OVG Sachsen-Anhalt

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Zitieren als:
OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 08.06.2015 - 4 L 65/15 - asyl.net: M23044
https://www.asyl.net/rsdb/M23044
Leitsatz:

Eine auf § 27a AsylVfG gestützte Regelung zur Zulässigkeit eines Asylantrags kann nicht auf Grundlage des § 71a Abs. 1 AsylVfG aufrecht erhalten werden, weil dies zu einer Wesensveränderung dieser Regelung führt.

Schlagwörter: Umdeutung, Zulässigkeit, Zweitantrag, Dublinverfahren, Wesensveränderung, Rechtsgrundlage,
Normen: AsylVfG § 71a, AsylVfG § 27a, AsylVfG § 32, AsylVfG § 33 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Die Beklagte wirft als zu klärende Frage lediglich auf, ob in den Fällen, in denen das im Bundesgebiet gestellte Asylbegehren einen Zweitantrag i.S.d. § 71a AsylVfG darstellt, eine (nur) unter Bezug auf § 27a AsylVfG verweisende Asylantragsablehnung als unzulässig (Ziffer 1 der Beklagtenentscheidung) schon aus Rechtsgründen nicht als rechtmäßige Ablehnung dieses Zweitantrages nach § 71a AsyIVfG aufrechterhalten werden kann". Soweit sie diese Frage ausdrücklich als "weitere Rechtsfrage" bezeichnet, ergibt sich aus ihren übrigen Ausführungen nicht, dass sie noch eine andere konkrete Tatsachen- oder Rechtsfrage formuliert hat.

Eine Aufrechterhaltung der Regelung auf einer anderen Rechtsgrundlage kommt von vornherein nicht in Betracht, so dass die Durchführung eines Berufungsverfahrens nicht notwendig ist. Eine auf § 27a AsylVfG gestützte Regelung zur Zulässigkeit eines Asylantrages kann nicht auf Grundlage des § 71a Abs. 1 AsylVfG aufrecht erhalten werden, weil dies zu einer Wesensveränderung dieser Regelung führte (so auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29: April 2015 - A 11 S 121/15 -; VG Minden, Urt. v. 19. März 2015 - 10 K 311/14.A -, jeweils zit. nach JURIS). Denn mit ihr wird die Entscheidung auf die der eigentlichen Sachentscheidung vorgelagerte Prüfung der Zuständigkeit der Beklagten beschränkt, und die Beklagte tritt gerade nicht in die sachliche Prüfung des Asylbegehrens ein.

Auch die Frage einer Umdeutung bedarf - wie der beschließende Senat schon mit Beschluss vom 2. März 2015 (- 4 L 3/15 -) entschieden hat -, keiner Klärung in einem Berufungsverfahren, da sie ohne weiteres aus dem Gesetz, hier nach § 47 VwVfG, beantwortet werden kann. Der VGH Bayern hat dazu in seinem Beschluss vom 23. Januar 2015 (- 13a ZB 14.50071 -, zit. nach JURIS) folgende Ausführungen getroffen: "Danach kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind. Eine Umdeutung ist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG nicht zulässig, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsakts. Hier sind die beiden möglichen Verwaltungsakte, die Feststellung der Unzulässigkeit des Asylantrags einerseits und die inhaltliche Ablehnung eines Zweitantrags nach § 71a AsylVfG, schon nicht auf das gleiche Ziel gerichtet. Ersteres dient allein der Feststellung, dass nicht die Bundesrepublik, sondern ein anderer Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Das Asylbegehren steht hierbei nicht inmitten. Die zweite Variante hingegen hat die materielle Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zum Ziel. Auch würde die Umdeutung der im Bescheid explizit genannten Absicht, den Asylantrag in der Bundesrepublik nicht materiell zu prüfen, widersprechen. Dadurch unterscheidet sich vorliegende Konstellation auch von derjenigen, die der von der Beklagten genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 24.11.1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 = NVwZ 1999, 302) zugrunde liegt. Dort hat das Bundesamt den Asylantrag materiell geprüft und eine Asylanerkennung zurückgenommen. In einem solchen Fall, der schon den Anerkennungsanspruch des Klägers zum Gegenstand hat, hat das Gericht der Entscheidung zufolge zu prüfen, ob sich der Aufhebungsbescheid als Widerruf der Asylanerkennung aufrechterhalten lässt. Eine solche Fallgestaltung liegt hier aber nicht vor."

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an (so auch VG Minden, Urt. v. 19. März 2015 a.a.O., m.w.N.; vgl. weiter VGH Bayern, Beschl. v. 18. Mai 2015 - 11 ZB 14.50053 -; VGH Baden-Württemberg, a.a.O., jeweils zit. nach JURIS; offen gelassen von OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 18. Mai 2015 - 11 A 2839/14.A).

Die Einwendungen der Beklagten sind nicht durchgreifend.

Unabhängig davon, dass die von der Beklagten angeführte Entscheidung des OVG Rheinland-Pfalz vom 16. Juli 2014 (- 10 A 10692/13.OVG -) weder veröffentlicht noch von der Beklagten übersandt worden ist, lässt sich die darin nach Mitteilung der Beklagten angesprochene "Aufrechterhaltung bzw. Umdeutung der mit Verweis auf § 26a AsylVfG erfolgten Ablehnung im Kontext zu § 71a AsylVfG" nicht als Beleg für die Rechtsauffassung der Beklagten heranziehen. Die jeweiligen Rechtsgrundlagen sind zu verschieden.

Auch aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Februar 2015 (- 1 B 2.15 - zit. nach JURIS) ergibt sich nichts anderes. Er betrifft die nicht vergleichbare Fallkonstellation einer auf die §§ 32 und 33 Abs. 1 AsylVfG gestützten Verfahrenseinstellung (so auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 29. April 2015, a.a.O.).

Die weiteren Ausführungen der Beklagten setzen sich weder mit der Problematik der Wesensveränderung der streitigen Regelung noch mit den Vorgaben des § 47 VwVfG auseinander. [...]