§ 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG fordert ein Aufbringen des Beitrags zur Rentenversicherung durch den Ausländer. Beiträge, die bis zum Jahr 2010 während des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II von der Arbeitsverwaltung erbracht wurden, erfüllen diese Voraussetzung nicht.
(Amtlicher Leitsatz)
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Nach § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG ist eine Niederlassungserlaubnis nur zu erteilen, wenn der Ausländer 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet hat oder wenn er - was hier nicht geltend gemacht wird - Aufwendungen für einen Anspruch auf vergleichbare Leistungen einer Versicherungs- oder Versorgungeinrichtung oder eines Versicherungsunternehmens nachweist.
Für die streitgegenständliche Frage ist nicht die Ausgestaltung sozialversicherungsrechtlicher Vorschriften entscheidend, sondern die Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit den an sie anknüpfenden aufenthaltsrechtlichen Vorschriften verfolgt. Nach Wortlaut und Historie des § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG sind nur selbst geleistete Beiträge zur Rentenversicherung berücksichtigungsfähig.
Bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes ist erforderlich, dass "er (der Ausländer) mindestens 60 Monate Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge geleistet hat". Die Formulierung knüpft begrifflich an die Vorschriften über die Beitragszahlung in der gesetzlichen Rentenversicherung an (vgl. § 1 SGB VI zur Versicherungspflicht, § 168 SGB VI zur hieraus erwachsenden Beitragslast und § 174 SGB VI zur Beitragszahlung) und nicht an die Vorschriften über rentenrechtliche Zeiten (vgl. hierzu § 50 SGB VI, § 54 SGB VI). Die Voraussetzung einer eigenen Beitragsleistung wird durch staatliche Beitragszahlungen für Arbeitslosengeld-IIEmpfänger nicht erfüllt. Von Anfang des Jahres 2004 bis Ende des Jahres 2010 ist nach § 170 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI beim Bezug von Arbeitslosengeld II nicht der Ausländer, sondern der Bund zur Beitragstragung (SGB VI, Dritter Titel: Verteilung der Beitragslast) verpflichtet gewesen; die Beitragszahlung (SGB VI, Vierter Titel: Zahlung der Beiträge) hat nach § 173 Satz 2 SGB VI dementsprechend der Bundesagentur für Arbeit oder nach § 6a SGB II zugelassenen kommunalen Trägern oblegen. Die den Pflichtbeiträgen aufenthaltsrechtlich gleichwertigen freiwilligen Beiträge zur Rentenversicherung konnten und können nur vom Versicherten selbst geleistet werden (vgl. § 7 SGB VI zur freiwilligen Versicherung, § 171 SGB VI zur hieraus erwachsenden Beitragslast und § 173 SGB VI zur Verpflichtung zur Beitragszahlung).
Auch aus der Entstehungsgeschichte der Regelung ergibt sich das Erfordernis einer eigenen Beitragsleistung. Eine ausreichende Altersvorsorge ist schon unter Geltung des § 8 AuslG 1965 (AuslG vom 28.4.1965, BGBl. I S. 353) als Element des "Einfügens in das wirtschaftliche Leben der Bundesrepublik Deutschland" erforderlich gewesen; Näheres bestimmte die Vollzugspraxis der Länder. Durch § 27 Abs. 2 Nr. 3 AuslG 1990 (Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9.7.1990, BGBl. I S. 1354) ist die Anforderung an die Altersvorsorge so konkretisiert worden, wie sie im Wesentlichen heute noch gültig ist. Die Aufbringung der Beiträge durch den Ausländer selbst ist in beiden ausländerrechtlichen Gesetzgebungsphasen selbstverständlich gewesen, weil Regelungen über eine anderweitige Beitragstragung nicht existiert haben.
Durch Art. 6 Nr. 2b des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I, S. 2954 ff) ist die Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung für Empfänger von SGB-II-Leistungen eingeführt und mit Art. 19 Nr. 2b des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 vom 9. Dezember 2010 (BGBl I, S. 1885 ff) wieder abgeschafft worden. Gesetzgeberische Aktivitäten im Ausländerrecht sind weder bei der Einführung noch bei der Abschaffung der rentenversicherungsrechtlichen Regelungen zu verzeichnen. Die unveränderte Beibehaltung der ausländerrechtlichen Vorschriften lässt nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber die Beitragszahlungen durch die Arbeitsverwaltung als unbeachtlich im Rahmen der ausländerrechtlichen Anforderungen an die Altersvorsorge bewertet hat, weil solchen Beitragszahlungen keine Aussagekraft über das Einfügen des Ausländers in das wirtschaftliche Leben der Bundesrepublik Deutschland zukommt.
Demzufolge ist auch die Regelung des § 9 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (Zuwanderungsgesetz vom 30.7.2004, BGBl. I 2004, 1950) nicht anders zu verstehen. Nunmehr ist zwar auch eine Anrechnung von Ausfallzeiten für Kinderbetreuung oder häusliche Pflege sowie eine Sonderregelung für die Nichterfüllung der Beitragspflicht wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Krankheit oder Behinderung (§ Abs. 2 Satz 6 AufenthG) vorgesehen. Diese sozial motivierten Sonderregelungen belegen jedoch, dass Zeiten der Arbeitslosigkeit ohne eine der in der Vorschrift genannten Ursachen nicht angerechnet werden können. Indem der Gesetzgeber die Nichterfüllung der Beitragspflicht nur in Fällen begünstigt, in denen wegen Krankheit oder Behinderung eine Erwerbstätigkeit nicht möglich ist, bringt er denknotwendig zum Ausdruck, dass von der Arbeitsverwaltung getragene Rentenversicherungsbeiträge in Zeiten sonstiger Arbeitslosigkeit nicht angerechnet werden. [...]