1. Auch wenn in einem Verfahren um die Aussetzung der Abschiebung die Anwendung von § 43 Abs. 3 AsylG [Duldung von Familienangehörigen zur Ermöglichung der gemeinsamen Ausreise] im Streit steht, führt dies nicht zu einer Rechtsstreitigkeit nach dem Asylgesetz. Die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts ist hier nicht nach § 80 AsylG ausgeschlossen.
2. Der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden humanitären und persönlichen Gründe aus § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG wird durch § 43 Abs. 3 AsylG bindend konkretisiert.
(Amtliche Leitsätze)
[...]
Soweit die Anwendung von § 43 Abs. 3 AsylG im Streit steht, gilt nichts anderes (offen gelassen: BVerwG, Urteil vom 25.09.1997 - 1 C 6.97 -, InfAuslR 1998, Rn.15; SaarlOVG, Beschluss vom 22.10.1998 - 1 V 26/98 -, juris, Rn. 21; a. A.: VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 26.01.1989 - A 12 S 3522/97 -, juris). Denn diese Vorschrift, mit der der zuständigen Ausländerbehörde die Möglichkeit gegeben wird ("…darf…"), die Abschiebung vorübergehend auszusetzen, um die gemeinsame Ausreise der Familie zu ermöglichen, normiert keinen im Verhältnis zu § 60a Absätze 2 und 2b AufenthG eigenständigen asylrechtlichen Duldungsgrund.
Vielmehr wird über die Ermächtigung der Ausländerbehörde in § 43 Abs. 3 AsylG der unbestimmte Rechtsbegriff der dringenden humanitären und persönlichen Gründe aus § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG bindend konkretisiert und damit die Norm auf Tatbestandsseite insoweit für den Fall erweitert, dass die Voraussetzungen des § 43 Abs. 3 AsylG erfüllt sind.
Es bedarf in jedem Fall - unabhängig davon, ob allein die Erfüllung des Tatbestands des § 43 Abs. 3 AsylG oder darüber hinausgehend weitere Gründe für eine Aussetzung der Abschiebung geltend gemacht werden - einer wertenden Betrachtung des Gewichts der konkreten familiären Umstände. Werden - wie regelmäßig in der Praxis - mit einem einheitlichen und auf die familiäre Situation abstellenden Begehren Duldungsgründe vorgebracht, die über die Erfüllung des Tatbestands des § 43 Abs. 3 AsylG hinausgehen, würde eine differenzierende Qualifizierung der Vorschriften (wie sie etwa angelegt ist bei: Bergmann, in: Bergmann/Dienelt, AuslR, 11. Aufl., 2016, § 43 AsylG, Rn. 7), dazu zwingen, regelmäßig sowohl eine ausländer- als auch eine asylrechtliche Streitigkeit anzunehmen, mit der Folge, dass nicht nur unterschiedliche örtliche Gerichtszuständigkeiten in Bezug auf daher getrennt zu führende Verfahren bestehen könnten (§ 52 Nr. 2 Satz 3 VwGO und § 52 Nr. 3 VwGO), sondern auch die Zuständigkeit des obligatorischen Einzelrichters in Asylsachen nach § 76 Abs. 4 AsylG gegenüber der Zuständigkeit der Kammer bzw. des nur fakultativen Einzelrichters (§ 6 VwGO) in der ausländerrechtlichen Streitigkeit zu beachten wäre (vgl. hierzu: Funke-Kaiser, a.a.O., Rn. 23). Die Folge wäre eine gänzlich unpraktikable und vom Gesetzgeber mit der Verortung des § 43 Abs. 3 AsylG nicht intendierte Aufspaltung der Prüfung eines einheitlichen Sachverhalts in zwei getrennte Verfahren. [...]