VG Gelsenkirchen

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Zitieren als:
VG Gelsenkirchen, Urteil vom 18.03.2016 - 1a K 2306/15.A - asyl.net: M23714
https://www.asyl.net/rsdb/M23714
Leitsatz:

Ein krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG liegt vor, da eine dauerhafte medikamentöse Versorgung im Kosovo für den an Epilepsie erkrankten Kläger finanziell nicht erreichbar ist.

Schlagwörter: Kosovo, Epilepsie, Krankheit, medizinische Versorgung, Schwerbehinderung, Abschiebungsverbot, Neufassung, Medikamente, Behandlungskosten, Kosten, Pflegebedürftigkeit, Medikamentenpreis,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Der Kläger hat einen Anspruch darauf, dass die Beklagte feststellt, dass zu seinen Gunsten ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.

Gemäß der Neufassung des § 60 Abs. 7 Sätze 2 bis 4 AufenthG durch das "Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren" vom 11. März 2016 (BGBl. I, S. 390), das am Tag nach seiner Verkündung in Kraft getreten ist, liegt eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Hiernach ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. [...]

Grundsätzlich kann Epilepsie im Kosovo medikamentös behandelt werden (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 9. Dezember 2015 (Stand: September 2015) und vom 25. November 2014 (Stand: September 2014); speziell hierzu: Auskünfte der Deutschen Botschaft Pristina an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 31. Juli 2011 - RK 516.80-E 89/11 -, vom 30. November 2011 - RK 516.80-E 110/11 - und vom 3. März 2016 - 508 RK 516.80 G-10/16 -). [...]

Gleichwohl besteht für den Kläger die Gefahr einer gravierenden Gesundheitsverschlechterung bis hin zu lebensgefährlichen Situationen, wenn er in den Kosovo zurückkehrt. Denn eine ordnungsgemäße und angesichts der Diagnosen unumgängliche fortdauernde Behandlung und ununterbrochene Medikamenteneinnahme ist für ihn bereits aus finanziellen Gründen nicht erreichbar. [...]

Insbesondere das nun verschriebene und für den gesundheitlichen Zustand ärztlich empfohlene Medikament Levetivacetam 1000 mg ist nach der Auskunftslage (vgl. Auskunft der Deutschen Botschaft Pristina an das Bundesamt vom 30. November 2011 - RK 516.80-E 110/11 -) zwar im Kosovo ohne Import-Lizenz ("schwarz") in Apotheken erhältlich, kostet aber in der vom Kläger benötigten Wirkstoffstärke á 1000 mg umgerechnet 220,- Euro pro Packung.

Angesichts der hohen Dosis nicht nur dieses Medikaments, sondern zudem auch der Medikamente Kava Beta 400 mg und Valproat 500 mg, die der Kläger täglich morgens und abends einnehmen muss, ist der finanzielle Kostenansatz für den Kläger selbst bei Unterstützung durch seine Eltern nicht aufzubringen. [...]

Ungeachtet der in der Bundesrepublik bestehenden Möglichkeit einer fortdauernden medikamentösen Behandlung ist zugleich auch bei einem Verbleib des Klägers im Bundesgebiet zu berücksichtigen, dass er aufgrund seines gesundheitlichen Zustands dauerhaft auf die Pflege durch andere Personen angewiesen sein wird. Diese Aufgabe wird momentan durch seine Eltern wahrgenommen, die hierbei durch einen Bruder unterstützt werden. [...]