hierbei lediglich um eine Ausnahmevorschrift, die den normierten Grundsatz, dass ein Ausländer, der wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist, nicht einzubürgern ist, nicht infrage stellt (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 - 5 C 5/11 - juris Rz. 17). Dementsprechend ist zunächst stets zu prüfen, ob die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit gegeben ist; nur im Falle der Verneinung schließt sich die Prüfung an, ob eine Verurteilung nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG unbeachtlich sein könnte (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 - 5 C 5/11 - juris Rz. 10; VG Würzburg, Beschluss vom 9. Dezember 2014 - W 7 K 14.799 - juris Rz. 21, 22).
Dieses Verständnis von § 42 StAG ist auch den Gesetzesmaterialien zu entnehmen. Die Strafvorschrift ist durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des StAG vom 5. Februar 2009 (BGBl. I 2009 S. 158) eingefügt worden. Zuvor enthielt das StAG keine nebenstrafrechtlichen Bestimmungen. Die Regelung ist auf die Forderung des Bundesrates aufgenommen worden, Täuschungssachverhalte in Einbürgerungsangelegenheiten strafrechtlich zu ahnden. So heißt es in einem Vorschlag des Bundesrates zur Einfügung einer Strafvorschrift, die sich an § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG anlehnen sollte (BT-Drucksache 16/10528, S. 11):
"Es besteht ein Bedürfnis, auch im Einbürgerungsverfahren falsche Angaben unter Strafe zu stellen. … Es wäre ein Wertungswiderspruch, falsche Angaben zur Erlangung eines ausländerrechtlichen Aufenthaltstitels oder einer Anerkennung im Asylverfahren unter Strafe zu stellen, nicht jedoch falsche Angaben zur Erlangung der weitergehenden Rechte, die mit dem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verbunden sind."
Die Bundesregierung hat ebenfalls die Notwendigkeit gesehen, die Täuschung in einem Einbürgerungsverfahren unter Strafe zu stellen, wenngleich sie insoweit § 98 BVFG herangezogen hat, weil dort ein dem Erschleichen einer Einbürgerung vergleichbarer Sachverhalt geregelt sei, während gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG die Täuschung lediglich zur Erschleichung von Aufenthaltstiteln diene (BT-Drucksache 16/10695, S. 2).
Da laut diesen Begründungen auch der nachträglich eingefügte § 42 StAG - wie § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG und § 98 BVFG - das Verwaltungsverfahren gegenüber Falschangaben absichern soll, widerspräche es dem Gesetzeszweck, § 42 StAG enger als die beiden anderen Vorschriften auszulegen. Zu § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich entschieden, dass der objektive Tatbestand schon dann erfüllt ist, wenn die richtige Anwendung des materiellen Aufenthaltsrechts wegen der Falschangaben abstrakt gefährdet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 2. September 2009 - 5 StR 266/09 - juris Rz. 19). Eine solche abstrakte - vom konkreten Fall losgelöste - Gefährdung ist im Anwendungsbereich von § 42 StAG zu bejahen, wenn die Einbürgerungsbehörde über die in §§ 8 Abs. 1 Nr. 2, 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG geregelten Einbürgerungsvoraussetzungen getäuscht wird. [...]