VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 12.05.2015 - 4 K 960/14 - asyl.net: M23079
https://www.asyl.net/rsdb/M23079
Leitsatz:

Anspruch auf Einbürgerungszusicherung wegen Ermessensreduzierung auf "Null" im Rahmen des Verkürzungsermessens nach § 10 Abs. 3 S. 1 StAG aufgrund weit überdurchschnittlicher Integrationsleistungen.

Schlagwörter: Einbürgerung, Mindestaufenthaltszeit, Einbürgerungszusicherung, Integrationskurs, Deutschkenntnisse, Sprachkenntnisse, Ermessensreduzierung auf Null, Sozialverhalten, Ehrenamt, politisches Engagement, Integrationsleistungen, besondere Integrationsleistungen, Verkürzungsermessen, Verkürzung der Frist, Fristverkürzung,
Normen: StAG § 10 Abs. 1, StAG § 10 Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Die Ordnungsverfügung der Beklagten vom 14. Mai 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Kläger steht in dem für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ein Anspruch auf Erteilung einer Einbürgerungszusicherung gemäß § 10 Abs. 1 und 3 StAG zu (vgl. § 113 Abs. 5 S. 1 und 2 VwGO).

Nach § 10 Abs. 1 StAG ist ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach Maßgabe des § 80 AufenthG oder gesetzlich vertreten ist, auf Antrag einzubürgern, wenn er die den Nrn. 1 bis 7 genannten Voraussetzungen erfüllt und die Einbürgerung nicht nach § 11 StAG ausgeschlossen ist.

Der Kläger erfüllt mit Ausnahme des Erfordernisses eines achtjährigen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet sämtliche Einbürgerungsvoraussetzungen. Er hat ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abgelegt (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 1 StAG), er ist im Besitz einer Niederlassungserlaubnis und damit eines unbefristeten Aufenthaltsrechts (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 StAG), er bestreitet aus seiner Erwerbstätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der ... seinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder XII (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG), er ist ausweislich der Bundeszentralregisterauskunft vom 26. Februar 2015 weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch ist gegen ihn aufgrund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 5 StAG), er verfügt mit dem "Kleinen Deutschen Sprachdiplom" vom 21. August 2007, das dem heutigen Großen Deutschen Sprachdiplom des Niveau C2 des GERR entspricht (vgl. § 8 Abs. 2 Buchst. b der Rahmenordnung über Deutsche Sprachprüfungen für das Studium an deutschen Hochschulen - RO-DT - Beschluss der HRK vom 8. Juni 2004 und der KMK vom 22. Juni 2004 i.d.F. HRK vom 3. Mai 2011 und der KMK vom 17. November 2011), über – mehr als – ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 4 S.1 StAG) und er verfügt mit der erfolgreichen Ablegung eines Einbürgerungstests über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 5 S. 1 StAG). Anhaltspunkte für Ausschlussgründe im Sinne des § 11 StAG sind weder vorgetragen noch sonst nicht ersichtlich.

Soweit der Kläger zum maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt allein die erforderliche Mindestaufenthaltszeit von acht Jahren nicht erfüllt, ist von dieser Voraussetzung gemäß § 10 Abs. 3 StAG abzusehen.

Dabei kann die Kammer offen lassen, ob dem Kläger bereits die Privilegierung des § 10 Abs. 3 S. 1 StAG zugutekommt, wonach die Frist des § 10 Abs. 1 StAG – obligatorisch – auf sieben Jahre verkürzt wird, wenn ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nachweist.

Zwar hat der Kläger mit der Vorlage der Bescheinigung des Bundesamtes "Zertifikat Integrationskurs" vom 10. September 2014 – förmlich – den Nachweis über die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs erbracht (vgl. § 43 Abs. 4 AufenthG i.V.m. § 17 Abs. 4 IntV). Jedoch hat er, wie sich aus dem Ablehnungsbescheid des Bundesamtes vom 28. Januar 2014 und dem Schreiben des Bundesamtes vom 24. Februar 2015 ergibt, tatsächlich nicht an einem Integrationskurs teilgenommen, der grundsätzlich einen Sprachkurse von 600 Unterrichtsstunden sowie einen Orientierungskurs von 60 Unterrichtsstunden umfasst (vgl. § 43 Abs. 2 bis 4 AufenthG i.V.m. §§ 10 ff. IntV), sondern lediglich als externer Selbstzahler erfolgreich am Abschlusstest "Leben in Deutschland" nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 IntV teilgenommen und im Übrigen die nach § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 IntV erforderlichen Sprachkenntnisse anderweitig ("Kleines Deutsches Sprachdiplom") nachgewiesen.

Insoweit ist fraglich, ob für ein Eingreifen der Privilegierung des § 10 Abs. 3 S. 1 StAG allein der formale – ggf. zu Unrecht ausgestellte – Nachweis der erfolgreichen Teilnahme an einem Integrationskurs durch das Bundesamt ausreicht, worauf der Wortlaut der Vorschrift hindeuten könnte, oder ob der Einbürgerungsbewerber tatsächlich auch – erfolgreich – an einem Integrationskurs teilgenommen haben muss. Für Letzteres Verständnis dürfte allerdings sowohl die Entstehungsgeschichte der Vorschrift als auch ihr Sinn und Zweck sprechen. Denn nach der Gesetzesbegründung soll die in § 10 Abs. 3 (S. 1) StAG für den Fall der erfolgreichen Teilnahme an einem Integrationskurs vorgesehene Verkürzung der Zeit des für das Entstehen eines Einbürgerungsanspruchs geforderten Mindestaufenthalts von acht auf sieben Jahre einen statusrechtlichen Anreiz für entsprechende Integrationsbemühungen bieten (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 116). Diese Erwägung des Gesetzgebers weist darauf hin, dass nur derjenige Ausländer begünstigt sein soll, der auch tatsächlich einen Integrationskurs besucht und – erfolgreich – abgeschlossen und damit die besondere Integrationsleistung des 660 Unterrichtsstunden umfassenden Integrationskurses erbracht hat (vgl. in diesem Sinne auch der – die Verwaltungsgerichte bei der Auslegung des Rechtsbegriffs "Bescheinigung über die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs" als bloße interne Verwaltungsvorschrift allerdings nicht bindende – Erlass des Ministeriums für Inneres und Kommunales des Landes NRW vom 14. August 2013 – 14-40.02.01-6.1 (Tgb Nr. 24/13) – unter Bezugnahme auf den Erlass des Bundesministeriums des Innern vom 31. Juli 2013 – VIII 5- 21008/1#3 –, wonach die Privilegierung (Fristverkürzung) nach § 10 Abs. 3 S. 1 StAG auf den Personenkreis beschränkt wird, der an dem Integrationskurs teilgenommen hat, und für Ausländer, die – wie der Kläger – lediglich extern am Test "Leben in Deutschland" teilgenommen haben, nicht eingreift und wonach Letzteren nur eine Bescheinigung über die Teilnahme am Test "Leben in Deutschland" ohne den Zusatz "im Rahmen eines Integrationskurses", nicht aber das Zertifikat Integrationskurs erteilt werden darf (vgl. C.3. des Erlasses)).

Dies kann im Ergebnis jedoch dahingestellt bleiben, weil der Kläger jedenfalls einen Anspruch auf Verkürzung der erforderlichen Aufenthaltszeit gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 StAG hat und die danach von acht auf sechs Jahre verkürzte Aufenthaltszeit im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bereits erreicht ist.

Nach dieser Vorschrift kann die Frist nach § 10 Abs. 1 StAG bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 übersteigen, auf sechs Jahre verkürzt werden. Die Vorschrift stellt die Verkürzung der Aufenthaltszeit damit – anders als § 10 Abs. 3 S. 1 StAG – in das pflichtgemäße (vgl. § 40 VwVfG NRW) Ermessen der Einbürgerungsbehörde.

Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen der Vorschrift. § 10 Abs. 3 S. 2 StAG verlangt für eine fakultative Verkürzung der Mindestaufenthaltszeit von acht auf sechs Jahre das Vorliegen besonderer – und nicht wie die Beklagte in der angefochtenen Ordnungsverfügung etwa meint außergewöhnlicher – Integrationsleistungen. Bei dieser Tatbestandsvoraussetzung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterliegt, ohne dass der Einbürgerungsbehörde dabei ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist. Besondere Integrationsleistungen sind alle einer Integration förderlichen Handlungen eines Ausländers, die qualitativ oder quantitativ über die in § 10 Abs. 1 StAG normierten Mindestanforderungen für einen Einbürgerungsanspruch hinausgehen und so vom Üblichen abweichen (vgl. Berlit, in: Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht (GK-StAR), Band 1, Stand: Dezember 2014, § 10 StAG, Rn. 397 f.; Geyer, in: Handkommentar Ausländerrecht (HK-AuslR), Hofmann/Hoffmann, 1. Aufl., § 10 StAG, Rn. 31).

Hierzu zählen nach dem in der Vorschrift ausdrücklich genannten Beispiel u.a. (vgl. "insbesondere") Sprachkenntnisse, die die Voraussetzungen der ausreichenden Sprachkenntnisse nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 i.V.m. Abs. 4 S. 1 StAG ("Zertifikat Deutsch" – B1 GERR) übersteigen und damit mindestens auf dem Niveau B2 des GERR in mündlicher und schriftlicher Form liegen müssen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2012 - 19 E 1259/11 -, juris, Rn. 5; Berlit, in: GK-StAR, a.a.O., § 10 StAG Rn. 398).

Die ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehene Anforderung, dass die Überschreitung "deutlich" sein muss (vgl. BT-Drs. 16/5107, S. 5), hat keinen Eingang in das Gesetz gefunden.

Vorliegend hat der Kläger mit dem "Kleinen Deutschen Sprachdiplom", das – wie dargelegt – dem heutigen "Großen Deutschen Sprachdiplom" und damit der höchsten Stufe (C2) der sechsstufigen Kompetenzskala des GERR entspricht, besondere Integrationsleistungen im Sinne der Vorschrift nachgewiesen. Darüber hinausgehende Integrationsleistungen sind für die Eröffnung des Verkürzungsermessens nicht erforderlich. Denn die Hervorhebung über das Niveau nach § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 StAG hinausreichender Sprachkenntnisse als Beispiel besonderer Integrationsleistungen zeigt, dass nach der Gesetzeskonzeption "überobligatorische" Leistungen bereits bei nur einer – wenn auch nach dem Ansatz des Staatsangehörigkeitsgesetzes zentralen – Integrationsdimension tatbestandlich für eine Verkürzung der erforderlichen Aufenthaltszeit ausreichen sollen (vgl. Berlit, in: GK-StAR, a.a.O., § 10 StAG Rn. 398).

Das damit der Einbürgerungsbehörde eröffnete Ermessen zur Verkürzung der erforderlichen Aufenthaltszeit ist nach den besonderen Umständen des vorliegenden Falls derart verdichtet, dass sich allein die Verkürzung der Aufenthaltsdauer von acht auf sechs Jahre als rechtmäßig darstellt (sog. Ermessensreduktion auf "Null") und damit auch ein entsprechender Anspruch des Klägers besteht.

Die Einbürgerungsbehörde hat sich bei der Ausübung des Verkürzungsermessens nach § 10 Abs. 3 S. 2 StAG insbesondere an dem Zweck dieser Vorschrift zu orientieren, nämlich einen positiven einbürgerungsrechtlichen Anreiz für Integrationsbemühungen zu setzen (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 30. November 2012 - 19 E 1259/11 -, juris, Rn. 10; Berlit, in: GK-StAR, a.a.O., § 10 StAG Rn. 389).

Solche Integrationsbemühungen können in einem überobligatorischen Spracherwerb, in überdurchschnittlichen Leistungen in Schule, Ausbildung oder Beruf, einem verantwortungsbewussten Sozialverhalten oder auch in einem längeren ehrenamtlichen, sozialen, politischen, gewerkschaftlichen oder kulturellen Engagement in einer Organisation oder einem Verein liegen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. November 2012 - 19 E 1259/11 -, juris, Rn. 11; Berlit, in: GK-StAR, a.a.O., § 10 StAG Rn. 401).

Erforderlich ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls, d.h. aller vom Ausländer während seiner Aufenthaltszeit im Bundesgebiet erbrachten Integrationsleistungen, bei der ggf. auch mehrere – für sich genommen nicht überobligatorische – Leistungen zusammen erst eine privilegierte Einbürgerung rechtfertigen können (vgl. Nr. 10.3.1 der vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern vom 17. April 2009).

Davon ausgehend ist das Verkürzungsermessen unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls, des Zwecks der Vorschrift sowie der Wertung des Gesetzgebers in § 10 Abs. 3 S. 1 StAG ausnahmsweise auf "Null" reduziert.

Der Kläger hat – wie dargelegt – weit überdurchschnittliche Integrationsleistungen in sprachlicher Hinsicht erbracht. Er erfüllt mit dem Erwerb des "Kleinen Deutschen Sprachdiploms" noch vor seiner Einreise nach Deutschland zu Studienzwecken sowohl in mündlicher als auch in schriftlicher Form das höchste Sprachniveau (C2) des GERR und damit die nach der Grundannahme des Gesetzgebers wie auch nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zentrale Voraussetzung einer gelungenen Integration (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. Mai 2010 - 5 Die 8/09 -, NVwZ 2010, 1502 = juris, Rn. 37; OVG NRW, Beschluss vom 12. April 2011 - 19 B 322/10 -, juris, Rn 13).

Diese beachtliche Integrationsleistung wird – entgegen der Annahme der Beklagten – auch nicht dadurch geschmälert, dass der Kläger in der Sprachprüfung "lediglich" die Gesamtnote "befriedigend“ erzielt hat. Denn abgesehen davon, dass er im mündlichen Teil der Prüfung die Note "gut" erhalten hat, handelt es sich – wie dargelegt – gerade um das höchste Sprachniveau des GERR, das sogar das Niveau übersteigt, welches der Gesetzgeber für ein Beherrschen der deutschen Sprache zu Grunde legt, nämlich das Niveau C1 des GERR (vgl. § 2 Abs. 12 AufenthG).

Darüber hinaus hat der Kläger auch überdurchschnittliche Kenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung nachgewiesen, wie der von ihm erfolgreich – mit dem bestmöglichen Ergebnis (33 von 33 Punkten) – bestandene Test "Leben in Deutschland" belegt, mit dem ansonsten der Orientierungskurs eines Integrationskurses nach §§ 43 ff. AufenthG abgeschlossen wird und an dem der Kläger als externer Selbstzahler freiwillig teilgenommen hat.

Ferner hat der Kläger beachtliche Integrationsleistungen in Bezug auf Ausbildung und Beruf und damit in wirtschaftlicher Hinsicht im Bundesgebiet vorzuweisen. Denn nach Absolvieren des internationalen Master-Studiengangs "COMMAS" in T. innerhalb der Regelstudienzeit und gleichzeitiger Ableistung eines überobligatorischen Industriepraktikums bei der Firma C. hat er umgehend, innerhalb knapp eines Monats nach erfolgreichem Studienabschluss eine für seine persönliche Lebenssituation mehr als auskömmliche Erwerbstätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei der ... aufgenommen und parallel dazu die Anfertigung einer Dissertation begonnen. Sein Arbeitgeber bescheinigt ihm in Bezug auf seine Tätigkeit zudem stets positives und verantwortungsbewusstes Arbeits- und Sozialverhalten. Durch diesen – entgegen der Auffassung der Beklagten ganz und gar nicht selbstverständlichen – beruflichen Werdegang wird insgesamt eine mühelose und gelungene Eingliederung in das Arbeitsleben in Deutschland dokumentiert. Nach Erreichen der erforderlichen Mindestaufenthaltszeit von fünf Jahren wurde dem Kläger entsprechend seiner bis dahin erbrachten Integrationsleistungen im November 2012 auch umgehend eine Niederlassungserlaubnis erteilt.

Schließlich hat der Kläger während seines bisherigen Aufenthalts in Deutschland auch nicht unerhebliches politisches Engagement an den Tag gelegt: So hat er sich nachgewiesenermaßen bereits während seiner Studienzeit von Februar bis Juni 2009 im Informationszentrum des Turmforums Bahnprojekt ... im Rahmen des Projekts T. 21 betätigt, wo er als studentische Hilfskraft in den Bereichen Infothek- und Ausstellungsbetreuung eingesetzt war. Darüber hinaus war er nach seinem Studium in der Zeit vom 1. November 2010 bis zum 31. März 2013 und damit mehr als zweieinhalb Jahre Mitglied in einer politischen Partei, der SPD .... Ein solches Engagement kann – entgegen der Ansicht der Beklagten – keinesfalls als nur "kurzweilig" bezeichnet werden.

Vor dem Hintergrund der vorbeschriebenen Integrationsleistungen, die sowohl für sich genommen als auch im Rahmen einer Gesamtschau gemessen an den Anforderungen des § 10 Abs. 1 StAG als überobligatorisch zu bewerten sind, sowie insbesondere auch unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 10 Abs. 3 S. 2 StAG ist nicht ersichtlich, welche sachlichen Gründe bei einer willkürfreien Entscheidung gegen eine mögliche Verkürzung der regulären Aufenthaltszeit sprechen sollten. Integrationspolitisches Ziel der zeitlichen Privilegierung ist es gerade nicht, erst eine schon vollständig vollzogene Integration des Ausländers in die hiesigen Lebensverhältnisse zu prämieren, sondern vielmehr bereits über die Mindestanforderungen des § 10 Abs. 1 StAG hinausgehende und damit überobligatorische Integrationsbemühungen anzuerkennen und diesen durch eine zeitlich vorgezogene Einbürgerung Rechnung zu tragen.

Diese Einschätzung wird im Übrigen bestätigt durch die Wertung des Gesetzgebers, wie sie in § 10 Abs. 3 S. 1 StAG zum Ausdruck kommt. Führt danach – wie dargelegt – die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs obligatorisch zu einer Verkürzung der Aufenthaltszeit auf sieben Jahre, ist nicht nachvollziehbar und integrationspolitisch kaum zu rechtfertigen, wenn ein Ausländer, der die materiellen Anforderungen an eine erfolgreiche Teilnahme am Integrationskurs schon ohne Teilnahme an einem solchen Kurs erfüllt und mangels Integrationsbedarfs auch gar keinen Anspruch auf eine Kursteilnahme hat (vgl. § 44 Abs. 3 Nr. 2 und Nr. 3 AufenthG), nicht in den Genuss dieser Privilegierung kommt, weil § 10 Abs. 3 S. 1 StAG die obligatorische Verkürzung der Aufenthaltszeit allein an die Teilnahme am Integrationskurs knüpft. Genau eine solche Situation ist aber im Fall des Klägers gegeben. Seine Sprachkompetenzen und seine Kenntnissen der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung erfüllen nicht nur die Anforderungen an eine erfolgreiche Teilnahme am Integrationskurs, wie sie in § 17 Abs. 2 IntV festgelegt sind – Nachweis des Sprachniveaus B1 des GERR im Sprachtest "Deutsch-Test für Zuwanderer" sowie Erreichen der für das Bestehen des Orientierungskurses notwendigen Punktzahl im Test "Leben Deutschland" (15 von 33, vgl. § 8 Abs. 2 IntTestV) –, sondern gehen sogar deutlich über diese hinaus. Dementsprechend hat das Bundesamt die Zulassung des Klägers zur Teilnahme an einem Integrationskurs auch mit Bescheid vom 28. Januar 2014 abgelehnt. Unter diesen Umständen ist es jedoch zur Vermeidung eines Wertungswiderspruchs mit der in § 10 Abs. 3 S. 1 StAG enthaltenen Wertung des Gesetzgebers geboten, die Integrationsleistungen des Klägers, die die von dieser Vorschrift für eine obligatorische Verkürzung als ausreichend angesehene Integrationsleistungen deutlich übersteigen, zumindest im Rahmen der fakultativen Verkürzung der Aufenthaltszeit gemäß § 10 Abs. 3 S. 2 StAG im Sinne einer Ermessensreduzierung auf "Null" zum Tragen kommen zu lassen (vgl. in diesem Sinne auch: Geyer, in HK-AuslR, a.a.O., § 10 StAG, Rn. 30, der in diesen Fällen allerdings auf eine Einbürgerung nach § 8 StAG verweist und dabei eine Ermessensreduzierung auf "Null" annimmt; ähnlich Berlit, in: GK-StAR, a.a.O., § 10 StAG, Rn. 396). [...]