LG Hannover

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Zitieren als:
LG Hannover, Beschluss vom 29.05.2015 - 8 T 24/15 (ASYLMAGAZIN 7-8/2015, S. 276) - asyl.net: M22942
https://www.asyl.net/rsdb/M22942
Leitsatz:

Eine mündliche Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft für § 72 Abs. 4 AufenthG ist ausreichend, sofern dies im Detail in den Akten vermerkt wird, wozu die Angabe des Namens des Staatsanwalts zwingend erforderlich ist.

Schlagwörter: Sicherungshaft, Abschiebungshaft, einstweilige Anordnung, Einvernehmen der Staatsanwaltschaft zur Abschiebung, mündliche Zustimmung, mündlich, Staatsanwaltschaft, Schriftform,
Normen: AufenthG § 72 Abs. 4,
Auszüge:

[...]

1. Die gem. § 58 Abs. 1 FamFG statthafte Beschwerde ist, da form- und fristgerecht eingelegt, zulässig. Sie ist auch begründet. Die Haftanordnung des Amtsgerichts verletzt den Betroffenen deshalb in seinen Rechten, weil eine lediglich einstweilige Haftanordnung am 20.05.2015 nicht hätte ergehen dürfen.

Der Antrag der Ausländerbehörde und die entsprechende Entscheidung des Amtsgerichts, nur eine einstweilige Anordnung zu erlassen, beruht nach den Ausführungen im Haftantrag und den Gründen des angefochtenen Beschlusses allein auf der Annahme, eine "endgültige" Haftanordnung könne deshalb nicht getroffen werden, weil eine - im Haftantrag der Ausländerbehörde durch Angabe von Datum, Uhrzeit und Name der Beamtin detailliert mitgeteilte - telefonisch erteilte Zustimmung der Staatsanwaltschaft unzureichend sei und es für die endgültige Haftanordnung einer schriftlichen Zustimmungserklärung bedürfe.

Die Rechtsansicht des Amtsgerichts teilt die Kammer nicht. § 72 Abs. 4 AufenthG schreibt die Schriftform für die Erklärung des Einvernehmens nicht vor. Erforderlich, aber auch ausreichend ist, wenn im Haftantrag ein mündlich erklärtes Einvernehmen so hinreichend detailliert angegeben ist, dass eine gezielte Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft zur Richtigkeit möglich ist.

Bereits in ihrer Entscheidung vom 10.02.2011 in der Beschwerdesache 8 T 16/11 hat die Kammer mitgeteilt, dass sie dazu neigt, eine mündliche Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft als ausreichend anzusehen. In jenem Beschluss hat die Kammer ausgeführt: "Die Kammer neigt zwar zu der Ansicht, dass die Zustimmungserklärung der Staatsanwaltschaft nicht der Schriftform bedarf. Ist das Einvernehmen jedoch nur mündlich erklärt worden, muss dies im Detail in den Akten vermerkt werden. Zu den erforderlichen Angaben gehört die Angabe des Namens der Staatsanwältin oder des Staatsanwalts. Nach Ansicht der Kammer reicht die Angabe "Eilstaatsanwältin" nicht aus, mag die den staatsanwaltschaftlichen Eildienst ausübende Person auch noch nachträglich ermittelbar sein. Eine solche Ermittlung ist einem Betroffenen, der möglicherweise gar nicht anwaltlich vertreten ist, nicht ohne weiteres möglich. Eine hinreichende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt deshalb voraus, dass bei nur mündlich erklärter Zustimmung angegeben wird, wie der Staatsanwalt bzw. die Staatsanwältin heißt, welche Amtsbezeichnung er bzw. sie hat und an welchem Tag und zu welcher (ungefähren) Uhrzeit die Zustimmung erteilt wurde. Auch muss [...] deutlich angegeben werden, dass sich die Zustimmung auf die beabsichtigte Abschiebung bezieht, also nicht etwa auf die Abschiebungshaft".

An dieser Ansicht hält die Kammer fest und legt sie der vorliegenden Entscheidung zugrunde.

Die Ausländerbehörde hat die inhaltlichen Anforderungen, die an einen Haftantrag bei mündlich erteilter Zustimmung der Staatsanwaltschaft insoweit zu stellen sind, erfüllt.

2. Die Haftanordnung kann nach Ansicht der Kammer nicht mit dem - durchaus naheliegenden - Gedanken aufrechterhalten werden, dass dann, wenn schon ein Antrag auf eine "endgültige" Haftanordnung zulässig und begründet ist, auch eine nur einstweilige - regelmäßig kürzere - Haftanordnung rechtmäßig sein muss. Für einen Betroffenen ist eine einstweilige Haftanordnung im Sinne der §§ 427, 49 ff. FamFG insoweit gegenüber der endgültigen Haftanordnung generell nachteilig, als eine für ihn ungünstige Entscheidung des Beschwerdegerichts nicht mit der Rechtsbeschwerde angefochten werden, kann (§ 70 Abs. 4 FamFG) und ihm somit die Möglichkeit genommen wird, eine seiner Ansicht nach falsche Entscheidung des Berufungsgerichts durch den Bundesgerichtshof korrigieren zu lassen. [...]