VG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
VG Frankfurt a.M., Urteil vom 04.11.2014 - 4 K 1439/14.F.A - asyl.net: M22448
https://www.asyl.net/rsdb/M22448
Leitsatz:

Christen droht im Irak gegenwärtig und in absehbarer Zeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung mit akuter Lebensgefahr.

Schlagwörter: Christen, Irak, Mosul, Gruppenverfolgung, Islamischer Staat, interne Fluchtalternative, Schutzfähigkeit, nichtstaatliche Verfolgung, ISIS,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1, AsylVfG § 3, AsylVfG § 3 Abs. 1,
Auszüge:

[...]

Den Klägern droht im für die Entscheidung maßgeblichen derzeitigen Zeitpunkt und auf absehbare Zeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung wegen ihrer Zugehörigkeit zum christlichen Glauben bei einer Abschiebung in den Irak.

Wie sich aus den dem Gericht vorliegenden Dokumenten und Medien ergibt, hat die radikal-islamische Terrorgruppe ISIS beachtliche Teile des Nord Irak besetzt und mit ihrer Terrorherrschaft überzogen, insbesondere Mosul und weite Teile der Provinz Ninive (FAZ v. 15.06.2014, v. 17.06.2014; die Welt vom 11.06.2014; SZ v. 11.06.2014; Spiegel Online v. 11.06.2014). Hierbei unterliegen der Verfolgung durch die ISIS vor allem Andersgläubige und Andersdenkende. Die Tagesschau berichtet am 19.07.2014, dass aus der irakischen Stadt Mosul, aus der auch die Kläger stammen, tausende Christen vor den ISIS-Kämpfern geflohen sind. Von den Islamisten sei zuvor angekündigt worden, wer von den Christen die Stadt nicht verlasse, müsse mit dem Tod rechnen. Zuvor seien Häuser der Christen gekennzeichnet und von den Kirchen der Stadt die Kreuze entfernt worden. Die Häuser der Christen und deren Besitz sei von den Islamisten in Beschlag genommen worden. In den Medien wird weiter berichtet, dass im Zuge dessen auch die syrisch-katholische Kirche in Mosul von den Extremisten niedergebrannt worden sei.

Es ist im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht absehbar, dass sich die Lage in der Heimatregion der Kläger ändern und insbesondere die ISIS vom irakischen Militär mit internationaler Unterstützung zurückgedrängt werden kann. Vielmehr marschiert die ISIS derzeit weiter vor. Damit droht den Klägern bei einer Rückkehr in diese Region Verfolgung mit akuter Lebensgefahr.

Nach § 3 Nr. 1 AsylVfG kann eine Verfolgung, die die Flüchtlingsanerkennung rechtfertigt, auch von nicht staatlichen Akteuren, wie der ISIS, ausgehen, wenn der Staat oder staatsähnliche Strukturen oder internationale Organisation erwiesenermaßen nicht in der Lage oder Willens sind, Schutz vor Verfolgung zu gewährleisten. Dies ist hier der Fall. Weder die irakische Armee noch kurdische Truppen sind derzeit [nicht] in der Lage, in den betreffenden Regionen die ISIS wirksam zurückzudrängen und der Bevölkerung Schutz vor den Extremisten zu gewähren. Auch internationale Bemühungen haben bislang zu keinen Erfolgen geführt.

Eine inländische Fluchtalternative besteht für die Kläger nach der derzeitigen Erkenntnis- und Auskunftslage nicht. [...]