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Zitieren als:
EuGH, Urteil vom 02.12.2014 - C-148/13, C-149/13, C-150/13 - A,B,C gegen Niederlande (Asylmagazin 1-2/2015, S. 30 ff.) - asyl.net: M22497
https://www.asyl.net/rsdb/M22497
Leitsatz:

Vorgaben zur Prüfung der sexuellen Orientierung als Verfolgungsgrund:

1. Bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, mit dem Verfolgung aufgrund sexueller Orientierung geltend gemacht wird, darf nach Art. 4 Abs. 3 Bst. c QualifikationsRL (alte Fassung 2004/83/EG) und Art. 13 Abs. 3 Bst. a AsylverfahrensRL (alte Fassung 2005/85/EG) die Beurteilung nicht anhand von Befragungen erfolgen, die allein auf stereotypen Vorstellungen von homosexuellen Personen beruhen.

2. Art. 4 QualifikationsRL (alte Fassung 2004/83/EG) ist im Lichte von Art. 7 GR-Charta dahin auszulegen, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen dieser Prüfung keine detaillierten Befragungen zu den sexuellen Praktiken einer asylsuchenden Person durchführen dürfen.

3. Art. 4 QualifikationsRL (alte Fassung 2004/83/EG) ist im Lichte von Art. 1 GR-Charta dahin auszulegen, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen dieser Prüfung keine Beweise der Art akzeptieren dürfen, dass die asylsuchende Person homosexuelle Handlungen vornimmt, sich "Tests" zum Nachweis ihrer Homosexualität unterzieht oder auch Videoaufnahmen solcher Handlungen vorlegt.

4. Nach Art. 4 Abs. 3 QualifikationsRL (alte Fassung 2004/83/EG) und Art. 13 Abs. 3 Bst. a AsylverfahrensRL (alte Fassung 2005/85/EG) dürfen die zuständigen Behörden im Rahmen dieser Prüfung nicht allein deshalb zu dem Ergebnis gelangen, dass die Aussagen der asylsuchenden Person nicht glaubhaft sind, weil sie ihre behauptete sexuelle Orientierung nicht bei der ersten ihr gegebenen Gelegenheit zur Darlegung der Verfolgungsgründe geltend gemacht hat.

(Leitsätze der Redaktion)

Anmerkung:

Schlagwörter: sexuelle Orientierung, homosexuell, Homosexualität, Beweismittel, Beweislast, Beweiserhebung, Beweisangebot, Beweis, Test, Videoaufnahmen, Glaubhaftmachung, Glaubwürdigkeit, Achtung des Privatlebens, Privatsphäre, persönliche Sphäre, Mitwirkungspflicht, stereotype Vorstellungen, Stereotyp, ABC, A,B,C,
Normen: RL 2004/83/EG Art. 4 Bst. c, GR-Charta Art. 7, GR-Charta Art. 1, RL 2004/83/EG Art. 4 Abs. 3, RL 2005/85/EG Art. 13 Abs. 3,
Auszüge:

[...]

Aus den Erwägungsgründen 3, 16 und 17 der Richtlinie 2004/83 geht hervor, dass die Genfer Konvention einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Rechtsrahmens für den Schutz von Flüchtlingen darstellt und dass die Bestimmungen dieser Richtlinie über die Voraussetzungen der Anerkennung als Flüchtling und über den Inhalt des Flüchtlingen zu gewährenden Schutzes erlassen wurden, um die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Genfer Konvention auf der Grundlage gemeinsamer Konzepte und Kriterien zu leiten (Urteil N., C-604/12, EU:C:2014:302, Rn. 27).

Die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83 sind daher im Licht der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Richtlinie in Übereinstimmung mit der Genfer Konvention und einschlägigen anderen Verträgen, auf die Art. 78 Abs. 1 AEUV Bezug nimmt, auszulegen. Diese Auslegung muss zudem, wie dem zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie zu entnehmen ist, die Achtung der in der Charta anerkannten Rechte gewährleisten (Urteil X u. a., C-199/12 bis C-201/12, EU:C:2013:720, Rn. 40).

Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Richtlinie 2004/83 keine Verfahrensvorschriften für die Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz enthält und deshalb auch nicht die dem Asylbewerber zu gewährenden Verfahrensgarantien bestimmt. Vielmehr legt die Richtlinie 2005/85 Mindestnormen für die 9Verfahren zur Prüfung der Anträge fest und regelt die Rechte der Asylbewerber, die im Rahmen der Prüfung der Fälle der Ausgangsverfahrens zu berücksichtigen sind.

Zur Vorlagefrage

Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 4 der Richtlinie 2004/83 im Licht der Bestimmungen der Charta dahin auszulegen ist, dass er den zuständigen nationalen Behörden, die unter der Kontrolle der Gerichte tätig werden, bestimmte Grenzen bei der Prüfung der Ereignisse und Umstände setzt, die die behauptete sexuelle Ausrichtung eines Asylbewerbers betreffen, dessen Antrag auf die Furcht vor Verfolgung wegen dieser Ausrichtung gestützt ist.

Hierzu ist zunächst festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen der Rechtsmittelführer der Ausgangsverfahren – wonach die Behörden, die für die Prüfung eines Asylantrags zuständig seien, der auf die Furcht vor Verfolgung wegen der sexuellen Ausrichtung des Asylbewerbers gestützt sei, dessen behauptete Ausrichtung allein aufgrund seiner Aussagen als erwiesen anzusehen hätten – diese Aussagen angesichts des besonderen Kontexts von Asylanträgen im Verfahren der Prüfung der Ereignisse und Umstände gemäß Art. 4 der Richtlinie 2004/83 nur den Ausgangspunkt bilden können.

Nach dem Wortlaut von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten es nämlich im Rahmen dieser Prüfung als Pflicht des Antragstellers betrachten, so schnell wie möglich alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen, wobei der Mitgliedstaat unter Mitwirkung des Antragstellers die für den Antrag maßgeblichen Anhaltspunkte prüft.

Darüber hinaus ergibt sich aus Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83, dass die Aussagen von Asylbewerbern zu ihrer behaupteten sexuellen Ausrichtung eines Nachweises bedürfen können, wenn die in den Buchst. a bis e dieser Bestimmung aufgeführten Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Folglich können, auch wenn der Asylbewerber seine sexuelle Ausrichtung anzugeben hat, bei der es sich um einen Aspekt seiner persönlichen Sphäre handelt, Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die mit der Furcht vor Verfolgung wegen der sexuellen Ausrichtung begründet werden, ebenso wie Anträge, die auf andere Verfolgungsgründe gestützt werden, Gegenstand eines Prüfverfahrens gemäß Art. 4 der Richtlinie 2004/83 sein.

Die Art und Weise, in der die zuständigen Behörden die Aussagen und Unterlagen oder sonstigen Beweise, auf die diese Anträge gestützt werden, prüfen, muss jedoch in Einklang mit den Bestimmungen der Richtlinien 2004/83 und 2005/85 sowie ? entsprechend den Erwägungsgründen 10 und 8 dieser Richtlinien ? mit den in der Charta garantierten Grundrechten wie dem in Art. 1 der Charta verankerten Recht auf Wahrung der Würde des Menschen und dem in Art. 7 der Charta garantierten Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens stehen.

Art. 4 der Richtlinie 2004/83 gilt zwar für alle Anträge auf internationalen Schutz unabhängig von den Verfolgungsgründen, auf die diese Anträge gestützt werden, doch müssen die zuständigen Behörden unter Wahrung der in der Charta garantierten Rechte die Art und Weise, in der sie die Aussagen und Unterlagen oder sonstigen Beweise prüfen, den besonderen Merkmalen jeder Kategorie von Asylanträgen anpassen.

Die Prüfung der Ereignisse und Umstände gemäß Art. 4 der Richtlinie 2004/83 vollzieht sich, wie in Rn. 64 des Urteils M. (C-277/11, EU:C:2012:744) entschieden worden ist, in zwei getrennten Abschnitten. Der erste Abschnitt betrifft die Feststellung der tatsächlichen Umstände, die Beweise zur Stützung des Antrags darstellen können, während der zweite Abschnitt die rechtliche Würdigung dieser Umstände betrifft, die in der Entscheidung besteht, ob die in den Art. 9 und 10 oder 15 der Richtlinie 2004/83 vorgesehenen materiellen Voraussetzungen für die Gewährung internationalen Schutzes in Anbetracht der Umstände, die einen konkreten Fall auszeichnen, erfüllt sind.

Im Rahmen des ersten Abschnitts, in den die Fragen des vorlegenden Gerichts im jeweiligen Ausgangsverfahren einzuordnen sind, können die Mitgliedstaaten es zwar nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 normalerweise als Pflicht des Antragstellers betrachten, alle zur Begründung seines Antrags erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen – wobei der Antragsteller im Übrigen am Besten in der Lage ist, Gesichtspunkte vorzutragen, die seine eigene sexuelle Ausrichtung belegen ?, doch ist der betreffende Mitgliedstaat nach dieser Vorschrift verpflichtet, mit dem Antragsteller im Abschnitt der Bestimmung der maßgeblichen Anhaltspunkte des Antrags zusammenzuarbeiten (vgl. in diesem Sinne Urteil M., EU:C:2012:744, Rn. 65).

Hierzu ist festzustellen, dass diese Prüfung gemäß Art. 4 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 individuell zu erfolgen hat und die individuelle Lage sowie die persönlichen Umstände des Antragstellers einschließlich solcher Faktoren wie familiärer und sozialer Hintergrund, Geschlecht und Alter zu berücksichtigen hat, um bewerten zu können, ob in Anbetracht dieser Umstände die Handlungen, denen er ausgesetzt war oder ausgesetzt sein könnte, einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden gleichzusetzen sind.

Wie in Rn. 51 des vorliegenden Urteils ausgeführt, bedürfen außerdem Aussagen eines Asylbewerbers, für die Unterlagen oder sonstige Beweise fehlen, im Rahmen der Prüfung durch die zuständigen Behörden nach Art. 4 der Richtlinie keines Nachweises, wenn die kumulativen Voraussetzungen von Art. 4 Abs. 5 Buchst. a bis e der Richtlinie erfüllt sind.

Was die Art und Weise betrifft, in der die Aussagen und Unterlagen oder sonstigen Beweise zu prüfen sind, um die es im jeweiligen Ausgangsverfahren geht, ist die vorliegende Untersuchung, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben, darauf zu beschränken, ob es mit den Richtlinien 2004/83 und 2005/85 sowie mit der Charta in Einklang steht, dass die zuständigen Behörden zum einen die Prüfung anhand von insbesondere auf Stereotypen zu Homosexuellen beruhenden Befragungen oder anhand von detaillierten Befragungen zu den sexuellen Praktiken eines Asylbewerbers durchführen und die Möglichkeit haben, zu akzeptieren, dass sich der Asylbewerber einem "Test" zum Nachweis seiner Homosexualität unterzieht und/oder freiwillig Videoaufnahmen intimer Handlungen vorlegt, und dass die zuständigen Behörden zum anderen die Glaubhaftigkeit allein deshalb verneinen können, weil der Asylbewerber die behauptete sexuelle Ausrichtung nicht bei der ersten ihm gegebenen Gelegenheit zur Darlegung der Verfolgungsgründe geltend gemacht hat.

Was erstens die Prüfungen anhand von Befragungen des betreffenden Asylbewerbers zu seiner Kenntnis von Vereinigungen zum Schutz der Rechte Homosexueller und von Einzelheiten zu diesen Vereinigungen angeht, implizieren diese Prüfungen nach Auffassung des Rechtsmittelführers des Ausgangsverfahrens in der Rechtssache C-150/13, dass die Behörden ihrer Beurteilung stereotype Vorstellungen von den Verhaltensweisen Homosexueller und nicht die konkrete Situation jedes Asylbewerbers zugrunde legten.

Hierzu ist zu beachten, dass die zuständigen Behörden nach Art. 4 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 bei der Prüfung die individuelle Lage und die persönlichen Umstände des Antragstellers und nach Art. 13 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 bei der Anhörung die persönlichen oder allgemeinen Umstände des Asylantrags zu berücksichtigen haben.

Befragungen, die sich auf stereotype Vorstellungen beziehen, können zwar den zuständigen Behörden bei der Prüfung von Nutzen sein, doch entspricht eine Prüfung von Anträgen auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die allein auf stereotypen Vorstellungen in Verbindung mit Homosexuellen beruht, nicht den Anforderungen der in der vorigen Randnummer genannten Bestimmungen, da sie den Behörden nicht erlaubt, der individuellen und persönlichen Situation des betreffenden Asylbewerbers Rechnung zu tragen.

Dass ein Asylbewerber nicht in der Lage ist, solche Fragen zu beantworten, kann deshalb für sich genommen kein ausreichender Grund sein, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass er unglaubwürdig ist, da dieser Ansatz den Anforderungen von Art. 4 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 und von Art. 13 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 zuwiderliefe.

Zweitens sind die nationalen Behörden zwar berechtigt, gegebenenfalls Befragungen durchzuführen, anhand deren die Ereignisse und Umstände, die die behauptete sexuelle Ausrichtung eines Asylbewerbers betreffen, geprüft werden sollen, doch verstoßen Befragungen zu den Einzelheiten seiner sexuellen Praktiken gegen die in der Charta garantierten Grundrechte, insbesondere gegen das in Art. 7 der Charta verankerte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens.

Was drittens die Möglichkeit anbelangt, dass die nationalen Behörden, wie es einige Rechtsmittelführer der Ausgangsverfahren vorgeschlagen haben, akzeptieren, dass Antragsteller homosexuelle Handlungen vornehmen, sich etwaigen "Tests" zum Nachweis ihrer Homosexualität unterziehen oder auch Beweise wie Videoaufnahmen intimer Handlungen vorlegen, würde durch derartige Mittel – abgesehen davon, dass sie nicht zwangsläufig Beweiskraft besitzen – die Würde des Menschen verletzt, deren Achtung in Art. 1 der Charta garantiert ist.

Diese Art von Beweisen zuzulassen oder zu akzeptieren, würde zudem einen Anreiz für andere Antragsteller schaffen und de facto darauf hinauslaufen, dass von ihnen solche Beweise verlangt würden.

Viertens ist zur Möglichkeit, dass die zuständigen Behörden die Glaubhaftigkeit u. a. dann verneinen, wenn der Antragsteller die behauptete sexuelle Ausrichtung nicht bei der ersten ihm gegebenen Gelegenheit zur Darlegung der Verfolgungsgründe geltend gemacht hat, das Folgende festzustellen.

Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 können es die Mitgliedstaaten als Pflicht des Antragstellers betrachten, "so schnell wie möglich" alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen.

Angesichts des sensiblen Charakters der Fragen, die die persönliche Sphäre einer Person, insbesondere ihre Sexualität, betreffen, kann jedoch allein daraus, dass diese Person, weil sie zögert, intime Aspekte ihres Lebens zu offenbaren, ihre Homosexualität nicht sofort angegeben hat, nicht geschlossen werden, dass sie unglaubwürdig ist.

Außerdem ist zu beachten, dass die in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83 vorgesehene Pflicht, "so schnell wie möglich" alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte darzulegen, dadurch abgemildert wird, dass die zuständigen Behörden nach Art. 13 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 und Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83 bei der Anhörung die persönlichen oder allgemeinen Umstände des Antrags einschließlich der Verletzlichkeit des Antragstellers zu berücksichtigen haben und den Antrag individuell prüfen müssen, wobei die individuelle Lage und die persönlichen Umstände jedes Antragstellers zu berücksichtigen sind.

Es liefe auf einen Verstoß gegen das in der vorigen Randnummer dargestellte Erfordernis hinaus, wenn ein Asylbewerber allein deshalb als unglaubwürdig angesehen würde, weil er seine sexuelle Ausrichtung nicht bei der ersten ihm gegebenen Gelegenheit zur Darlegung der Verfolgungsgründe offenbart hat.

Nach alledem ist auf die Vorlagefrage in den Rechtssachen C-148/13 bis C-150/13 zu antworten:

Art. 4 Abs. 3 Buchst. c der Richtlinie 2004/83 und Art. 13 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 sind dahin auszulegen, dass die zuständigen nationalen Behörden, die unter der Kontrolle der Gerichte tätig werden, im Rahmen ihrer Prüfung der Ereignisse und Umstände, die die behauptete sexuelle Ausrichtung eines Asylbewerbers betreffen, dessen Antrag auf die Furcht vor Verfolgung wegen dieser Ausrichtung gestützt ist, dessen Aussagen und die zur Stützung seines Antrags vorgelegten Unterlagen oder sonstigen Beweise nicht anhand von Befragungen beurteilen dürfen, die allein auf stereotypen Vorstellungen von Homosexuellen beruhen.

Art. 4 der Richtlinie 2004/83 ist im Licht von Art. 7 der Charta dahin auszulegen, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen dieser Prüfung keine detaillierten Befragungen zu den sexuellen Praktiken eines Asylbewerbers durchführen dürfen.

Art. 4 der Richtlinie 2004/83 ist im Licht von Art. 1 der Charta dahin auszulegen, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen dieser Prüfung keine Beweise der Art akzeptieren dürfen, dass der betreffende Asylbewerber homosexuelle Handlungen vornimmt, sich "Tests" zum Nachweis seiner Homosexualität unterzieht oder auch Videoaufnahmen solcher Handlungen vorlegt.

Art. 4 Abs. 3 der Richtlinie 2004/83 und Art. 13 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2005/85 sind dahin auszulegen, dass die zuständigen nationalen Behörden im Rahmen dieser Prüfung nicht allein deshalb zu dem Ergebnis gelangen dürfen, dass die Aussagen des betreffenden Asylbewerbers nicht glaubhaft sind, weil er seine behauptete sexuelle Ausrichtung nicht bei der ersten ihm gegebenen Gelegenheit zur Darlegung der Verfolgungsgründe geltend gemacht hat. [...]