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VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Urteil vom 24.11.2014 - 4 A 126/12 - asyl.net: M22951
https://www.asyl.net/rsdb/M22951
Leitsatz:

Eine armenische Expertenkommssion, die als Vertreter der zuständigen Innenbehörde auftritt, kann nach interner Prüfung die armenische Staatsangehörigkeit feststellen.

Schlagwörter: Armenien, Rückübernahmeabkommen, Expertenkommission, deutsch-armenisches Rückübernahmeabkommen, Passersatz, Delegation, Sachkunde, Diplomatenstatus, Staatsangehörigkeit, armenische Staatsangehörigkeit,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

"Die dem Gericht vorliegende und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachte Auskunftslage bestätigt diese Ansicht nicht. Daraus ergibt sich nämlich, dass es sich bei der aus drei bis vier Personen bestehenden "armenischen Expertenkommission" um eine Delegation handelt, die sich aus einem Berater des Außenministeriums, dem Vorsitzenden der Konsularabteilung und dem Vorsitzenden der Migrationsabteilung des Auswärtigen Amtes zusammensetzt. Bei Bedarf kann zudem ein Vertreter der Passabteilung oder Migrationsabteilung des armenischen Innenministeriums herangezogen werden (vgl. Dr. Tessa Savvidis an das VG Göttingen, 19.11.2010 [Nr. 287a]). Nach einer weiteren Auskunft handelt es sich um vier hochrangige Beamte der Republik Armenien mit Diplomatenstatus, die (im Februar 2008) als Vertreter der zuständigen armenischen Innenbehörden. Bei den Gesprächen war stets auch ein Vertreter der armenischen Botschaft aus Berlin anwesend, da die armenische Botschaft über die Ausstellung der Passersatzpapiere abschließend entscheidet (vgl. Stadt Bielefeld an das VG Göttingen, 17.06.2010 [Nr. 286]). In Deutschland führt die Delegation aus Armenien Einzelgespräche mit den eventuellen Rückzuführenden durch und teilt noch vor Abreise nach Armenien den deutschen Behörden ihre Vorab-Einschätzung der Einzelfälle mit. Nach der Rückkehr der Delegation nach Armenien erfolgt dort die endgültige Prüfung der Fälle, wonach die deutschen Behörden die Namenslisten der angefragten Fälle mit der jeweiligen Bemerkung "ja", "nein" oder "anhängig" zurückerhalten. "Ja" bedeutet, dass Armenien bereit ist, dem betreffenden Rückkehrer Reisepapiere auszustellen. Im Bewilligungsfall ergeht zeitgleich an die Konsularabteilung der armenischen Botschaft Berlin die Benachrichtigung, dass Reisedokumente ausgestellt werden können. Im Regelfall beträgt der Zeitraum zwischen den Interviews in Deutschland bis zur endgültigen Entscheidung und Benachrichtigung der deutschen Seite 15-20 Tage (vgl. Dr. Tessa Savvidis, an das VG Göttingen, 19.11.2010 [Nr. 287a]). Eine abschließende Untersuchung der Staatsangehörigkeit findet nicht erst nach der Rückkehr in Armenien statt, sondern dem Personenkreis, dem im Rahmen der durchgeführten Expertenkommission von der armenischen Botschaft Passersatzpapiere ausgestellt wurde, wird die armenische Staatsangehörigkeit bescheinigt, wenngleich die tatsächliche Identität der Personen in vielen Fällen nicht abschließend geklärt werden konnte (vgl. Stadt Bielefeld an das VG Göttingen, 17.06.2010 [Nr. 286]). Im Anhang 2 des deutsch-armenischen Rückübernahmeabkommens sind die Ergebnisse aus den (Experten-) Anhörungen als Mittel zur Glaubhaftmachung der Staatsangehörigkeit ausdrücklich vorgesehen.

Nach dieser Auskunftslage liegen für das Gericht keinerlei Anhaltspunkte vor, dass die von der Republik Armenien entsandten Delegierten nicht über die notwendigen Kenntnisse verfügen, eine tragfähige Einschätzung aufgrund der durchgeführten Interviews mit den potentiellen Rückzuführenden sowohl im Sinne des armenischen Staatsangehörigkeitsrechts als auch im Sinne des deutsch-armenischen Rückführungsabkommens abzugeben. Gleiches gilt hinsichtlich der Annahme, dass der Kläger nicht die armenische Staatsangehörigkeit besitzt. Zum Einen wurde von der Konsularabteilung der armenischen Botschaft Berlin mit Schreiben vom 04.10.2010, also knapp drei Wochen nach der Anhörung des Klägers am 16.09.2010, hinsichtlich der Person des Klägers mitgeteilt, dass für ihn Passersatzpapiere ausgestellt werden können. Diese - nach der Auskunftslage - endgültige Entscheidung ist zu keinem Zeitpunkt von der Republik Armenien revidiert worden, auch nicht durch die von dem Kläger eingereichte spätere Stellungnahme der Konsularabteilung der armenischen Botschaft Berlin vom 17.09.2012. Darin wird lediglich ausgeführt, dass auf eine Anfrage in Armenien die zuständigen Behörden geantwortet hätten, dass der Kläger im Zentralregister und in der Datenbank der Passbeschaffungsbehörde der Polizei der Republik Armenien als armenischer Staatsangehöriger nicht erfasst sei. Er habe Nationalpässe der Republik Armenien nie erhalten und auch nie einen Antrag auf Einbürgerung gestellt. Diese Aussagen schließen jedoch die armenische Staatsangehörigkeit nicht aus. Denn nach Art. 10 des Staatsangehörigkeitsgesetzes der Republik Armenien vom 06.11.1995 (in der Fassung vom 16.02.2007) über die Anerkennung der Staatsangehörigkeit der Republik Armenien können u. a. auch folgende Personen als Staatsangehörige der Republik Armenien anerkannt werden: (3.) Frühere Staatsangehörige der Armenischen SSR, die außerhalb der Republik Armenien leben und nicht die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erworben haben."

Das erkennende Gericht schließt sich diesen Ausführungen an, zumal die Situation der Klägerinnen mit der ihres Bruders / Onkels identisch ist, sie wurden der Expertenkommission zeitgleich vorgestellt und haben auch am selben Tag die Stellungnahme der Konsularabteilung der armenischen Botschaft Berlin erhalten. [...]