SG Hamburg

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Zitieren als:
SG Hamburg, Beschluss vom 12.12.2014 - S 21 KR 1399/14.ER - asyl.net: M22542
https://www.asyl.net/rsdb/M22542
Leitsatz:

Der Umstand, dass eine Psychotherapeutin nicht im Sachleistungsprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassen ist, steht dem Anspruch nach dem AsylbLG nicht entgegen, da dieser dem Regime des AsylbLG unterliegt (vgl. auch LSG Hamburg, Beschluss vom 18.6.2014 - M22090 - L 1 KR 52/14 B ER (ASYLMAGAZIN 10/2014, S. 259 f.)

Schlagwörter: Psychotherapie, Leistungen bei Krankheit, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Asylbewerberleistungsgesetz, psychische Erkrankung, Psychotherapeutenliste, Gesetzliche Krankenversicherung, Zulassung,
Normen: AsylbLG § 6 Abs. 1, AsylbLG § 4 Abs. 1 S. 1, AsylbLG § 4, AsylbLG § 6,
Auszüge:

[...]

Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nach § 4 Absatz 1 Satz 1, § 6 Absatz 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes (AsylbLG) glaubhaft gemacht. Nach § 4 Absatz 1 Satz 1 AsylbLG sind zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderliche ärztliche und zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Nach § 6 Absatz 1 AsylbLG können den Berechtigten nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sonstige Leistungen u.a. dann gewährt werden, wenn diese im Einzelfall zur Sicherung des Lebensunterhaltes oder der Gesundheit unerlässlich sind.

Diese Regelungen sind im Verhältnis zu dem Antragsteller ungeachtet des Umstandes maßgebend, dass die Beigeladene, die eigentliche Anspruchsverpflichtete der Ansprüche aus dem AsylbLG ist, die Krankenbehandlung nach § 264 Absatz 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) i.V.m. der Vereinbarung zur Übernahme der Krankenbehandlung für nicht Versicherungspflichtige gegen Kostenerstattung nach § 264 Absatz 1 SGB V auf die Antragsgegnerin übertragen hat (LSG Hamburg, Beschluss vom 18.06.2014, AZ.: L 1 KR 52/14 B ER). Rechtssystematisch folgt dies aus dem Umstand, dass die Antragsgegnerin im Auftrag der Beigeladenen außerhalb des gesetzlichen Aufgabenkreises der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) handelt (LSG Hamburg, a.a.O. m,w.N.). Sie ist damit nicht der Regelungssystematik des SGB V, sondern der des AsylbLG unterworfen.

Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, unter einer akuten Erkrankung zu leiden, die einer psychotherapeutischen Behandlung bedarf. Nach dem Befundbericht von Dr. ... vom 21 November 2014 ist davon auszugehen, dass der Antragsteller unter einer andauernden Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung, einer posttraumatischen Belastungsstörung und unter einer sonstigen anhaltenden wahnhaften Störung leidet. Auch eine schizophrene Psychose konnte Dr. ... nicht sicher ausschließen. Frau ... hatte bereits Im ärztlichen Attest vom 21. Juli 2014 auf die Dringlichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung hingewiesen. Im Hinblick auf die Wahrnehmungs- und inhaltlichen Denkstörungen des Antragstellers, die in der Vorgeschichte nicht zu erfragen waren, ist eine akute Erkrankung anzunehmen, die in Abgrenzung zu einer chronischen Erkrankung Hilfeleistung nach dem AsylbLG erfordert.

Wie das LSG Hamburg (a.a.O.) bereits ausgeführt hat, steht der Umstand, dass eine Psychotherapeutin nicht im Sachleistungsprinzip der GKV zugelassen ist, dem Anspruch nach dem AsylbLG nicht entgegen, da dieser dem Regime des AsylbLG unterliegt. Dem AsylbLG liegt zwar das Prinzip zugrunde, dass Leistungen grundsätzlich als Sachleistungen zu erbringen sind. Das bedeutet aber nur, dass die Berechtigten grundsätzlich kein Geld erhalten, sondern eine Sachleistung. Davon zu unterscheiden ist das spezielle Sachleistungssystem der GKV mit seinem leistungssteuernden Zulassungsprinzip hinsichtlich der einzelnen Leistungserbringer. Aus diesem kann allerdings keine Einschränkung des aus dem AsylbLG resultierenden Anspruchs folgen (LSG Hamburg a.a.O.). Zu der Systematik des AsylbLG gehört es grundsätzlich nicht, dass nur im Sachleistungsprinzip der GKV zugelassene Therapeuten in Anspruch genommen werden können (LSG Hamburg, a.a.O.).

Auch im Hinblick auf eine ausreichende Qualitätssicherung sind keine Gründe ersichtlich, die gegen eine Inanspruchnahme von Frau ... sprechen. Die Qualität der Behandlung ist zumindest seit Inkrafttreten des Psychotherapeutengesetzes als gesichert anzusehen (vgl. LSG Hamburg, a.a.O.). Da Frau ... eine englischsprachige Psychotherapie anbietet, erscheint sie auch im Fall des Antragstellers besonders geeignet, die Psychotherapie durchzuführen. Aufgrund der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit sind die Kosten der Behandlung allerdings auf die aktuellen Sätze der GKV zu begrenzen.

Der Anspruch war zunächst bis zum Ablauf der Duldungsfiktion des Antragstellers nach § 81 Absatz 3 Satz 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zu beschränken. Solange der Antragsteller im Besitz einer solchen Duldungsfiktion ist, ist er nicht von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz ausgeschlossen.

Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Aufgrund der erforderlichen Behandlung ergibt sich, dass der Antragsteller nicht auf den Ausgang des Hauptsacheverfahrens verwiesen werden kann.

Der Antragsteller hat Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Nach § 73a Absatz 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 Satz 1 ZPO erhält auf Antrag eine Partei Prozesskostenhilfe, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Diese Voraussetzungen liegen - wie oben zuvor ausgeführt wurde - vor. [...]