VG Ansbach

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Zitieren als:
VG Ansbach, Urteil vom 21.01.2015 - AN 9 K 13.30394 - asyl.net: M22836
https://www.asyl.net/rsdb/M22836
Leitsatz:

Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG im Hinblick auf Kamerun wegen Erkrankung an chronischer Virushepatitis B und arterieller Hypertonie und fehlender Möglichkeit die erforderliche (relativ teure) Behandlung in Kamerun zu finanzieren, da es dort keine kostenlose Gesundheitsversorgung gibt.

Schlagwörter: zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Hepatitis, Hepatitis B, medizinische Versorgung, Kamerun, erhebliche individuelle Gefahr, Hypertonie, Kamerun, Behandlungskosten,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1,
Auszüge:

[...]

Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis im Sinne des § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG kann sich daraus ergeben, dass die Gefahr der Verschlimmerung einer Krankheit, unter welcher der Ausländer bereits in Deutschland leidet, in seinem Heimatstaat besteht, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind ( BVerwG, U.v. 29.10.2002 - 1 C 1.02 - Rn. 9 bei juris). Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, das heißt die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Zuständen (vgl. BVerwG v. 24.05.2006 - 1 B 118/05 - juris; OVG Lüneburg, v. 10.11.2011 - Az. 8 LB 108/10 – juris). Dies ist dann der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 – 9 C 2.99 – juris). Dabei muss sich der Ausländer grundsätzlich auf den Behandlungsstandard, der in seinem Herkunftsland für die von ihm geltend gemachten Erkrankungen allgemein besteht, verweisen lassen, wenn damit keine grundlegende schwerwiegende Gefährdung verbunden ist (vgl. OVG NRW - B.v. 10.1.2007 – 13 A 1138/04.A – juris).

Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG können aber auch dann vorliegen, wenn im Herkunftsland zwar geeignete Behandlungsmöglichkeiten bestehen, die für den betreffenden Rückkehrer aber im Einzelfall aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht erreichbar sind (vgl. BVerwG, U.v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 – juris Rn. 9; BayVGH v. 23.11.2012 - 13 A B 12.30061 – juris).

Dies ist hier der Fall. Das Gericht ist nach den vorliegenden medizinischen Feststellungen, die von der Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogen worden sind, davon überzeugt, dass der Kläger bei einer Rückkehr binnen kurzer Zeit einer erheblichen individuellen Gefahr im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ausgesetzt wäre. Das aktuelle fachärztliche Attest von Herrn Dr. med. ... vom 10. November 2014 belegt, dass der Kläger nach wie vor an einer chronischen Virushepatitis B und an arterieller Hypertonie leidet und deshalb weiterhin medikamentöser Behandlung bedarf. Ohne die Einnahme der in dem Medikamenteneinnahmeplan aufgeführten Medikamente ist mit einer wesentlichen Verschlechterung seines Allgemeinzustandes zu rechnen. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen wird der Kläger bei seiner Rückkehr nach Kamerun finanziell nicht in der Lage sein, sich die dauerhafte und spezielle Behandlung der bei ihm diagnostizierten Krankheiten im erforderlichen Umfang zu leisten. Der Klägervertreter hat plausibel dargelegt, dass die vom Kläger nach seinem Therapieplan einzunehmenden Medikamenten relativ teuer sind.

Wie die Beklagte in ihrem Bescheid vom 31. Mai 2013 unter Bezugnahme auf den Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 14. Juni 2011 (Gz: 508-516.80/3), der insoweit mit dem aktuellen Lagebericht vom 21. August 2013 übereinstimmt, ausführt, besteht in Kamerun keine kostenlose Gesundheitsversorgung. Zwar gibt es für bestimmte Berufsgruppen (z.B. Militär) staatliche oder halbstaatliche Versorgungseinrichtungen mit geringem Kostenbeitrag. Im Regelfall übernimmt jedoch – so der Lagebericht - die Familie die medizinischen Behandlungskosten. Unter Zugrundelegung dieser Auskunftslage und in Ansehung des insoweit relevanten klägerischen Vorbringens, an dessen Wahrheitsgehalt nach Auffassung des Gerichts kein Anlass für Zweifel besteht, ist zur Überzeugung der Einzelrichterin davon auszugehen, dass im hier vorliegenden besonderen Einzelfall dem Kläger bei seiner Rückkehr nach Kamerun nicht die nötigen finanziellen Mittel für die zwingend durchzuführende medizinische Behandlung zur Verfügung stehen.

Die Nichtbehandlung der Hepatitis B-Erkrankung würde zu einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustands führen, so dass eine Abschiebung des Klägers nach Kamerun für ihn gravierende nachteilige, ihm nicht zumutbare Folgen hätte. [...]