VGH Baden-Württemberg

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Zitieren als:
VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.08.2015 - 11 S 1500/15 - asyl.net: M23216
https://www.asyl.net/rsdb/M23216
Leitsatz:

1. Es ist nicht ersichtlich, dass die Änderung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch das Gesetz zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.07.2015 (BGBl. I., S. 1386) zur Folge hätte, dass nunmehr ein Ausweisungsinteresse nur dann bejaht werden könnte, wenn im konkreten Fall eine Ausweisung rechtsfehlerfrei verfügt werden könnte.

2. Der Umstand, dass nach Art. 9 dieses Gesetzes die neuen §§ 53 ff. AufenthG erst zum 01.01.2016 in Kraft treten, steht der sofortigen Anwendung des neugefassten § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG nicht entgegen.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Ausweisung, Ausweisungsgrund, Ausweisungsinteresse, Berufungszulassungsantrag, Gesetzesänderung,
Normen: AufenthG § 5 Abs. 1 Nr. 2, AufenthG § 53, AufenthG § 54, AufenthG § 55,
Auszüge:

[...]

Aus den Ausführungen im Zulassungsantrag ergibt sich auch nicht hinreichend deutlich, dass dieses im Hinblick auf die Änderung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG durch Art. 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung vom 27.7.2015 (BGBl. I, S. 1386) nunmehr ernstlichen Zweifeln ausgesetzt sein könnte. Zwar wurde insoweit der Begriff des "Ausweisungsgrundes" durch den des "Ausweisungsinteresses" ersetzt. Es ist jedoch nicht - auch nicht aufgrund der Ausführungen im Zulassungsverfahren - ersichtlich, dass damit eine materielle Änderung verbunden sein sollte. Denn es entsprach bislang allgemeinem Konsens, dass die Bejahung eines Ausweisungsgrundes nicht voraussetzt, dass etwa auch im konkreten Fall eine Ausweisungsverfügung rechtmäßig und ermessensfehlerfrei hätte erlassen werden dürfen (vgl. GK-AufenthG § 5 Rn. 56 m.w.N.). Dass nunmehr etwa ein Ausweisungsinteresse nur dann bejaht werden dürfte, wenn auch eine Ausweisung im konkreten Fall zulässig wäre, ist nicht ausreichend dargetan und auch nicht ersichtlich. In der Begründung des Gesetzentwurfes heißt es nämlich lapidar, "es handelt sich um eine Folgeänderung zur Neuordnung des Ausweisungsrechts in den §§ 53 ff." (vgl. BT-Drucks. 18/4097, S. 35). Es liegt daher nahe, wie bisher von einem Ausweisungsinteresse dann auszugehen und dieses zu bejahen, wenn der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet (vgl. § 53 Abs. 1 AufenthG n.F.). Die Ausführungen im Zulassungsverfahren lassen keinen ausreichend tragfähigen Ansatz für eine andere Interpretation erkennen. Der aktuellen Anwendbarkeit der Vorschrift des neuen § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG steht auch nicht entgegen, dass gem. Art. 9 des Gesetzes vom 27.07.2015 die §§ 53 ff. erst zum 01.01.2016 in Kraft treten werden. Denn hieraus folgt nur, dass auf der Grundlage der neuen §§ 53 ff. vor dem 01.01.2016 noch keine Ausweisungsentscheidung ergehen darf (vgl. auch Zühlcke, in: HTK-AuslR, zu § 25 b Abs. 2 Ziff. 3). [...]