VG Chemnitz

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Zitieren als:
VG Chemnitz, Beschluss vom 03.12.2014 - A 4 L 632/14 - asyl.net: M22537
https://www.asyl.net/rsdb/M22537
Leitsatz:

Die Einlassung des Bundesamtes, die Entscheidung des EGMR vom 4.11.14 ergäbe keineswegs, dass systemische Mängel in Italien vorlägen, sondern nur eine Prüfpflicht, die die Zusicherung der italienischen Behörden bezüglich der altersgerechten Unterbringung zum Gegenstand habe, muss ebenfalls im Eilverfahren dazu führen, dass im Rahmen des Hauptsacheverfahrens geprüft wird, ob die Voraussetzungen vorliegen.

Schlagwörter: systemische Mängel, Italien, Dublinverfahren, Prüfpflicht, Familieneinheit, Unterbringung, Kinder, minderjährig,
Normen: EMRK Art. 3, AsylVfG § 34a, VwGO § 80 Abs. 5,
Auszüge:

[...]

Ergänzend und darüber hinausgehend ist dem Gericht auch nicht erkennbar, wieso den Antragstellern in Italien keine hinreichende medizinische Versorgung bezüglich ihrer Erkrankungen zur Verfügung stehen sollte, ohne dass dies hier aber abschließend entschieden werden müsste, denn für das Eilrechtsschutzbegehren der Antragsteller streitet nunmehr die neue Entscheidung des EGMR vom 04.11.2014 (application no. 29217/12), wonach die Überstellung einer afghanischen Familie im Rahmen eines Dublin-Verfahrens nach Italien gegen Art. 3 EMRK verstoße, da Italien u.a. keine Unterbringung der Familie sicherstellen könne, was insbesondere für die minderjährigen Kinder zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK führe.

Für den hier vorliegenden Fall ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass es sich bei den Antragstellern zu 5), zu 6) und zu 7) um in den Jahren 2007 und 2008 und 2011 geborene Kinder handelt, so dass die Entscheidung des EGMR vom 04.11.2014 auf den vorliegenden Fall in vollem Umfang anwendbar ist.

Es kann indes nicht Gegenstand des vorliegenden Ellverfahrens sein, die sich im Hinblick auf die genannte Entscheidung des EGMR aufwerfenden Fragen zuverlässig zu entscheiden und die zu würdigenden Tatsachen umfassend abzuprüfen. Vielmehr muss eine Überprüfung der Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die neue Rechtsprechung des EGMR insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Die Einlassung des Bundesamtes vom 12.11.2014 insoweit, die Entscheidung des EGMR vom 04.11.2014 ergebe keineswegs, dass systemische Mängel in der italienischen Republik (Italien) vorlägen und dass der EGMR in dem konkreten Fall lediglich eine Prüfpflicht aufstelle, die die Zusicherung der italienischen Behörden bezüglich der altersgerechten Unterbringung und bezüglich der Wahrung der Familieneinheit zum Gegenstand habe, kann jedenfalls im vorliegenden Eilverfahren zu keiner anderen Betrachtungsweise führen, denn auch angesichts dieses Vortrages sind für die endgültige Entscheidung die Einzelumstände des Falles aufzuklären und zu prüfen, was nur im Rahmen des Hauptsacheverfaburens sinnvoll geschehen kann.

Um aber überhaupt in den Genuss eines die Einzelumstände des vorliegenden Falles abklärenden Hauptsacheverfahrens in Deutschland zu kommen, bedarf es der tenorierten Aussprüche, unter anderem auch des Inhalts, dass von einer Abscbicbung der Antragsteller nach Italien vorläufig Abstand zu nehmen ist. [...]