LSG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.05.2015 - L 20 SO 355/13 - asyl.net: M23023
https://www.asyl.net/rsdb/M23023
Leitsatz:

1. Seit dem 01.01.2011 können Kosten für die Beschaffung eines ausländischen Passes nicht mehr nach § 73 SGB XII übernommen werden. Denn werden seither Kosten für einen Personalausweis im Regelsatz berücksichtigt, ist der Bedarf seiner Art nach vom Regelbedarf umfasst; dies reicht für eine Nichtanwendbarkeit des § 73 SGB XII aus, auch wenn die Kosten für einen Auslandspass höher liegen als die für einen Personalausweis.

2. Möglich ist bei Kosten für einen Auslandspass, welche die Kosten für einen Personalausweis übersteigen, nur ein Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII. Eine abweichende Bedarfsbemessung nach § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII findet nicht statt.

(Amtlicher Leitsatz)

Schlagwörter: individueller Bedarf, Passbeschaffung, Passbeschaffungskosten, Regelbedarf, Asylbewerberleistungsgesetz, SGB II, SGB XII, Bezugsdauer, Sozialleistungen, Passpflicht, Pass,
Normen: SGB XII § 73, SGB XII § 37 Abs. 1, SGB XII § 27a Abs. 4 S. 1, SGB II § 21 Abs. 6,
Auszüge:

[...]

1. Gegenstand des Verfahrens ist (abweichend von der Rechtsauffassung des Sozialgerichts) allein der Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2013 (§ 95 SGG). Die Bescheide vom 28.02.2013 und 16.04.2013 (Übernahme der Passbeschaffungskosten als Darlehen) sind - unbeschadet dessen, dass sie sich zwischenzeitlich durch Rückzahlung des Darlehens ohnehin erledigt haben (§ 39 Abs. 2 SGB X) - auch nicht nach § 86 SGG Gegenstand des Verfahrens gewesen. Denn eine Leistungsgewährung durch Darlehen (§ 37 Abs. 1 SGB XII) stellt im Vergleich zur Leistung als Zuschuss (nach dem SGB XII) kein "Minus", sondern ein "aliud" dar (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2013 - B 8 SO 4/12 R Rn. 11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.06.2011 - L 2 SO 5226/10 Rn. 29 unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 31.03.1992 - 9b RAr 17/90; BSG, Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 5/09 Rn. 10). Durch die Bescheide vom 28.02.2013 und 16.04.2013 wurde der Bescheid vom 21.02.2013, mit dem allein die Übernahme der Passbeschaffungskosten als Zuschuss abgelehnt wurde, mithin weder abgeändert noch (teilweise) ersetzt. Ob etwas anderes gelten könnte, wenn die Beklagte die Darlehensgewährung nicht auf § 37 Abs. 1 SGB XII, sondern auf § 73 (S. 2) SGB XII gestützt hätte, kann der Senat offen lassen.

Ob unter dem Gesichtspunkt der Meistbegünstigung (vgl. dazu etwa BSG, Urteil vom 25.09.2014 - B 8 SO 7/13 R Rn. 20 m.w.N.) das Begehren des Klägers auch so verstanden werden muss, dass es auf die Erhöhung der Regelbedarfsleistung nach § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII (und damit im Sinne von § 44 SGB X auf eine Überprüfung der Leistungsbescheide vom 31.11.2012 und 19.12.2012) gerichtet ist, bedarf ebenfalls keiner Klärung; denn dem Kläger steht kein Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen auf der Grundlage dieser Vorschrift zu (dazu später).

2. Die auf (erneute, nunmehr zuschussweise) Auszahlung des Betrages von 182,20 EUR gerichtete und damit als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 S. 1, Abs. 4, 56 SGG) statthafte (vgl. BSG, Urteil vom 28.02.2013 - B 8 SO 4/12 R Rn. 9) und auch im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid vom 21.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.04.2013 ist rechtmäßig und der Kläger daher nicht beschwert im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG.

a) Die Beklagte hat die angefochtenen Entscheidungen im Rahmen ihrer sachlichen (§ 97 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 3 Abs. 1 AG-SGB XII und § 1 der Satzung über die Durchführung der Aufgaben nach dem SGB XII in der StädteRegion B) und örtlichen (§ 98 Abs. 1 S. 1 SGB XII) Zuständigkeit getroffen. Die gemäß § 116 Abs. 2 SGB XII erforderliche Beteiligung sozial erfahrener Dritter vor Erteilung des Widerspruchsbescheides hat stattgefunden.

b) Auch materiell-rechtlich ist die Entscheidung der Beklagten nicht zu beanstanden. Denn das SGB XII (als das für den Kläger in Ansehung seines Alters und seines Aufenthaltsstatus einschlägige Regime der Existenzsicherung) enthält keine Anspruchsgrundlage für eine zuschussweise Übernahme seiner Passbeschaffungskosten.

aa) Ein solcher Anspruch folgt nicht aus § 73 (S. 1) SGB XII.

Die Vorschrift verlangt eine sonstige Lebenslage, die den Einsatz öffentlicher Mittel rechtfertigt. Dies ist der Fall bei einer sog. unbenannten Bedarfslage, welche eine gewisse Vergleichbarkeit mit den ansonsten von der Sozial - hilfe abgedeckten Lebenslagen aufweist (atypische Bedarfslage). Eine unbenannte Bedarfslage liegt vor, wenn der Lebenssachverhalt weder einer der anderen in § 8 SGB XII genannten Hilfearten unterfällt, noch in den sonstigen Bereichen des (Sozial-)Rechts eine abschließende Regelung erfährt (vgl. zum Ganzen Urteil des Senats vom 23.05.2011 - L 20 AY 19/08 Rn. 31 ff. m.w.N.; Schlette in Hauck/Noftz, SGB XII, 24. Erg.-Lfg. VIII/11, K § 73 Rn. 5; ähnlich Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 73 Rn. 21; Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 73 Rn. 4; H. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 73 Rn. 5).

Die Notwendigkeit der Beschaffung eines neuen türkischen Passes des Klägers stellte keine solche unbenannte Bedarfslage dar. Denn sie ist bereits von den in § 8 Nr. 1 bzw. Nr. 2 SGB XII genannten Leistungen nach dem Dritten bzw. Vierten Kapitel des SGB XII erfasst.

Der Kläger stand 2013 bereits im Leistungsbezug bei der Beklagten, die ihm laufend Grundsicherung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII und damit - entsprechend der Anlage zu § 28 SGB XII - Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 2 gewährte (vgl. § 42 Nr. 1 SGB XII). In diesen Leistungen sind seit dem 01.01.2011 Aufwendungen für die Beschaffung bzw. Ausstellung eines deutschen Personalausweises berücksichtigt (vgl. § 5 Abs. 1 RBEG und Abteilung 12 Nr. 82 EVS-Code 1270 900, BT-Drs. 17/3404 S. 63).

Mit diesen Ausweiskosten fließt ein Bedarf in den Regelsatz ein, wie er "seiner Art nach" auch vom Kläger für seinen türkischen Pass zu decken war. Er war auf die Erneuerung seines türkischen Passes angewiesen, um seiner sich aus den §§ 3, 48 AufenthG ergebenden Passpflicht zu genügen. Für deutsche Staatsangehörige bestimmt § 1 Abs. 1 des Gesetzes über Personalausweise und den elektronischen Identitätsnachweis (PAuswG) eine Pflicht zum Besitz eines Personalausweises. Die Gleichartigkeit dieser Ausweispflichten für Inländer und Ausländer ergibt sich aus der beiden Personengruppen gleichermaßen auferlegten Pflicht zum Besitz eines Ausweispapiers (§ 1 Abs. 1 S. 1 PAuswG, § 3 Abs. 1 AufenthG) sowie dazu, diesen Ausweis auf Verlangen vorzulegen (§ 1 Abs. 1 S. 2 PAuswG, § 48 Abs. 1 AufenthG). Ein Verstoß gegen diese Verpflichtung ist für Inländer wie Ausländer gleichermaßen bußgeldbewehrt (vgl. § 32 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 3 PAuswG; § 98 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 5 AufenthG).

Allein der Umstand, dass die Passbeschaffungskosten für den Kläger (bzw. für Ausländer wohl regelmäßig) höher sind als die Kosten für einen deutschen Personalausweises, führt nach Ansicht des Senats nicht etwa dazu, dass es sich bei den Kosten für einen Auslandspass um etwas wesentlich, "der Art nach" anderes handelt als bei den Kosten für einen Personalausweis, und dass der Anwendungsbereich von § 73 SGB XII eröffnet wäre. Ein vom Kläger gesehener Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt bei dieser Lesart der Vorschrift nicht vor. Entsprechen sich für In- und Ausländer die gesetzliche Ausweis- bzw. Passflicht und verfolgen sie dementsprechend kongruente Zwecke, und ist der damit einhergehende Beschaffungsbedarf für Ausweispapiere im Regelsatz seiner Art nach berücksichtigt, so ist die Anwendung von 73 SGB XII von vornherein verschlossen.

Der Senat setzt sich insoweit nicht etwa in Widerspruch zu seinem Urteil vom 23.05.2011 - L 20 AY 19/08 (Rn. 34 bis 36), auf das sich der Kläger jedoch stützt. Denn diese Entscheidung erging noch zur früheren, bis zum 31.12.2010 geltenden Rechtslage. Seinerzeit waren Gebühren für die Beschaffung eines Ausweispapiers noch nicht in die Bemessung des Regelsatzes eingeflossen. Hierauf hat der erkennende Senat bereits in seiner damaligen Entscheidung (a.a.O. Rn. 35) hingewiesen.

Soweit der Gesetzgeber im Leistungsregime des AsylbLG zwischen der (Personal-) Ausweispflicht für Inländer und der Passpflicht für Berechtigte nach dem AsylbLG differenziert, indem er die Kosten für einen Personalausweis für das ab dem 01.03.2015 geänderte AsylbLG aus der Kalkulation der dortigen Leistungen mit der Begründung herausgenommen hat (vgl. BT-Drs. 18/2592 S. 22 unten, ferner Schwabe, ZfF 2015 S. 49 ff. [59]), dass die Aufwendungen für die Beschaffung von Auslandspässen im Einzelfall nach § 6 AsylbLG zu übernehmen seien, führt auch dies zu keiner anderen Beurteilung. Vielmehr lässt sich der Berücksichtigung von Ausweiskosten bei der Bemessung des Regelsatzes bzw. der Regelleistung (im SGB XII und SGB II) entnehmen, dass er eine individualisierte Berücksichtigung solcher Kosten im Einzelfall im Bereich des SGB XII (und des SGB II) gerade nicht wollte. Soweit nach Maßgabe des AsylbLG keine Grundleistungen nach §§ 3 ff. des Gesetzes mehr bezogen werden, sondern Leistungen entsprechend dem SGB XII nach § 2 AsylbLG, gelten im Übrigen im Bereich des AsylbLG ohnehin keine anderen Maßstäbe als im SGB XII.

Für die Lesart des Senats sprechen im Übrigen auch systematische Gründe. § 73 S. 1 SGB XII greift nicht bereits dann ein, wenn wegen Fehlens einzelner Tatbestandsvoraussetzungen ein Anspruch auf sonstige im SGB XII aufgeführte Hilfen gerade nicht besteht oder dessen Rechtsfolgen als unzureichend empfunden werden. Insbesondere darf eine "sonstige Lebenslage" nicht allein deshalb angenommen werden, um die (auf die betroffene Lebenslage eigentlich zugeschnittene) Darlehensregelung des § 37 SGB XII zu umgehen (vgl. zum Ganzen auch Böttiger in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 73 Rn. 22 f. m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.05.2014 - L 2 SO 1431/14 Rn. 25; Urteil des erkennenden Senats vom 23.09.2013 - L 20 SO 279/12 Rn. 41. Soweit das Bundessozialgericht in der Vergangenheit in der vereinzelt gebliebenen Entscheidung vom 07.11.2006 - B 7b AS 14/06 R Rn. 21 ff. [zur Frage der Übernahme von Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts von Eltern mit ihren Kindern] die Anwendung von § 73 S. 1 SGB XII auch bei solchen Bedarfslagen für möglich gehalten hat, die - jedenfalls zum Teil - bereits von der Regelleistung erfasst waren, folgt der Senat dem nicht; spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 - 1 BvL 1/09 u.a. sowie der nachfolgenden Einführung von § 21 Abs. 6 SGB II ist diese Rechtsprechung ohnehin überholt).

bb) Ob eine Überprüfung des klägerischen Begehrens anhand von § 27a Abs. 4 S. 1 (2. Var.) SGB XII aus prozessualen Gründen überhaupt in Betracht kommt (s.o. 1.), kann der Senat offen lassen. Denn sollte dies der Fall sein, ergäbe sich jedenfalls auch dann kein Leistungsanspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschaffung seines neuen türkischen Passes.

(1) Denn § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII findet von vornherein nur Anwendung, wenn es um die Deckung laufender, nicht nur einmaliger Bedarfe geht.

Zwar folgt dies nicht unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut. Die Vorschrift ist jedoch systematisch allein auf Fälle regelhaft wiederkehrender und nicht nur einmaliger Bedarfe zugeschnitten (vgl. LSG NRW, Urteil vom 26.05.2014 - L 9 SO 474/13 Rn. 46 f.; Scheider in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 27a Rn. 57 m.w.N.; Schmidt in Oestreicher u.a., SGB XII, Stand: EL 64 November 2011, § 27a Rn. 35 f.; Dauber in Mergler/Zink, SGB XII, 23. Lfg. August 2013, § 27a Rn. 34; Gutzler in jurisPK-SGB XII, § 27a Rn. 86 f. m.w.N., der jedoch selbst eine andere Auffassung vertritt [s.u.]).

So hat das Bundesverwaltungsgericht (vgl. Urteil vom 15.12.1994 - 5 C 55/92 Rn. 11 m.w.N.) bereits zur Vorgängervorschrift des § 22 Abs. 1 S. 2 BSHG entschieden, diese komme nur dann zur Anwendung, wenn der Hilfesuchende einen laufenden, nicht nur einmaligen Bedarf geltend mache, welcher bei der generalisierenden Bemessung der Regelsatzleistungen nicht berücksichtigt worden sei und (weil einzelfallabhängig) auch nicht habe berücksichtigt werden können. Für § 27a Abs. 4 S. 1 (2. Var.) SGB XII kann nichts anderes gelten (vgl. LSG NRW a.a.O. Rn. 47 m.w.N.).

Soweit insofern eingewandt wird, das SGB XII habe die Unterscheidung zwischen laufenden und einmaligen Bedarfen weitgehend aufgegeben (so Gutzler in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 27a Rn. 86 f.), leugnet dies die im Zusammenhang mit der den Regelsätzen zugrundeliegende Ansparkonzeption für einmalige Bedarfe mit § 37 Abs. 1 SGB XII eingeführte Möglichkeit, insoweit unvorhergesehene Bedarfsspitzen (nur) im Wege eines rückzahlbaren Darlehens aufzufangen (LSG NRW a.a.O. Rn. 47 m.w.N.). Würde § 27a Abs. 4 S. 1 (2. Var.) SGB XII auch einmalige Bedarfe erfassen, entstünde ein systematischer Widerspruch; denn sowohl § 27a Abs. 4 S. 1 (2. Var.) SGB XII als auch § 37 Abs. 1 SGB XII setzen einen "unabweisbaren" Bedarf voraus. Fänden beide Regelungen auf einmalige Bedarfe Anwendung, wäre nicht auszumachen, in welchen Fällen einmalige vom Regelsatz umfasste Bedarfe als leistungserhöhender Zuschuss (§ 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII) und wann lediglich als Darlehen (§ 37 Abs. 1 SGB XII) zu übernehmen wären.

Selbst wenn sich dieser Widerspruch zwischen § 37 Abs. 1 SGB XII und § 27a Abs. 4 S. 1 2. Var. SGB XII (mit Gutzler, a.a.O. Rn. 86.1) durch eine Abgrenzung danach auflösen ließe, ob eine von der in den Regelbedarfen typisierend erfassten abweichende Bedarfslage vorliegt (dann § 27a Abs. 4 S. 1 SGB XII) oder nicht (dann § 37 Abs. 1 SGB XII), könnte dies nicht überzeugen. Denn eine Anwendungsbeschränkung des § 27a Abs. 4 S. 1 (2. Var.) SGB XII auf laufende Bedarfe erscheint ferner für eine "harmonisierenden Auslegung" zum SGB II notwendig (LSG NRW a.a.O. Rn. 47 m.w.N.). Die Parallelvorschrift des § 21 Abs. 6 SGB II sieht zusätzliche zuschussweise Leistungen ausdrücklich nur bei laufenden, nicht nur einmaligen Bedarfen vor. Existiert danach bei einmaligen Bedarfen im Grundsicherungsregime des SGB II nur die Gewährung eines Darlehens nach § 24 Abs. 1 SGB II, so kann mit Rücksicht auf Art. 3 Abs. 1 GG im Grundsicherungsregime des SGB XII nichts anderes gelten.

Soweit für die Grundsicherung nach dem SGB II erwogen wird, beim Auftreten atypischer, einmaliger Bedarfe § 21 Abs. 6 SGB II analog anzuwenden (vgl. Blüggel in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 24 Rn. 30 ff.; Behrend in jurisPK-SGB II, 5. Auflage 2015, § 24 Rn. 35), erscheint fraglich, ob damit nicht die gesetzlich erkennbar aufrecht erhaltene Trennung zwischen einmaligen und laufenden Bedarfen unterlaufen und eine Regelungslücke angenommen würde, die gar nicht existiert. Das Gesetz macht zudem (durch abschließende Aufzählung in § 31 SGB XII bzw. § 24 Abs. 3 SGB II) deutlich, in welchem Umfang neben Regelsatzleistungen einmalige Bedarfe zu decken sein sollen. Einer Entscheidung hierzu bedarf es im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil es sich bei den Passkosten um einen der Art nach vom Regelbedarf umfassten, mithin gerade nicht um einen atypischen Bedarf im vorgenannten Sinne handelt.

(2) Findet § 27a Abs. 4 S. 1 (2. Var.) SGB XII nur bei laufenden Bedarfen Anwendung, kann die Vorschrift dem Kläger keinen Anspruch vermitteln. Denn seine Passkosten sind ein lediglich einmaliger Bedarf.

Das Gesetz selbst definiert einmalige Bedarfe nicht. Angesichts der Gesetzesbegründung zu § 21 Abs. 6 SGB II (vgl. BT-Drs. 17/1465 S. 9 oben; ferner Knickrehm/Hahn in Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 21 Rn. 68 m.w.N.) liegt es zumindest nahe, (auch im SGB XII) die Abgrenzung zu laufenden Bedarfen danach vorzunehmen, ob der Bedarf in einem Bewilligungszeitraum zumindest einmal auftritt. Da der Kläger Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII bezieht, die gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 SGB XII jeweils für ein Jahr bewilligt werden, und da die Passkosten ausweislich der Gültigkeitsdauer des im März 2013 tatsächlich ausgestellten Passes alle zehn Jahre anfallen, handelte es sich bei ihnen nicht um einen laufenden Bedarf. Ob die Abgrenzung stets mit Blick auf den jeweiligen Bewilligungszeitraum vorzunehmen ist, kann offen bleiben. Denn selbst bei einer Einzelfallbetrachtung unabhängig vom Bewilligungszeitraum (vgl. dazu etwa Schmidt a.a.O. Rn. 36 unter Hinweis auf LSG NRW, Urteil vom 12.12.2007 - L 12 SO 18/06) ist jedenfalls ein nur alle zehn Jahre anfallender Bedarf als (jeweils) einmalig anzusehen.

Pass- oder Personalausweisbeschaffungskosten sind auch nicht deshalb laufende Bedarfe, weil Personalausweiskosten rechnerisch mit ihrem monatlichen Anteil (d.h. bezogen auf die Regelbedarfsstufe 1 mit etwa 0,25 EUR pro Monat) in den Regelsatz eingeflossen sind. Anknüpfungspunkt ist insoweit nicht etwa ein entsprechender laufender monatlicher Ansparbedarf (der dementsprechend wegen teurerer Auslandspässe individuell höher zu bemessen wäre). Denn dem Ansparkonzept liegt nicht die Vorstellung zugrunde, dass monatlich für eine Vielzahl verschiedener Bedarfe stetig jeweils eine ebensolche Vielzahl kleinerer Beträge zurückzulegen sei. Es berücksichtigt vielmehr, dass einmalige Bedarfe jeweils nur gelegentlich anfallen; die insgesamt angesparten Mittel können dann jeweils für einen gerade entstandenen konkreten Bedarf eingesetzt werden, da andere einmalige Bedarfe regelmäßig erst zu anderen Zeiten anfallen. Leistungsberechtigte haben also in wirtschaftlicher Vorausplanung jeweils zu entscheiden, ob und für welche nicht laufend anfallenden Bedarfe sie den als Ansparbetrag im Regelsatz enthaltenen Betrag ansparen möchten. Treffen mehrere, ggf. kostenträchtigere einmalige Bedarfe doch einmal zeitlich so zusammen, dass auch bei vorausschauender Planung nicht genügend angesparte Mittel zur Verfügung stehen, kann dem durch ein Darlehen nach § 37 Abs. 1 SGB XII Rechnung getragen werden, das hernach ratenweise zu tilgen ist; insofern ist das Darlehen lediglich gleichsam ein nachgelagertes Gegenstück der Vorab-Ansparung.

c) Konnten die Passkosten des Klägers als einmaliger Bedarf nach allem nur als Darlehen gemäß § 37 Abs. 1 SGB XII übernommen werden, so dringt der Kläger auch mit dem Einwand nicht durch, er habe im Laufe seines bisherigen (zu kurzen) Leistungsbezuges den aufzuwendenden Betrag noch gar nicht ansparen können. Denn eine Bedarfsspitze kann auch deshalb bestehen, weil noch keine ausreichende Ansparzeit zur Verfügung gestanden hat; ihr kann deshalb gerade mit einem Darlehen wirksam begegnet werden. Auch hier verlagert die Rückzahlung des Darlehens das Ansparen gleichsam nur in Zeit nach der Bedarfsdeckung.

d) Eine andere Beurteilung ist schließlich auch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen veranlasst, namentlich nicht mit Blick auf das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (vgl. hierzu BVerfG, Urteil vom 23.07.2014 - 1 BvL 10/12 u.a. Rn. 115 ff.). Denn die Differenz zwischen den in dem Regelsatz berücksichtigten Kosten für einen Personalausweis (28,80 EUR) und den vom türkischen Konsulat dem Kläger in Rechnung gestellten Gebühren (211 EUR) ist mit 182,20 EUR zwar nicht unerheblich. Da der entsprechende Bedarf jedoch nur alle zehn Jahre anfällt, führt dies bei einer Umrechnung auf den Monat nur zu einem geringen Betrag von ca. 1,52 EUR, um den der Kläger mit höheren Kosten belastet wird als im Falle eines Personalausweises. Es liegt in der Natur der Sache, dass unterschiedliche Leistungsbezieher je nach ihrem Lebenszuschnitt unterschiedliche Einmalbedarfe haben; diese resultieren etwa aus individuellen Konsumvorlieben und -notwendigkeiten sowie aus individuellen Lebensentscheidungen, welche jeweils besondere Bedarfszuschnitte erzeugen können. Sind die höheren Kosten für den türkischen Pass des Klägers letztlich Folge seiner individuellen Lebensentscheidung, sich - ohne Einbürgerung - über einen langen Zeitraum in Deutschland niederzulassen, so sind sie lediglich individuelle Besonderheiten gerade seines Einzelfalles, so wie in anderen Einzelfällen jeweils andere individuelle Bedarfe anfallen. Die Größenordnung dieser Belastung ist so gering, dass der Kläger auf eine Deckung aus dem individuell einsetzbaren Ansparanteil der Regelleistung verwiesen werden kann (ob bei exorbitanten Gebühren, die ein anderer Staat von seinen in Deutschland lebenden Angehörigen für die Ausstellung von Pässen verlangen könnte, anders zu entscheiden wäre, kann der Senat offenlassen).

Wenn der Kläger schließlich auf Aufwendungen für eine Rechtsschutzversicherung und eine Versicherung für eine Rückführung in die Türkei nach dem Tode verweist, so führt dies ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Es handelt sich dabei um aus dem freihändig einzusetzenden Ansparbetrag aufzuwendende Ausgaben für individuelle Absicherungswünsche, die das Existenzminimum des Klägers nicht betreffen, und die deshalb dem eigenverantwortlichen Ausgabeverhalten im Rahmen des durch die existenzsichernden Leistungen nach dem SGB XII Ermöglichten zuzuweisen sind.

Offen lassen kann der Senat insoweit, ob ein Verweis des Klägers auf Mittel aus dem im Regelsatz enthaltenen Ansparbetrag auch schon deshalb gerechtfertigt erscheint, weil bei der Bemessung des Regelsatzes in der Abteilung 3 die Verbrauchsausgaben für Herren- und Damenbekleidung sowie für Herren- und Damenschuhe systemwidrig zusammengerechnet worden sind und deshalb ohnehin mehr als die eigentlich für das Existenzminimum notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt werden (nach Schwabe in ZfF 2013 S.1 ff. [5] belief sich dieser Mehrbetrag im Jahr 2013 auf monatlich 5,27 EUR). [...]